Geopolitischer Wettlauf um den Mond
Die NASA will bis 2030 einen 100-Kilowatt-Reaktor auf dem Mond bauen. Experten halten das Ziel für ehrgeizig, aber erreichbar. Befürworter sehen darin einen Durchbruch, Kritiker warnen vor rechtlichen Problemen und Monopolrisiken. Grundlage ist eine neue Direktive von Sean Duffy, dem kommissarischen NASA-Administrator und Verkehrsminister von US-Präsident Donald Trump. Er nennt den zunehmenden Druck aus Russland und China als Hauptgrund für die Beschleunigung. Beide Länder wollen bis Mitte der 2030er Jahre einen eigenen Mond-Reaktor errichten.
Duffy warnt, das erste Land könne eine Sperrzone ausrufen, die US-Pläne im Rahmen des Artemis-Programms behindern würde. Die neue Richtlinie sieht daher die Installation eines 100-Kilowatt-Systems am Südpol vor – genug Energie für rund 80 US-Haushalte. Ein gewaltiger Sprung, da aktuelle Weltraumreaktoren nur wenige hundert Watt erzeugen.
Laut Wired greift die NASA damit einen alten Plan auf, Kernenergie für Weltraummissionen nutzbar zu machen. Bhavya Lal, ehemalige NASA-Managerin, spricht von einer „transformierenden Wirkung“ – vergleichbar mit dem Wechsel vom Kerzenlicht zum Stromnetz. Details des Reaktors sind noch offen, doch er soll auch für Marsmissionen entscheidend sein. Transportiert werden soll er in einer Schwerlastkapsel mit bis zu 15 Tonnen Nutzlast, mit Uranbrennstoff, Kühlern und Schutzsystemen. Denkbar wäre eine Installation unter der Oberfläche, um Risiken zu minimieren. Technische Herausforderungen bleiben enorm: keine Atmosphäre, extreme Temperaturen und Staub, der Komponenten beschädigen könnte.
Atomkraftwerk auf dem Mond: Bedeutung für Deutschland
Kritiker warnen, dass der Zeitplan zu eng sei und Gelder von anderen Projekten abziehe. Astrophysiker Neil deGrasse Tyson spricht von riskanten Prioritäten. Auch nukleare Sicherheitsexperten warnen vor überhasteten Entscheidungen. Dennoch halten Fachleute das Projekt für machbar, wenn strenge Sicherheitsstandards eingehalten werden. „Die Technologie ist vorhanden, es fehlte bislang der politische Wille“, sagt Simon Middleburgh vom britischen Nuclear Futures Institute.
Für Deutschland hat der Wettlauf um den Mond-Reaktor doppelte Relevanz. Zum einen ist Berlin auf Kooperation mit den USA im Rahmen von Artemis angewiesen, zum anderen droht ein geopolitischer Machtverlust Europas, wenn China und Russland die erste Mondbasis mit Reaktor errichten. Deutsche Unternehmen aus Luft- und Raumfahrt könnten profitieren, falls die NASA europäische Partner einbindet. Gleichzeitig zeigt die Debatte, wie weit Europa von eigenen Plänen entfernt ist. Für Deutschland stellt sich die Frage, ob es sich im Weltraum auf die Rolle des Zulieferers beschränken kann oder technologisch eigene Ambitionen entwickeln muss.
Rechtliche Fragen und Risiken
Die Pläne werfen auch völkerrechtliche Probleme auf. Duffy sprach davon, „Amerikas Besitz“ zu sichern – ein klarer Bruch mit dem Weltraumvertrag von 1967, der territoriale Ansprüche verbietet. Rechtsexperten warnen, dass das Konzept von Sperrzonen missbraucht werden könnte. Gleichzeitig räumen einige ein, dass Sicherheitszonen sinnvoll sein können, um Strahlung und Risiken zu kontrollieren.
Juristen wie Michelle Hanlon weisen zudem auf First-Mover-Vorteile hin: Wer zuerst einen Mond-Reaktor baut, kann andere Staaten verdrängen. Auch die 2020 eingeführten Artemis-Abkommen sehen Schutzbereiche vor, denen China und Russland aber nicht beigetreten sind. Kritiker befürchten eine „Goldrausch-Mentalität“ im All – Konflikte um Ressourcen, Umweltzerstörung und Dominanz durch wenige Mächte. Damit könnte der Mond-Reaktor zum geopolitischen Machtinstrument werden.



