Politik

Illegal: EU-Abgeordnete finanzieren private Zusatz-Pension mit Steuergeldern

Abgeordnete des EU-Parlaments sparen sich im Steuerparadies Luxemburg eine zweite Pension zusammen. Zwei Drittel der Einlagen stammen aus Steuergeldern. Der Fonds verlor während der Finanzkrise mehr als 200 Millionen Euro durch Spekulation. Das EU-Parlament entschied damals, dass der Steuerzahler auch dieses Loch stopfen muss. Die Liste der Nutznießer reicht vom stets polternden EU-Kritiker Nigel Farage bis zur Linken Sahra Wagenknecht.
27.04.2014 00:41
Lesezeit: 3 min

Abgeordnete des EU-Parlaments profitieren von einem illegalen Pensions-Schema, das ihnen zusätzlich zur staatlichen Pension weitere Altersbezüge garantiert. Der Pensionsfonds wird zum großen Teil aus Steuergeldern finanziert. Dadurch erhalten die EU-Abgeordneten rund 50.000 Euro extra pro Jahr, sobald sie in den Ruhestand gehen. Der Fonds machte im Zuge der Finanzkrise etwa 230 Millionen Euro Verlust mit dubiosen Finanzgeschäften. Der europäische Steuerzahler musste das Millionenloch füllen, damit die Zweitpensionen der EU-Beamten gesichert waren.

Gegründet wurde der Fonds bereits 1989, um französischen und italienischen Abgeordneten eine Pension zu sichern. Diese hatten von staatlicher Seite keine Ansprüche auf Altersbezüge. Kurz darauf erkannten auch EU-Abgeordnete aus anderen Mitgliedsländern das Potenzial der Idee für sich selbst und legten Geld im Steuerparadies Luxemburg an.

Über den luxemburger Fonds sparen mindestens 1.113 anonyme EU-Abgeordnete neben ihrer staatlichen Pension weitere Altersbezüge an. Das entspricht rund 61 Prozent aller EU-Abgeordneten. Allerdings beruht diese Zahl auf freiwilligen Angaben seitens der Abgeordneten. Es ist anzunehmen, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt. Da der Pensionsfonds jedoch privat-rechtlich organisiert ist, ist er dem EU-Parlament  keine Offenlegung schuldig, obwohl es sich um öffentliche Gelder handelt.

Zwei Drittel der dort angelegten Gelder kommen direkt vom EU-Parlament und damit vom europäischen Steuerzahler. Das verbliebene Drittel sollen die Abgeordneten aus eigener Tasche zahlen, doch finden sie immer wieder „kreative Lösungen“, um das zu umgehen. So erhalten die Beamten beispielsweise 4.000 Euro monatlich für „Bürobedarf“ und sie müssen keiner Aufsichtsbehörde darüber Rechenschaft ablegen, wofür sie das Geld aufwenden. Angeblich legen einige Abgeordnete einen Großteil der Zuschüsse in dem geheimen Pensionsfonds an, wie Open Europe mit Bezug auf Quellen aus Brüssel berichtet.

Der europäische Rechnungshof hält die Grundlage des Pensionsfonds für illegal. Das EU-Parlament wies die Bedenken des Rechnungshofs jedoch mit der Begründung ab, die Pensionsbezüge der derzeitigen Fondsmitglieder gewährleisten zu müssen.

Pieter Cleppe von Open Europe sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten:

„Nach Auffassung des EU-Rechnungshofs gab es von Anfang an keine legale Basis dafür, den Fonds überhaupt zu gründen. Die Lösung ist daher offensichtlich: Die Einlagen gehören zu mindestens zwei Dritteln dem europäischen Steuerzahler, denn das EU-Parlament hat diese zwei Drittel  eingezahlt. Diese Gelder sollten nicht an ehemalige EU-Abgeordnete gezahlt werden, die ohnehin schon eine staatliche Pension erhalten. Stattdessen sollte das Geld zurück ins Budget des EU-Parlaments fließen und angesichts der Tatsache, dass der Fonds keine rechtliche Basis hatte, könnten die EU-Abgeordneten das auch nicht rechtlich anfechten.“

Etwa 80 Prozent der EU-Abgeordneten aus Grobritannien nehmen an dem Pensionsfonds teil. Unter den britischen Mitgliedern ist auch der EU-kritische Nigel Farage, wie der Telegraph berichtet. Sollte Farage in den Europawahlen wieder ins Parlament gewählt werden, stehen ihm ab 2019 eine kombinierte Pension von 86.000 Euro pro Jahr zu.

„Es ist kein System, das ich verteidige, aber es ist das System“, zitiert der Telegraph den UKIP-Politiker. „Die Zahlungen sollten gekürzt werden, aber ich bezweifle, dass es dazu kommt“, so Farage weiter. Ein äußerst enttäuschende Gleichgültigkeit eines Politikers, der ansonsten bei jeder Gelegenheit gegen die Privilegien in der EU wettert.

Auch deutsche Europa-Abgeordnete sind in das Pensionsschema verwickelt. Mindestens 35 Prozent der deutschen EU-Parlamentarier bauen sich so eine zweite Altersvorsorge auf, wie der Stern-Journalist Hans-Martin Tillack herausfand. Er enthüllte im Jahr 2009 zusammen mit Open Europe die Praktiken der EU-Parlamentarier. Unter den deutschen Teilnehmern des Pensionsfonds fanden sich unter anderem Cem Özdemir, Sahra Wagenknecht und Claudia Roth. Ob die Abgeordneten noch Mitglied sind, ist unbekannt - weil ja wegen des privatwirtschaftlichen Charakters keine Offenlegungspflicht besteht.

Seit den Enthüllungen von 2009 nimmt der Fonds keine neuen Mitglieder mehr auf. Er wird jedoch weitergeführt, bis der letzte daran beteiligte EU-Parlamentarier gestorben ist. Darüber hinaus muss der Steuerzahler für die Fehlspekulationen des Fonds aufkommen. Ein erheblicher Teil der Investitionssumme – rund 180 Millionen Euro - ist im Zuge der Finanzkrise am Aktienmarkt vernichtet worden. Zudem hat der Fonds etwa 50 Millionen an den Finanzbetrüger Bernie Madoff verloren,  wie die Daily Mail berichtete. Das entstandene Finanzierungsloch von rund 230 Millionen Euro musste der europäische Steuerzahler füllen, wie das EU-Parlament in einer Abstimmung im April 2009 entschieden hat.

Doch damit nicht genug: Auch künftige Finanzierungslücken des Pensionsfonds lassen sich die Parlamentarier vom Steuerzahler bezahlen. Der Telegraph berichtet mit Bezug auf Dokumente des EuGH, dass der Fonds spätestens im Jahr 2026 keine Mittel mehr hat, um weitere Pensionen auszuzahlen. Ab dann muss der europäische Steuerzahler komplett für die Pensionszahlungen aufkommen.

„Das Parlament wird, aller Wahrscheinlichkeit nach, alle Ausgaben des Pensionsfonds zwischen 2026 und 2088 tragen“, heißt es in Rechtsdokumenten des EuGH.

Der Skandal zeigt einmal mehr, dass die Parteien die EU als Geschäftsmodell begreifen, um sich aus den Taschen der Steuerzahler zu bedienen.

Demokratie ist etwas anderes.

Anstand erst recht.

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