Steigende Risiken zwingen Unternehmen dazu, die Rolle lokaler Rechenzentren neu zu bewerten.
Lokale Rechenzentren: Auslaufmodell oder Bollwerk digitaler Souveränität?
In Zeiten wachsender Betriebskosten und zunehmender Abhängigkeit von externer IT-Infrastruktur suchen Unternehmen nach tragfähigen Lösungen für die Datenverarbeitung und -speicherung. Cloud-Dienste bieten zwar Skalierbarkeit und Kostenvorteile, sind jedoch nicht in allen Fällen mit Sicherheits-, Regulierungs- und Compliance-Anforderungen vereinbar. Vor allem mittelständische und große Unternehmen sind gezwungen, Teile ihrer digitalen Infrastruktur lokal zu betreiben – entweder im eigenen Rechenzentrum oder über spezialisierte Anbieter.
Prognosen der Boston Consulting Group zufolge wird der weltweite Bedarf an Rechenzentrumsleistung zwischen 2023 und 2028 jährlich um etwa 16 Prozent steigen – und damit rund ein Drittel schneller als im Zeitraum 2020 bis 2023. Der zunehmende Einsatz von KI-Systemen lässt auch in lokalen Rechenzentren einen massiven Anstieg der Rechenlast erwarten. Unternehmen sollten dies bei anstehenden Investitionen frühzeitig berücksichtigen.
Kostendruck, Fachkräftemangel und geopolitisches Risiko
Doch die Herausforderungen sind erheblich: Neben hohen Investitions- und Betriebskosten stellen sich Fragen der Energieverfügbarkeit, Skalierbarkeit, Compliance und Sicherheit. Hinzu kommt, dass viele IT-Dienste in der Cloud deutlich weiterentwickelte Funktionalitäten bieten als lokal installierte Systeme.
Unternehmen müssen sich beim Aufbau lokaler Rechenzentren über vielfältige Risiken im Klaren sein – insbesondere, da es sich um langfristige und kapitalintensive Vorhaben handelt. Dazu zählen unvorhersehbare Baukosten durch Materialengpässe, Verzögerungen in der Lieferkette und volatile Strompreise. In Deutschland ist Strom aktuell etwa 11 Cent pro Kilowattstunde teurer als in Slowenien – ein erheblicher Nachteil für lokale Betreiber.
Ein weiteres Risiko liegt im Fachkräftemangel. Gerade außerhalb der Metropolen fehlen qualifizierte Spezialisten für Planung, Betrieb und Wartung. Technologische Überalterung, fehlende Redundanz und eine ungenaue Kapazitätsplanung können dazu führen, dass neue Anforderungen – etwa durch KI- oder Edge-Anwendungen – nicht mehr bedient werden können.
Nicht zuletzt steigen die regulatorischen Anforderungen: Neue europäische Vorschriften etwa zu Datenschutz, Emissionen oder Wasserverbrauch treffen Betreiber hart. Deshalb raten Experten wie Miha Kerin (Unistar) zu modularen Architekturen, die schrittweise erweiterbar sind, und zur Zusammenarbeit mit europäischen Technologiepartnern.
Warum lokale Rechenzentren für Deutschland unverzichtbar sind
Für Deutschland hat die Frage lokale versus globale Infrastruktur strategische Bedeutung. Als größter Datenproduzent Europas – etwa durch die Industrie 4.0, das Gesundheitswesen oder Behörden – ist der Bedarf an sicheren, resilienten und konformen Speicherlösungen enorm. Gerade in kritischen Infrastrukturen wird die Cloud allein nicht ausreichen. Lokale Rechenzentren sind daher kein Relikt, sondern das Rückgrat digitaler Souveränität. Deutschland muss deshalb die Interoperabilität zwischen privaten, öffentlichen und hybriden Lösungen systematisch fördern – auch im europäischen Verbund.
Nachhaltigkeit und hybride Architektur als Schlüssel
Die Zukunft liegt in einer intelligenten Kombination aus lokalen Rechenzentren und hybriden Cloud-Architekturen. Kritische Daten und Anwendungen bleiben vor Ort, flexible oder saisonale Workloads wandern in die Public Cloud. Dieses Modell erhöht die Ausfallsicherheit, vermeidet unnötige Überinvestitionen und unterstützt agile Prozesse in der digitalen Transformation.
Technologisch setzen moderne Rechenzentren dabei auf KI-gestützte Steuerungssysteme, die den Energieverbrauch dynamisch optimieren. Wasserkühlung und Solarstromanlagen spielen ebenfalls eine wachsende Rolle – insbesondere in Regionen mit hohem Strompreisniveau.
Sicherheit bleibt oberstes Gebot: Physischer Schutz, mehrstufige Cybersicherheitsstrategien und Umweltresilienz müssen Hand in Hand gehen. Auch geopolitische Faktoren gewinnen an Gewicht – etwa durch Exportkontrollen, Standortabhängigkeiten oder Konflikte in Technologie-Lieferketten.
Das EU-Ziel der digitalen Souveränität verlangt robuste, eigenverantwortliche IT-Strukturen. Deshalb bevorzugen viele Unternehmen das Hybridmodell mit Speicherorten innerhalb europäischer Rechtsräume, etwa in Frankfurt oder Amsterdam. Sensible Daten bleiben dabei lokal – auch um Compliance mit DSGVO, ISO-Normen und branchenspezifischen Sicherheitsstandards zu gewährleisten.
Für den nachhaltigen Betrieb sind definierte Servicequalitätskriterien entscheidend – etwa Reaktionszeit, Systemverfügbarkeit und Störungsresilienz. Diese müssen bereits in der Planungsphase verankert werden, unterstützt durch standardisierte Prozesse und IT-Service-Management-Plattformen. Nur so kann die Resilienz bei Krisen, Ausfällen und Cyberbedrohungen sichergestellt werden.
Entscheidend für den Erfolg sind motivierte, gut ausgebildete IT-Mitarbeiter. Sie sichern die Betriebsqualität – und damit die strategische Handlungsfähigkeit von Unternehmen im digitalen Zeitalter.



