Finanzen

Für noch schnelleren Handel: Wall-Street kauft Sende-Türme der Nato

Lesezeit: 2 min
05.08.2014 01:02
Eine US-Firma hat kürzlich einen ausgedienten Nato-Sendemast gekauft. Das Unternehmen will mit Hilfe der Mikrowellen-Technologie einen Zeitvorsprung beim Aktienhandel erreichen. Auf dem Finanzmarkt hat ein Wettrüsten um Millisekunden begonnen. Doch das weltweite Finanzsystem wird durch die Hochfrequenzhändler immer anfälliger.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Während Handelsaufträge an der Börse früher noch von Menschen per Handzeichen in Auftrag gegeben wurden, haben heute längst Computer die Vormachtstellung am Finanzmarkt übernommen. Mittels spezieller Algorithmen werden Aktienkäufe – und -verkäufe innerhalb von Bruchteilen von Sekunden durchgeführt. Zunächst boten Glasfaser-Kabel dabei die schnellste Möglichkeit der Datenübertragung. Nun hat ein regelrechtes Wettrüsten begonnen und die Hochfrequenzhändler stellen auf Mikrowellen-Technologie um.

„Es kommt darauf an, die eigene Position zu verteidigen. Wenn eine Gruppe auf Mikrowellen setzt, dann hat sie einen entscheidenden Vorteil, weshalb andere Firmen auch auf Mikrowellen setzen müssen, um ihre relative Geschwindigkeit beizubehalten. Es ist wie bei Radrennfahrern, die darum kämpfen, in der vordersten Gruppe mit dabei zu sein“, zitiert Bloomberg Peter Nabicht, ehemaligen Technologie-Chef der Hochfrequenz-Händler „Allston Trading LLC“.

Die Firma Jump Trading aus Chicago kauft seit einiger Zeit ausgediente Sendemasten des Militärs auf. Das Unternehmen wurde von ehemaligen Aktienhändlern gegründet und hat sich auf den Hochfrequenzhandel spezialisiert. Ihr jüngster Coup ist ein 240 Meter hoher Mikrowellen-Funkmast der Nato in Belgien. Der militärische Sendemast befindet sich in Westflandern unweit des Ärmelkanals. Die USA nutzten den Sendemast unter anderem zur Übermittlung von Nachrichten aus dem Nahen Osten, so auch beim Selbstmord-Attentat auf einen US-Stützpunkt im Libanon 1983, bei dem Hunderte Soldaten ums Leben kamen. Die Nato hat den Sendemast jedoch seit Jahren nicht mehr benutzt und ihn 2006 zum Verkauf angeboten.

Jump Trading will den Sendemast für die Übermittlung von Handelsaufträgen nutzen. Dazu hat sie zunächst viel Geld in die Modernisierung der Anlage investiert. Durch die Übertragung der Daten per Mikrowellen-Technologie erhofft sich das Unternehmen einen Zeitvorteil beim Handel von Finanzprodukten. In den USA läuft mittlerweile mehr als die Hälfte des gesamten Aktienvolumens über die „Blitzhändler“. Auch in Europa ist der Anteil zwischen 2009 und 2013 von 25 auf 41 Prozent gestiegen, wie die Beratungsfirma Aite Group LLC ermittelt hat.

Die Firma Custom Connect´s aus Amsterdam verwaltet seit März 2013 das erste Mikrowellen-Netzwerk, das die Haupthandelsplätze Europas miteinander verbindet und von Händlern gemietet werden konnte. Das Netzwerk besteht aus 13 Sendemasten in Europa, darunter auch der Nato-Mast von Jump Trading. Custom Connect´s kürzte die Übertragungszeit zwischen Frankfurt und London um 50 Prozent auf 4,43 Millisekunden. Das Unternehmen bietet die Infrastruktur gegen Gebühr an Börsenhändler aus aller Welt an. Mittlerweile nutzen 25 Firmen das Netzwerk.

Mit Mikrowellen können Daten doppelt so schnell übertragen werden, wie über Glasfaserkabel. Die Handelsaufträge lassen sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit von Frankfurt nach London senden. Der dadurch entstehende Zeitvorsprung – oft nur wenige Millisekunden – reicht aus, um aus winzigen Preisunterschieden bei Vermögenswerten noch genügend Profite herauszuschlagen. Allerdings hat die Technologie auch Nachteile: So ist die Bandbreite geringer als bei Glasfaserkabeln. Zudem kann die Übertragung durch schlechtes Wetter beeinträchtigt werden.

