Recyclingquote über 90 Prozent
Eine Baustelle vor dem eigenen Haus, die nächste während der Pendelfahrt zur Arbeit und die dritte auf dem Weg in den Urlaub. An vielen Orten entsteht der Eindruck, dass es an Straßenbauprojekten nicht mangelt. Wenn die neue Bundesregierung nun umfangreich in Infrastruktur investieren möchte, könnten noch mehr Baustellen anstehen statt weniger. Trotz der Unannehmlichkeiten im Stau gibt es durchaus interessante Aspekte zu bedenken: Was passiert mit all dem alten Straßenmaterial? Im Straßenbau hat Recycling eine große Bedeutung. Nach entsprechender Aufbereitung kann alter Belag oftmals erneut verwendet werden.
Der Recyclinganteil liegt laut dem Zentralverband Deutsches Baugewerbe seit Jahren konstant über 90 Prozent und übertrifft damit klar die Anforderungen der EU-Abfallrahmenrichtlinie. Dabei fällt im Straßenbau einiges an Material an: Laut Monitoring-Berichten fielen in den letzten Jahren in Deutschland jährlich etwa 16 bis 18 Millionen Tonnen Straßenaufbruch an. Im Jahr 2023 wurden nach Angaben des Deutschen Asphaltverbands rund 38 Millionen Tonnen Asphalt produziert. Diese Menge war zwar eine der geringsten der letzten vier Jahrzehnten, aber der Anteil von recyceltem Asphalt stieg auf nahezu ein Drittel.
Der neue Belag wird in etwa 660 Asphaltmischwerken in Deutschland produziert. Recyclingmaterial ist heute nahezu immer enthalten, sagt Johannes Wagner von der SWA Südwest Asphalt in Karlsruhe.
Recycling: Asphalt ist nicht gleich Asphalt
Der aufbereitete Straßenbelag rieselt bröselig auf das Förderband. Über einen hohen Turm gelangt er in den Mischer. Laut Wagner dauert es im Durchschnitt nur 45 Sekunden, bis der Mischer bei 160 Grad neuen Asphalt herstellt. Neben Recyclingmaterial kommen auch Mineralien wie Steine, Sand und Gesteinsmehl sowie das Bindemittel Bitumen zum Einsatz, das aus Erdöl gewonnen wird. Je nach Bedarf gibt es unterschiedliche Mischungen, so Wagner.
Die Wahl der Mischung hängt von der Verwendung und den Ausschreibungsbedingungen ab. Bei offenporigem Asphalt, der Regenwasser ableitet und den Lärm dämpft, kann kein Recyclingmaterial verwendet werden. In den unteren Schichten einer Straße kann der Anteil jedoch bis zu 100 Prozent betragen.
Ein zusätzlicher Nachhaltigkeitsfaktor
Das Recycling von Straßenbelag hilft auch, Erdöl für neues Bitumen einzusparen. „Da draußen liegt schon jede Menge Material, das wir problemlos wiederverwenden können“, sagt Plamena Plachkova-Dzhurova, ehemalige Abteilungsleiterin für Straßenbautechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Die Forschung konzentriert sich darauf, den Anteil an wiederverwendbarem Material weiter zu erhöhen.
Bitumen macht in der Regel vier bis acht Prozent der Asphaltmischung aus. Zwar wurden alternative Bindemittel aus Cashews, Epoxidharz oder Algen getestet, doch bis diese eine echte Alternative darstellen, bedarf es noch umfassender Forschung, so Plachkova-Dzhurova.
Bitumen ist ein komplexer Baustoff, dessen Eigenschaften sich stark mit der Temperatur verändern, erklärt die Expertin. „Wir leben in einer Klimazone mit sehr heißen Sommern und kalten Wintern, das macht die Entwicklung schwierig.“ Schäden wie Spurrillen, Mulden oder Risse können die Folge sein. Deshalb müssen bei der Planung von Straßen sowohl die Witterungsverhältnisse als auch die erwartete Verkehrsbelastung berücksichtigt werden. Mit der Zeit wird Bitumen härter und spröder, so die Expertin. „Manchmal reicht es schon, ein wenig neues Bitumen hinzuzufügen, um das alte Material wiederzubeleben.“
Teer ist nicht mehr zulässig
Der Recyclingasphalt wird vor der Annahme kontrolliert, erklärt Wagner. „Das schlimmste Szenario wäre, dass noch Teer im Material ist.“ In diesem Fall dürfe es aufgrund der enthaltenen Schadstoffe nicht verwendet werden. Solche Fälle sind mittlerweile jedoch selten, da Teer seit 1984 nicht mehr im Straßenbau eingesetzt wird. Daher spricht man von Asphaltieren und nicht von Teeren.
Schätzungen zufolge könnten vor 1980 rund eine Milliarde Tonnen Steinkohlen-Teer im deutschen Straßenbau verwendet worden sein. Allein in Baden-Württemberg fielen jährlich 350.000 bis 400.000 Tonnen Teer an, die als gefährlicher Abfall galten, so das Verkehrsministerium des Landes.
Recyclingasphalt: Massenproduktion für Großbaustellen
Wenn der Recyclingasphalt für die Wiederverwertung geeignet ist, wird er bei der SWA je nach Zusammensetzung getrennt gelagert. Straßenfräsen bauen den Asphalt schichtweise ab. Das Material kann dann separat ins Mischwerk transportiert werden, so Wagner.
Ein Bagger, der etwa eine Leitung verlegt, entfernt oft Asphaltschichten unterschiedlicher Art. Diese lassen sich nicht mehr gut trennen, können aber nach einer Aufbereitung im Werk wieder dem neuen Asphalt beigemischt werden. Der produzierte Asphalt muss schnell verarbeitet werden, da er nur im warmen Zustand gut zu verarbeiten ist. Auf großen Baustellen, wie etwa an Autobahnen, wird er in Massen produziert: „Da werden 400 bis 500 Tonnen pro Stunde benötigt“, so Wagner.