Wirtschaft

Kapitalmarktunion: EU-Sparer finanzieren US-Staatsschulden - Kapitalmarkt soll Investitionen freisetzen

Der europäische Binnenmarkt gilt als großes Erfolgsmodell, doch die EU ist auf der Hälfte der Wegstrecke stecken geblieben. Vor allem im Bankensektor herrscht weiter Misstrauen und Kleinstaaterei. Deutschland und Frankreich sollten am Kapitalmarkt mutig vorangehen, um Trump bei Verhandlungen künftig auf Augenhöhe begegnen zu können. Immerhin Ursula von der Leyen versucht, Europa nun auf ein gemeinsames Vorgehen für eine Kapitalmarktunion einzuschwören. EZB-Chefin Christine Lagarde hat am Freitag auf einem Banken-Kongress in Frankfurt um Unterstützung geworben. Deutschland scheint dabei noch wie gelähmt.
25.11.2024 10:58
Lesezeit: 4 min
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Ursula von der Leyen, die Präsidentin der EU-Kommission, scheint es endlich verstanden zu haben. Um Europa gegenüber Donald Trump und den USA besser als gleichberechtigten Partner in Stellung zu bringen, muss die EU endlich mutig weitere Schritte zu einer umfassenden Kapitalmarktunion beschreiten. Von der Leyen will das möglichsz bis 2029 in die Tat umsetzen. Nachdem die EU-Kommmissionspräsidentin jetzt endlich das Tableau ihrer Kommissare durchsetzen kann, soll die Europäische Zentralbank (EZB) schleunigst neue Finanzinstrumente auf den Weg bringen. EZB-Chefin Christine Lagarde hat dafür in Frankfurt auf dem European Banking Congress den Startschuss abgefeuert.

Insbesondere der kleinteilig (entlang der Nationalgrenzen) abgeschirmte Bankensektor schmälert das Vermögen der Europäer, statt es für Investitionen einzusetzen. Die Konsequenzen spielen den USA in die Hände. Die Ersparnisse der Bürger Europas fließen in Milliardenhöhe ab und halten dort die Schuldenwirtschaft am Laufen. Die Vernunft besagt: Das muss anders werden!

Kapitalmarktunion: Lagarde setzt sich für einheitlichen Kapitalmarkt ein

EZB-Präsidentin Christine Lagarde dringt angesichts drohender Handelskonflikte auf Fortschritte beim Zusammenwachsen der Finanz- und Kapitalmärkte in Europa. Die Kapitalmarktunion sei "der Schlüssel, um in einer fragmentierten Weltwirtschaft widerstandsfähiger zu werden", sagt die EZB-Präsidentin.

"Die Kapitalmärkte sind das fehlende Bindeglied für die Europäer, um ihre hohen Ersparnisse in größeren Wohlstand umzuwandeln - was sie letztendlich in die Lage versetzen wird, mehr auszugeben und unsere Binnennachfrage zu stärken", argumentiert Lagarde. Bei der Kapitalmarktunion geht es im Kern darum, bürokratische Hürden zwischen den einzelnen Staaten der Europäischen Union abzubauen. Dann hätten zum Beispiel Unternehmen grenzübergreifend mehr Möglichkeiten, sich Geld für Investitionen zu beschaffen.

Seit 2015 liegen erste Pläne der EU-Kommission dafür auf dem Tisch. Mit der Corona-Pandemie ist die Umsetzung leider unter die Räder gekommen. Mit den US-Wahlen und Donald Trumps Comeback ist nun der Schockmoment eingetreten, der Europas Banker und Finanzexperten wachrütteln könnte.

Bundesbank-Präsident fordert Mentalitätswandel

Dass die Finanzmärkte in Europa bis heute zersplittert sind, liegt nach Ansicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel "nicht zuletzt an der mangelnden Bereitschaft der Mitgliedstaaten, ihre nationalen Interessen der gemeinsamen Sache unterzuordnen". Der Bundesbank-Präsident mahnt: "Wir müssen diese Mentalität überwinden und die unsichtbaren Mauern einreißen, die die Integration der Finanzmärkte behindern." Nagel verweist darauf, wie der Ausgang der US-Wahlen den Handlungsbedarf aufzeigt und Europa zu Aktivitäten zwingt. Der designierte US-Präsident hat neue Zölle von zehn bis 20 Prozent auf Einfuhren aus Europa angekündigt. Handelskonflikte mit den USA könnten die schwache Konjunktur in Europa noch spürbar mehr unter Druck setzen.