Hochfrequenzhändler analysieren in Bruchteilen einer Sekunde, wo gerade welches Finanzprodukt gehandelt wird. Im selben Moment greifen sie mit eigenen Handelsaufträgen ein und manipulieren so den Kurs von Aktien kurzeitig nach oben oder unten, noch bevor der Auftrag ausgeführt wurde. Insider behaupten, das ganze System diene nur der Manipulation der Kurse (mehr hier).

Hinzu kommt, dass der Hochfrequenzhandel das Finanzsystem hochgradig anfällig für Crashs macht, so geschehen im Jahr 2010. Beim sogenannten „Flash Crash“ stürzte der Dow Jones binnen weniger Minuten um 1.000 Punkte ab, wie Deutsche Welle berichtet. Auch der Dax verlor in Folge dessen binnen 400 Millisekunden mehr als 200 Punkte, bevor der Handel ausgesetzt wurde. Mittlerweile wird gegen führende Finanzinstitute wegen ihrer Verwicklung in den Hochfrequenzhandel ermittelt. In den USA laufen dzudem Klagen gegen die Bank of America, JPMorgan, Citigroup und Morgan Stanley. Es wird vermutet, dass die Banken bevorzugt Handelsdaten erhalten und so Anleger weltweit betrogen haben (hier).

Auch in Europa wird deshalb gegen führende Finanzinstitute ermittelt, darunter auch die Deutsche Bank und die Schweizer UBS. Doch die Aufsichtsbehörden sind bei der Jagd nach den Hochfrequenzhändlern stets einen Schritt zu spät. Ihnen fehlen schlicht die Mittel, um ihre Aufgaben zu erfüllen, so der Chef der Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (hier). Es ist also nicht zu erwarten, dass die Regulierungsbehörden den nächsten „Flash-Crash“ verhindern können.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unmotivierte Arbeitnehmer: Nur 48 Prozent der Deutschen geben am Arbeitsplatz ihr Bestes
15.01.2025

Nicht nur die Wirtschaft schwächelt in Deutschland, auch die Arbeitsmoral der Arbeitnehmer. Ein weltweiter Vergleich zeigt: Nicht einmal...

DWN
Politik
Politik EPA: Elektronische Patientenakte kommt - Lauterbach betont Sicherheit der E-Patientenakte
15.01.2025

Die EPA (Elektronische Patientenakte) wird in Arztpraxen eingeführt - zunächst nur in Testregionen, später bundesweit....

DWN
Finanzen
Finanzen Aktionäre in Deutschland: Weniger Deutsche investieren ihr Geld an der Börse
15.01.2025

Die Zahl der Aktionäre in Deutschland ist erneut rückläufig: Zum zweiten Mal in Folge sank die Anzahl, liegt aber weiterhin über der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rezession: Deutschlands Wirtschaft 2024 erneut geschrumpft
15.01.2025

Unsichere Konsumenten, schwächelnde Industrie und sinkende Exporte: Die Rezession setzt Deutschland weiter zu. Auch 2025 stehen die...

DWN
Politik
Politik Syrien: Übergangsregierung spricht sich gegen schnelle Rückkehr von Flüchtlingen aus
15.01.2025

Deutschland diskutiert über die Rückkehr syrischer Flüchtlinge. Seit dem Sturz von Baschar al-Assad fällt der Asylgrund für die...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple-XRP-Prognose 2025: Die aktuelle XRP-Kursentwicklung und was Anleger jetzt wissen sollten
15.01.2025

Der Ripple-Kurs, der lange Zeit von Unsicherheiten geprägt war, zeigt sich auch zu Beginn des Jahres 2025 relativ stabil - und legt...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuern auf Rente: Steuervorteile und Grundfreibetrag - so hoch ist die Besteuerung 2025
15.01.2025

In Deutschland wird die Rente besteuert. Doch seit wann sind Rentner steuerpflichtig? Welcher Rentenfreibetrag gilt aktuell, welche...

DWN
Immobilien
Immobilien Zwangsversteigerungen 2024: Zahl stark gestiegen
15.01.2025

Deutlich mehr Immobilien zwangsversteigert: Die Wirtschaftskrise und steigende Zinsen hinterlassen Spuren, besonders bei Eigentümern. 2024...