Nach der Abberufung von Lars Fruergaard Jørgensen im Mai hat Novo Nordisk seinen neuen CEO vorgestellt: Mike Doustdar, bisher für alle Märkte außerhalb der USA zuständig, wird ab dem 7. August die Leitung des dänischen Pharmakonzerns übernehmen. Mit ihm tritt auch Forschungsdirektor Marcus Schindler zurück – seine Abteilung wird künftig in die Verantwortung von Entwicklungschef Martin Holst Lange übergehen.
Die Personalentscheidung erfolgte nur kurz nach einer herben Börsenniederlage: Die Aktie von Novo Nordisk verlor in wenigen Tagen 23 Prozent – bereits die zweite Herabstufung in diesem Jahr. Trotz dieser Rückschläge glaubt Vorstandschef Helge Lund an die Fähigkeit Doustdars, das Unternehmen in die nächste Wachstumsphase zu führen. Doustdar sei eine „außergewöhnliche Führungspersönlichkeit“ mit starkem Fokus auf Umsetzung und Teamaufbau.
Mit dem Wechsel übernimmt Doustdar als erst vierter CEO in der Geschichte des Konzerns die Verantwortung für eines der bedeutendsten Pharmaunternehmen Europas.
Vom Aufstieg zur Krise: Der steinige Weg des neuen CEO
Doustdar, im Iran geboren, in den USA aufgewachsen und in Österreich ausgebildet, begann seine Laufbahn bei Novo Nordisk 1992 als Büroassistent. Er durchlief zahlreiche Stationen im Konzern, leitete unter anderem die Türkei-Niederlassung und verantwortete zuletzt alle Märkte außerhalb Nordamerikas.
Die Herausforderungen, die ihn erwarten, sind gewaltig: Der globale Markt für Medikamente zur Gewichtsabnahme boomt – Novo Nordisk hatte sich mit seiner Produktlinie frühzeitig positioniert. Doch der Erfolg wurde getrübt: Die Lieferengpässe bei beliebten Präparaten wie Wegovy eröffneten kleinen Konkurrenten in den USA Chancen, Marktanteile abzugreifen.
Noch gravierender: Konkurrent Eli Lilly hat bei der nächsten Generation an Abnehm-Medikamenten einen deutlichen Vorsprung. Analysten kritisieren, dass Novo Nordisk bislang keine überzeugende Antwort auf die neue Konkurrenz liefern konnte.
Zudem wächst in den USA der politische Druck: Sowohl Donald Trump als auch Bernie Sanders kritisieren die Medikamentenpreise des Konzerns öffentlich. Die Positionierung als pharmazeutischer Massenanbieter bringt Novo Nordisk in die politische Schusslinie – und stellt das Geschäftsmodell infrage.
Bedeutung für Deutschland: Ein Pharmariese unter Beobachtung
Auch für Deutschland hat der Führungswechsel bei Novo Nordisk wirtschaftliche Relevanz. Als wichtiger Lieferant für Diabetes- und Adipositastherapien ist der dänische Konzern strategischer Partner zahlreicher deutscher Apotheken, Kliniken und Forschungseinrichtungen.
Die Marktunsicherheit nach dem Kurssturz sowie die globale Kritik an der Preisstruktur bergen Risiken für den Vertrieb in Europa – auch deutsche Krankenkassen und Gesundheitseinrichtungen könnten in Zukunft auf günstigere Alternativen drängen.
Zudem hat der Börsenrückgang dazu geführt, dass SAP nun den Rang als wertvollstes europäisches Unternehmen übernommen hat – ein Prestigeverlust, der den Wettbewerb zwischen führenden europäischen Konzernen auch symbolisch verschärft. Für Investoren mit Novo Nordisk im Portfolio bleibt die Lage angespannt.
Restrukturierung und Vision: Doustdars Kurs ist klar
Mit dem Wechsel in der Führung geht auch eine organisatorische Neuausrichtung einher. Die frühe Forschungsabteilung unter Marcus Schindler wird in die Verantwortung von Martin Holst Lange übergehen, der künftig den Titel „Forschungsdirektor“ tragen wird. Die neue Struktur soll die Innovationspipeline des Unternehmens effizienter und strategisch besser ausrichten.
Doustdar selbst zeigt sich kämpferisch. Er spricht von einem „messerscharfen Fokus auf Leistung“ und einem klaren Willen, das Unternehmen auf „höhere Ziele als je zuvor“ auszurichten. Der Markt entwickle sich rasant – Novo Nordisk müsse bereit sein, entschlossen und ehrgeizig auf Veränderungen zu reagieren.
Der Vorstandsvorsitzende Helge Lund ist überzeugt: „Mike hat eine klare Vision, wie wir das volle Potenzial der bevorstehenden Chancen ausschöpfen werden.“ Dabei geht es nicht nur um Marktanteile, sondern um die Zukunftsfähigkeit eines Konzerns, der zwischen Wachstum und Glaubwürdigkeitskrise schwankt.
Fazit:
Novo Nordisk steht an einem Wendepunkt. Mit Mike Doustdar übernimmt ein CEO mit Konzernkenntnis, internationalem Profil – und großem Erwartungsdruck. Zwischen politischen Spannungen, verschärftem Wettbewerb und interner Umstrukturierung wird sich zeigen, ob der neue Chef die Weichen für Stabilität und Innovation neu stellen kann. Für Deutschland, als Partner auf vielen Ebenen, ist der Ausgang dieser Phase von erheblicher Bedeutung.