Deutschland und Frankreich als Motor in der Pflicht

In einem gemeinsamen Appell fordern Nagel und der Chef der französischen Notenbank, François Villeroy de Galhau, dass Deutschland und Frankreich (wie schon so oft in früheren Krisen) am gemeinsamen Strang ziehen. "Wie wir uns mit einem klareren Blick für das Dringliche weiterentwickeln müssen, lässt sich in drei Punkten zusammenfassen", schreiben Nagel und de Galhau in ihrem Beitrag, der zeitgleich in beiden Ländern veröffentlicht wurde. "Vertiefung unseres Binnenmarktes, Schaffung einer Spar- und Investitionsunion und Abbau der Bürokratie, um Innovationen zu fördern. Oder um es physiologisch auszudrücken: Größe x Kraft × Geschwindigkeit", beschreiben die beiden Banker das physikalische Wirkungsprinzip der Kapitalmarktunion. Bundesbankpräsident Nagel hat schon im Februar in einem Europa-Vortag "Reformen für mehr Wohlstand und Stabilität" gefordert. Statt Abschottung (wie sie nationalistische Parteien fordern) plädiert er für Diversifizierung. Der Zahlungsverkehr sei zu einer "Branche mit strategischer Bedeutung" geworden - was fehle sei bislang der "Gemeinschaftswille".

Das lässt sich derzeit bei dem Streit um die Commerzbank in Deutschland besichtigen. Der Einstieg der italienischen UniCredit hat für unnötigen europäischen Streit gesorgt, der teils sogar mit nationalistischen Untertönen vorgetragen wird. So lange immer noch Vorurteile und Hochmut überwiegen, scheint es ein weiter Weg zu sein, die so unterschiedlichen Mentalitäten in einem gemeinsamen Aktionsplan zu versöhnen. Frei nach dem Motto: "Die Südländer können nicht mit Geld umgehen!" - und "Die deutschen Spargroschen werden verjuxt!" Stattdessen stellen die Europäer ihre liebes Geld den USA zur Verfügung, wo sich Finanzspekulanten (wie der neue US-Vizepräsident J.D. Vance) und andere windige Investment-Banker beispielsweise über SPACs und IPOs gesundstoßen.

Die Klaviatur: Wie der Kapitalmarkt entfesselt wird

  • Zentralisierung und Bündelung der Finanzaufsicht bei der EZB
  • Anstrengungen zu besserer Bildung über Finanzprodukte (Financial Literacy)
  • Erleichterte Börsengänge für Startups und Digitalfirmen
  • Europaweit grenzüberschreitende Sparmöglichkeiten
  • Größere Auswahl an Anlagemöglichkeiten und Finanzprodukten
  • Alternative Rentensparpläne und langfristiger Vermögensaufbau
  • Liberalisierung bei ETF, langfristigen Investmentfonds

Kapital wandert ab unf finanziert US-Staatsschulden

Ziel der EU ist auch, dass mehr Kleinanleger an den hiesigen Finanzmärkten investieren, damit mehr Kapital für den grünen und digitalen Wandel zur Verfügung steht. Europa müsse Sparern (wie die Banken, Investmentgesellschaften und Hedgefonds in den USA) Produkte anbieten können, die zugänglich, transparent und erschwinglich seien, meint EZB-Präsidentin Lagarde. Er schwebt ein "europäischer Sparstandard" vor, wie sie sagt, ein standardisiertes, EU-weites Paket von Sparprodukten als bester Weg, um diese Ziele zu erreichen. Denn selbst für den Fall, dass die Ersparnisse der Europäer die Kapitalmärkte erreichen könnten, würden diese sich nicht wirklich in europäischen Wirtschaft verbreiten und als Hebel nutzbar. "Das Kapital in Europa ist entweder innerhalb der nationalen Grenzen gefangen oder wandert in die Vereinigten Staaten ab", weiß Lagarde und legt den Finger in die europäische Finanzwunde. Es heißt, dass jedes Jahr gut 300 Milliarden in den USA versickern, die stattdessen besser in europäische Investitions- oder auch Klimaprojekte fließen könnten.

Der amtierende Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) bekräftigte, Europa brauche "transparente, grenzüberschreitende Anlageprodukte, die den Bedürfnissen der Verbraucher entsprechen". Es brauche einen flexiblen europäischen Rahmen für Investmentprodukte, der mit den verschiedenen nationalen Anlage- und Rentensystemen kompatibel sei. "Gemeinsam mit unseren französischen Kollegen werden Experten des Bundesfinanzministeriums das Konzept mit anderen Mitgliedstaaten und der Finanzindustrie diskutieren", sagte Kukies. Ob da von der SPD unter Führung von Olaf Scholz noch viel zu erwarten ist, sei dahingestellt. In der SPD gilt vielen ja schon der Begriff "Finanzinstrument" wie finsterster Kapitalismus und damit als sozialpolitisches Teufelszeug.

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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