Politik

Sozialdemokraten beschließen Lockerung der Defizite

Lesezeit: 2 min
22.06.2014 13:42
In Paris haben die EU-Sozialisten eine Lockerung der Defizite der EU-Haushalte beschlossen. Schulden-Länder sollen mehr Zeit für die Einhaltung der Haushaltsziele erhalten. Der Europäische Stabilitätspakt müsse flexibel gehandhabt werden.
Sozialdemokraten beschließen Lockerung der Defizite

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Auf dem Weg zum EU-Kommissionspräsidenten hat der frühere luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker eine wichtige Hürde genommen. Die Sozialdemokraten und Sozialisten in der EU (SPE) unterstützen die Kandidatur des Kandidaten der konservativen EVP, reklamieren als Gegenleistung aber andere EU-Spitzenposten für sich. Auf einem Gipfel in Paris forderten sie zudem, den Europäischen Stabilitätspakt flexibel anzuwenden, um das Wirtschaftswachstum zu fördern (mehr hier).

Der Wahlsieger habe einen Anspruch auf den Spitzenposten, sagte Frankreichs Präsident Francois Hollande nach dem Treffen mit acht Regierungschefs sowie SPD-Chef Sigmar Gabriel am Samstag. Die konservativen Parteienfamilie EVP hatte mit ihrem Spitzenkandidaten Juncker die Europawahl gewonnen. Gegen den früheren luxemburgischen Regierungschef macht vor allem der britische Premierminister David Cameron Front. Allerdings ist er nach dem klaren Bekenntnis der SPE zu Juncker im Kreis der 28 Staats- und Regierungschefs noch mehr isoliert.

Hollande hatte die Regierungschefs von acht Ländern sowie Gabriel und SPE-Fraktionschef Martin Schulz eingeladen, um die Position der Sozialisten für den EU-Gipfel abzustimmen. Dort wollen die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag über den Kurs der neuen Kommission sowie ein Personalpaket für die EU-Spitzenämter beraten.

Nach Angaben britischer Diplomaten will Großbritannien eine Festlegung auf einen Kommissionspräsidenten beim EU-Gipfel verhindern. Die Amtszeit der Kommission läuft im Oktober aus. Großbritannien hoffe, dass bis dahin die Unterstützung für Juncker schwinden könnte, berichteten zwei Diplomaten. Ein Veto gegen Juncker kann Großbritannien nicht einlegen, da für die Nominierung des Kommissionspräsidenten keine Einstimmigkeit erforderlich ist. Nach seiner Nominierung muss der neue EU-Kommissionspräsidenten vom Parlament bestätigt werden.

Die SPE pocht darauf, dass ihr Spitzenkandidat Schulz Präsident des EU-Parlaments bleibt und ihre Parteienfamilie weitere EU-Spitzenposten erhält. Auch wenn Schulz Parlamentspräsident werden sollte, "das ersetzt nicht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Konservativen und Sozialdemokraten in der Kommission", sagte Gabriel in Paris. Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" will die SPE Italiens Außenministerin Federica Mogherini als EU-Außenbeauftragte durchsetzen (mehr hier). Die 40 Jahre alte Politikwissenschaftlerin ist seit Ende Februar Außenministerin Italiens, das nach dem Wahlsieg der Partei von Ministerpräsident Matteo Renzi die größte Gruppe in der SPE-Fraktion stellt. Der oder die EU-Außenbeauftragte ist automatisch einer der sechs Stellvertreter des Kommissionspräsidenten. Die britische Amtsinhaberin Catherine Ashton scheidet aus.

Hollande und Gabriel betonten in Paris, es habe eine breite Übereinstimmung über die Auslegung des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts gegeben. Dieser solle zwar nicht geändert, aber flexibler zur Förderung von Wirtschaftswachstum eingesetzt werden. Gabriel hat angeregt, dass Länder, die konkrete Reformen eingeleitet haben, mehr Zeit zur Einhaltung der EU-Haushaltsziele erhalten sollen. Vor allem Frankreich und Italien fordern dies, um die lahmende Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen (mehr hier).

Die Europäische Zentralbank warnte vor einer Aufweichung der Regeln zur Haushaltsführung. "Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte nicht bis zu dem Punkt gedehnt werden, an dem er seine Glaubwürdigkeit verliert", sagte EZB-Direktoriumsmitglied Benoit Coeure der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (mehr hier).

Scharfe Kritik an dem Vorstoß der Sozialisten kam von der CSU. Der EVP-Fraktionschef Manfred Weber sagte derselben Zeitung, eine Aufweichung der Stabilitätskriterien werde es mit seiner Fraktion nicht geben. Die Zusammenarbeit mit den Sozialisten im Europaparlament sei gefährdet, "wenn der Euro aufgeweicht werden soll", sagte der CSU-Politiker. "Das ist eine rote Linie." Ohne die Stimmen der EVP kann Schulz nicht zum Parlamentspräsidenten gewählt werden.

Der bayerische Finanzminister Markus Söder kritisierte namentlich den SPD-Vorsitzenden und Vizekanzler. "Der Weg, den Gabriel vorschlägt, gefährdet den Euro. Das ist so, als wenn man Venedig die Pfähle wegnimmt. Dann geht die ganze Stadt unter", sagte er der "Bild am Sonntag". Frankreich und Italien müssten ihre Finanzen aus eigener Kraft und in der vorgegebenen Zeit in Ordnung bringen.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Preiskrieg in China: Volkswagen im harten Wettbewerb der Elektroauto-Branche
24.04.2024

Volkswagen, lange Zeit der unangefochtene Marktführer in China, sieht sich nun einem intensiven Wettbewerb um den Elektroautomarkt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Frauen in Tech-Berufen: Deutliches Ungleichgewicht trotz wachsender Nachfrage
24.04.2024

Der Frauenanteil in Berufen in den Bereichen Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ist laut einer Studie niedrig....

DWN
Technologie
Technologie Habeck sieht großes Potenzial in umstrittener CO2-Einlagerung
24.04.2024

Die Technologie "Carbon Capture and Storage" (CO2-Abscheidung und -Speicherung) ist in Deutschland ein umstrittenes Thema. Inzwischen gibt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen EU-Lieferkettengesetz: Die neuen Regelungen und ihre Folgen
24.04.2024

Nach langem Ringen gibt es einen offensichtlich mehrheitsfähigen Kompromiss für ein abgeschwächtes europäisches Lieferkettengesetz. Das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla-Turbo: Elon Musk beschleunigt Pläne für günstige Modelle - doch ein Produkt wird viel wichtiger
24.04.2024

Tesla macht Tempo: Elon Musk verspricht, die günstigeren Modelle schneller als erwartet zu realisieren. Damit reagiert der Tesla-Chef auf...

DWN
Finanzen
Finanzen Die Vor- und Nachteile von Krediten: Was Anleger wissen müssen
24.04.2024

Kredite können eine wertvolle finanzielle Unterstützung bieten, bringen jedoch auch Risiken mit sich. Was sind die Vor- und Nachteile und...

DWN
Politik
Politik Europaparlament billigt neue EU-Schuldenregeln nach langwierigen Debatten
23.04.2024

Monatelang wurde über Europas neue Regen für Haushaltsdefizite und Staatsschulden diskutiert. Die EU-Abgeordneten sprechen sich nun für...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauministerin: Innenstädte brauchen vielfältigere Angebote
23.04.2024

Klara Geywitz wirbt für mehr Vielfalt in den deutschen Innenstädten, um damit stabilere Immobilienmärkte zu unterstützen. Ein Mix von...