Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst sollen nun Schlichter bis Anfang April eine Lösung für die Gehälter und Arbeitszeiten von mehr als 2,5 Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen erarbeiten. Bis Donnerstag sind vereinzelt noch Warnstreiks möglich – so etwa am Dienstag in Kiel, wo sich 1.500 Beschäftigte zu einem Streikfrühstück versammelten. Größere Arbeitsniederlegungen mit spürbaren Folgen für Kitas, Kliniken oder den öffentlichen Nahverkehr sind laut der Gewerkschaft Verdi vorerst nicht geplant.
Trotz vier Tagen intensiver Verhandlungen in Potsdam konnte zwischen den Arbeitgebern von Bund und Kommunen sowie den Gewerkschaften Verdi und dbb Beamtenbund keine Einigung erzielt werden. Beide Seiten machten sich gegenseitig Vorwürfe, zu wenig Verhandlungsbereitschaft gezeigt zu haben. „Wir müssen die Schlichtung einleiten“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die als Verhandlungsführerin des Bundes agiert.
Geregeltes Schlichtungsverfahren nach Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst
Die Schlichtung folgt festen Regeln, die von beiden Seiten für solche Fälle vereinbart wurden. Während dieser Zeit gilt eine Friedenspflicht, sodass keine Warnstreiks stattfinden dürfen. Die Arbeitgeber bestimmten den ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) als Schlichter, während die Gewerkschaften den früheren Bremer Finanzstaatsrat Hans-Henning Lühr benannten.
In der Schlichtungskommission sind Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter in gleicher Anzahl vertreten. Innerhalb einer Woche nach der ersten Sitzung muss eine Empfehlung erarbeitet werden. Falls keine Einigung erzielt wird, entscheidet der stimmberechtigte Schlichter – in diesem Fall Koch. Danach geht die Empfehlung in eine erneute Verhandlungsrunde, die laut Faeser Anfang April erwartet wird. Dort kann entweder eine Einigung erzielt oder weiterverhandelt werden. Falls es zu keiner Lösung kommt, ist eine Urabstimmung über unbefristete Streiks möglich.
Gewerkschaften fordern Gehaltserhöhung um acht Prozent
Bereits die am Freitag gestartete dritte Verhandlungsrunde zeigte, wie kompliziert eine Einigung werden könnte. Die Gewerkschaften forderten eine Gehaltserhöhung um acht Prozent, mindestens jedoch 350 Euro monatlich zusätzlich, höhere Zulagen für besonders belastende Tätigkeiten sowie drei zusätzliche freie Tage. Zudem sollen Praktikanten und Auszubildende 200 Euro mehr pro Monat erhalten.
Die Arbeitgeberseite hielt diese Forderungen für nicht finanzierbar und kritisierte insbesondere die zusätzlichen freien Tage, da sie die ohnehin angespannte Personalsituation weiter verschärfen würden. Ihr letztes Angebot umfasste eine Gehaltserhöhung von 5,5 Prozent, eine Erhöhung des 13. Monatsgehalts sowie höhere Schichtzulagen, während die Laufzeit noch offenblieb.
„Destruktive Energie“ und gegenseitige Vorwürfe - Faeser: "Gewerkschaften waren nicht zu weiteren Kompromissen bereit"
Nach dem Scheitern der Verhandlungen gaben sich beide Seiten gegenseitig die Schuld. „Bund und Kommunen haben mit viel Verzögerung und destruktiver Energie einen Kompromiss verhindert“, kritisierte Volker Geyer, Verhandlungsführer des Beamtenbunds. Verdi-Chef Frank Werneke betonte: „Wir haben uns bis an die Schmerzgrenze bewegt. Die Arbeitgeber haben unsere Einigungsvorschläge abgelehnt.“
Innenministerin Faeser und die kommunale Verhandlungsführerin Karin Welge widersprachen dieser Darstellung. „Wir sind den Gewerkschaften sehr weit entgegengekommen“, erklärte Faeser. „Wir sind bis an die Grenze dessen gegangen, was wir für die öffentlichen Haushalte verantworten können. Aber die Gewerkschaften waren nicht zu weiteren Kompromissen bereit.“ Sie forderte mehr Verhandlungsbereitschaft in der kommenden Schlichtungsrunde.
Zurückhaltung bei Verhandlungsteilnehmern: 15 Milliarden Euro als Streitpunkt?
Laut Karin Welge ging es zuletzt um ein Gesamtvolumen von 15 Milliarden Euro über zwei Jahre. „Das konnten wir nicht leisten“, erklärte sie. Konkrete Streitpunkte wollte sie mit Verweis auf das Schlichtungsverfahren nicht näher erläutern.
Auch die Gewerkschaften hielten sich mit Details zurück. Verdi-Chef Werneke zeigte jedoch wenig Verständnis für das Scheitern der Verhandlungen: „Bei Lichte betrachtet sind die Unterschiede, die auf dem Tisch liegen, so groß nicht.“