Wirtschaft

Tunnel-Wärme: Wie U-Bahnen Wohnungen heizen können

U-Bahnen bringen Menschen ans Ziel – und könnten dabei gleichzeitig Wohnungen heizen. Einige europäische Metropolen setzen bereits auf Tunnel-Wärme. Doch ist dieses Modell auch in Deutschland umsetzbar?
01.03.2025 11:01
Lesezeit: 2 min
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Tunnel-Wärme: Wie U-Bahnen Wohnungen heizen können
Ein Zugführer besteigt eine U-Bahn: Können die Untergrundbahnen bald Wohnungen heizen? (Foto: dpa) Foto: Hatim Kaghat

Heizung im Tunnel: Wärme von U-Bahnen kann Wohnungen heizen

Täglich rasen U-Bahnen im Sekundentakt durch die unterirdischen Tunnel und produzieren dabei viel Wärme. Normalerweise entweicht diese über Lüftungsschächte ungenutzt. Forschende der Universität Stuttgart haben jedoch bereits vor Jahren untersucht, wie sich diese Energie sinnvoll einsetzen lässt. Im Fokus: Der Stadtbahntunnel der Linie U6 in Stuttgart an der Haltestelle Fasanenhof.

Christian Moormann vom Institut für Geotechnik leitete damals das Pilotprojekt. Dazu installierte sein Team Temperatursensoren und Kunststoffleitungen in den Tunnelwänden. "Das sind Absorbersysteme, ähnlich wie bei einer Fußbodenheizung", erklärt Moormann. Das Wasser in den Leitungen nimmt die Umgebungswärme auf, und eine Wärmepumpe hebt die Temperatur weiter an.

U-Bahn-Heizung dank Abwärme: Pariser Metro versorgt Wohnungen mit Wärme

Ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz dieser Technologie ist Paris: Dort sorgt Tunnel-Wärme mittels Wärmepumpe für die Beheizung eines Wohngebäudes mit 20 Wohnungen. Laut dem staatlichen Bahnunternehmen RATP und der Wohnungsgesellschaft Paris Habitat werden dadurch durchschnittlich 30 Prozent des Heizbedarfs gedeckt. Auch der "Tagesspiegel" berichtete darüber. Laut Fachleuten birgt dieses Konzept auch in Deutschland Potenzial, besonders in Großstädten: "Die Wärmenachfrage pro Fläche ist extrem hoch", betont Sebastian Blömer vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu). Dennoch sei es eine Herausforderung, geeignete Wärmequellen für eine klimaneutrale Versorgung zu finden.

Blömer sieht in lokaler Abwärme, die bei technischen Prozessen als Nebenprodukt entsteht, eine vielversprechende Quelle. Zusammen mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung untersuchte sein Team 2023 das Berliner U-Bahnnetz. Das Ergebnis: Pro Jahr entstehen dort etwa 460 Gigawattstunden Abwärme – das entspricht vier Prozent des gesamten Fernwärmebedarfs der Stadt. Das ist mehr als in der Industrie (340 Gigawattstunden) oder in Rechenzentren (120 Gigawattstunden) Berlins.

Der Umweltforscher führt dies vor allem auf die Erdwärme zurück: Selbst im Winter sinkt die Temperatur in Bahntunneln nicht unter zehn Grad. Zusätzlich erzeugen Brems- und Beschleunigungsvorgänge der Züge weitere Abwärme.

Alternative Gewinnung von Tunnel-Wärme

Blömer erklärt, dass auch große Ventilatoren genutzt werden können, um warme Tunnelluft abzusaugen und die Wärme mittels Wärmetauscher auf Wasser zu übertragen. In London wird dieses Prinzip bereits erfolgreich eingesetzt: Seit 2020 speist eine stillgelegte U-Bahnstation die Abwärme aus dem U-Bahntunnel in ein lokales Wärmenetz ein und versorgt so rund 1.300 Haushalte mit Heizluft und Warmwasser.

Auch in Österreich und der Schweiz gibt es erfolgreiche Projekte. Das Stuttgarter Pilotprojekt von 2010 bis 2015 endete planmäßig, bestätigt Moormann. Dabei hätten die Messungen gezeigt, dass die Nutzung von Tunnel-Wärme technisch realisierbar und mit relativ geringem Aufwand umsetzbar ist.

Hohe Betriebskosten, aber nachhaltig

Dennoch gibt es Herausforderungen. "Die laufenden Kosten sind hoch", warnt Blömer. Wärmepumpen benötigen Strom, und dieser sei im Vergleich zu Gas derzeit relativ teuer. "Neben den einmaligen Investitionen fallen über Jahre hinweg erhebliche Stromkosten an", gibt der Ifeu-Forscher zu bedenken.

Umweltfreundlich ist die Technologie trotzdem, wie Andreas Bertram vom Umweltbundesamt betont: Tunnel-Wärme nutzt ohnehin vorhandene geothermische Energie, sodass keine zusätzlichen Umwelteffekte entstehen. Ein weiterer Vorteil: Bahntunnel verlaufen meist innerstädtisch, also genau dort, wo die Wärme benötigt wird. Um Absorberleitungen effizient einzusetzen, müssten sie jedoch bereits beim Bau neuer Bahntunnel eingeplant werden. Eine nachträgliche Installation sei kaum praktikabel. Laut Bertram werden jedoch nur selten neue Bahntunnel gebaut.

Tunnel-Wärme für den Stuttgarter Zoo

Nicht nur Bahntunnel, sondern auch Abwasserkanäle oder Straßentunnel könnten für diese Technologie genutzt werden. In Stuttgart wird dies bereits umgesetzt: Der Rosensteintunnel der Bundesstraße 10 wurde geothermisch aktiviert und soll künftig die Elefantenanlage des Stuttgarter Zoos beheizen. Moormann ist von der Zukunft der lokalen Wärmeversorgung überzeugt: "Wir sind soweit, dass wir diese Technologie als Standardlösung einplanen können", sagt er. Wichtig sei, das Potenzial der Tunnel-Wärme bereits in der Bauphase neuer Straßentunnel mitzudenken. Sein Fazit: "Kein Tunnel mehr ohne integrierte Absorber."

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