Strategische Investitionen in den USA
Die Ankündigung, über die das auf die Pharmaindustrie spezialisierte Portal Fierce Pharma berichtet, ist Teil einer bemerkenswerten Entwicklung: Immer mehr internationale Konzerne richten ihre strategischen Investitionen verstärkt auf die USA aus. Vorausgegangen waren bereits ähnliche Entscheidungen der US-Branchenriesen Eli Lilly (27 Milliarden Dollar) und Johnson & Johnson (55 Milliarden Dollar).
Die Motive für diesen massiven Investitionsschub sind vielschichtig – doch ein Faktor sticht hervor: Die wirtschaftspolitische Unsicherheit und die drohenden Strafzölle unter der zweiten Amtszeit von Donald Trump. Bereits während seines ersten Mandats hatte Trump mit Zöllen auf Arzneimittelimporte gedroht. Nun scheint diese Drohung – trotz bislang nur inkonsequenter Umsetzung – Wirkung zu zeigen.
Produktion für den US-Markt – in den USA
Laut Unternehmensangaben betreibt Novartis bereits heute bedeutende Teile seiner Arzneimittelproduktion in den Vereinigten Staaten – insbesondere in den wachstumsstarken Bereichen Zell- und Gentherapie, Strahlenmedizin und innovative RNA-Technologien wie der siRNA-Therapie. Mit der neuen Investitionsoffensive sollen insbesondere die Kapazitäten in der Onkologie, Immunologie und Neurowissenschaften massiv ausgebaut werden.
Die Investitionen umfassen den Neubau sowie die Erweiterung von zehn hochmodernen Anlagen, verteilt über mehrere Bundesstaaten. Novartis betont, dass die USA nicht nur ein strategisch wichtiger Absatzmarkt seien, sondern auch zunehmend als Produktionsstandort für den Export an Bedeutung gewinnen.
Politischer Druck wirkt – auch auf internationale Konzerne
Dass ein Schweizer Konzern wie Novartis nun mit einem derart gewaltigen Kapitalaufwand in den USA investiert, zeigt deutlich: Die neuen wirtschaftspolitischen Realitäten in Washington haben das strategische Verhalten der Industrie weltweit verändert.
Der neue Protektionismus der Vereinigten Staaten – unter Trump nicht nur angekündigt, sondern zunehmend in konkrete Maßnahmen gegossen – zwingt internationale Konzerne dazu, sich neu zu positionieren. Die Aussicht auf Zölle, regulatorische Barrieren und eine "America First"-Politik mit nationalem Fokus in der Gesundheitsversorgung treibt Unternehmen dazu, sich auf amerikanischem Boden abzusichern.
Ein gefährlicher Präzedenzfall für Europa
Die Entwicklung wirft auch ein Schlaglicht auf die fehlende Industriepolitik der Europäischen Union. Während die USA mit steuerlichen Anreizen, regulatorischer Bevorzugung und – nicht zuletzt – politischem Druck zunehmend pharmazeutische Produktionskapazitäten an sich binden, wirkt Europa in dieser Hinsicht zunehmend abgehängt. Experten warnen: Der Exodus pharmazeutischer Produktion könnte langfristig Versorgungsrisiken für europäische Gesundheitssysteme mit sich bringen – insbesondere im Krisenfall.
Fazit: Amerika gewinnt, Europa verliert
Die Entscheidung von Novartis ist kein Einzelfall, sondern Teil einer tektonischen Verschiebung der globalen Produktionsströme. Die USA ziehen mit aggressiven Mitteln immer mehr strategische Industriezweige an sich – von der Halbleiterfertigung über die Batterieproduktion bis hin zur Pharmabranche. Europa steht dabei zunehmend am Rand und droht, zum reinen Absatzmarkt für global agierende Konzerne zu verkommen.
Während Washington Standortpolitik betreibt, diskutiert Brüssel weiter über Regulierungsfragen – mit möglicherweise fatalen Folgen für die europäische Wettbewerbsfähigkeit.