Finanzen

EZB: Warum die Draghi-Bazooka die Kapitalflucht nicht stoppen wird

Lesezeit: 3 min
05.09.2012 22:11
Die Ankündigung von Mario Draghi, die Euro-Krise am Donnerstag mit dem unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen zu stoppen, löst bei den Kapitalanlegern Mitleid aus. Die Märkte haben längt die Draghi-Tricks durchschaut und wissen: Die EZB ist rechtlich und faktisch nicht in der Lage, die Schuldenkrise zu beenden.
EZB: Warum die Draghi-Bazooka die Kapitalflucht nicht stoppen wird

Eigentlich ist es bei Zentralbankern so, dass ihre Ankündigungen genügen, um die Märkte zu beeindrucken (sehr schön beschrieben in dem Buch von Steven Solomon: „The Confidence Game“). Bei Mario Draghi und der Europäischen Zentralbank (EZB) ist das nicht mehr der Fall. Denn mittlerweile sind allen Marktteilnehmern die Geburtsfehler der EZB bekannt. Und es ist eine Illusion zu glauben, dass das Geld der EZB ausreichen kann: Die für die Refinanzierung der europäischen Schuldenstaaten notwenigen Beträge sind so hoch, dass weder die EZB, noch die Rettungsschirme EFSF und ESM das Problem lösen können (siehe Grafik am Ende des Artikels). Dies bedeutet: Weil die europäischen Staaten – inklusive Deutschland – enorme Schulden aufgetürmt haben, brauchen sie immer neue Quellen zur Refinanzierung. Diese Mittel sollten, rein theoretisch, von privaten Investoren wie Pensionsfonds oder anderen institutionellen Anlegern kommen. Diese aber haben kaum noch Möglichkeiten, den Kauf von Staatsanleihen mit ihren rechtlichen Vorgaben in Übereinstimmung zu bringen. Waren Bonds früher die langweiligste und damit sicherste Anlage der Welt, sind sie nun so hochriskanten Investments geworden. Der griechische Haircut hat den Anlegern bewiesen, dass sie gezwungen werden können, ihre Investments zu großen Teilen abzuschreiben.

Genau diesen Punkt will Mario Draghi adressieren, wenn er durchsickern lässt, die EZB werde auf ihren Status als bevorzugter Gläubiger verzichten. Und zum großen Leidwesen Draghis haben jene Investoren, die eigentlich animiert werden sollten, europäische Papiere zu kaufen, den Trick schon durchschaut: Die EZB kann nämlich auf diesen Status gar nicht verzichten, ohne sich eines glattes Gesetzesbruchs schuldig zu machen: Würde die EZB bei einem Schuldenschnitt Geld verlieren, entspräche dies nach Einschätzung der meisten Juristen einer direkten Finanzierung von Staaten. Und eine solche ist der EZB ausdrücklich verboten. Die Investmentbank Goldman Sachs hat ihre Klienten in einer Notiz auf dieses Problem hingewiesen. Daher sieht Goldman die einzige Möglichkeit für die EZB, dass die EZB für die gekauften Papiere Garantien von EFSF und ESM bekommt. Nun weiß allerdings jeder, dass die Mittel in den Rettungsschirmen bei weiten nicht reichen, um Italien und Spanien zu retten (auch hierzu die Grafik).

Und Goldman sieht noch andere Probleme: Die Bank erwartet zwar eine Mehrheitsentscheidung für den allgemeinen Ankauf von Staatsanleihen. Die Einwände von Bundesbankpräsident Jens Weidmann dürfte die EZB jedoch nicht einfach vom Tisch wischen. Daher wir ein klassisch-europäischer Kompromiss erwartet: Eine allgemeine Ankündigung, die vermutlich ähnlich schnell verpuffen wird wie das erste „Sekundärmarkt-Programm“ (SMP), welches die EZB im Vorjahr aus der Hüfte heraus gestartet hatte, und mit dem sich an der Schuldenkrise nichts geändert hatte, außer dass die Lasten noch ein Stück weiter auf die deutschen Schultern abgeladen wurden.

Auch ein zweiter, groß angekündigter Schritt wird eher mitleidig belächelt: Die EZB will Staatsanleihen nur kaufen, wenn sich die betreffenden Länder auf strenge Sparprogramme und Budget-Kontrolle verpflichten. Das klingt nett, ist jedoch völlig wertlos: Denn die EZB hat nicht die geringste Handhabe, wenn sich ein betreffender Staat nicht an versprochene Zusagen zum Sparen hält. Dann kann die EZB nämlich nur entweder weiterkaufen und sich zum Hampelmann der Schuldenpolitiker machen, oder aber, wie die FT analysiert, „den Stecker ziehen“ – was eine sofortige Panik und die Pleite des betreffenden Staates zur Folge hätte.

Das Hauptproblem der EZB besteht darin, dass die zweite Ebene des Draghi-Plans (mehr hier bei den DMN) auch nicht mehr funktioniert: Die nationalen Staaten haben eine Zeitlang ihre Banken gezwungen, Staatsanleihen zu kaufen – und damit Zeit gewonnen. Den Banken sind jedoch mittlerweile die Sicherheiten abhandengekommen: Sie haben keine Papiere mehr, die sich in ihren Bilanzen gegen die Schrott-Bonds hätten platzieren können. Daher hat auch der Drei-Jahres-Tender (LTRO) nichts gebracht: Die Banken haben das Geld gehortet, um sich selbst vor dem Zusammenbruch zu retten. Dieses Spiel ist nun aus – und was immer Mario Draghi am Donnerstag verkündet, wird in der Rezeption durch die Märkte wirkungslos bleiben.

Denn auch der letzte Strohhalm greift nicht: Draghi hatte ursprünglich geplant, eine Zinsobergrenze festzusetzen, bei deren Erreichen an den Märkten die EZB eingreifen würde. Gegen diese dreiste Manipulation wirkt der Libor-Skandal wie eine Wohltätigkeitsveranstaltung. Es wäre im Grunde die Eliminierung des Marktes und die Einführung eines europäischen Zentralbanken-Sozialismus, für den sich private Kapitalgeber nicht sonderlich begeistern können – schließlich wären ihre Investments dann der Willkür einer Institution ausgesetzt, die zum hilflosen Spielball der politischen Interessen verkommen ist.

Daher wird der große Auftritt von Mario Draghi ein weiteres Strohfeuer auslösen, bei dem der eine oder andere Spekulant einen schnellen Profit einstreichen kann – insbesondere werden die die automatisierten Hochgeschwindigkeits-Trader (HFT) sein, weil Algorithmen zwar blind auf Ankündigungen reagieren können, ihrer Natur nach jedoch zu dumm sind, um die langfristige Folgen von rein politischen Aussagen abschätzen zu können. Die Kapitalflucht aus Europa wird Draghi dagegen nicht stoppen. Die EZB-Bazooka wird nur dazu führen, dass die Märkte nach der Politik auch das Vertrauen in die EZB verlieren – mit gravierenden Folgen für die ungelöste Frage: Wer soll all diese Schulden eigentlich bezahlen?

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