Es ist im Internet schwer herauszufinden, wer eigentlich Rayk Anders ist. Genauso schwer ist festzustellen, wer seine technisch gut gemachten Video-Clips finanziert. Rayk Anders hat keine Website, sondern „sendet“ über YouTube, Facebook und Twitter. Anders arbeitet nach Angaben des Berliner Privatsenders TV-Berlin als Talkshow-Partner des Medienexperten Jo Groebel für diesen Sender – allerdings ist dort nur eine Sendung aufzufinden. Auf Facebook gibt Anders als Berufsbezeichnung „Nachrichtensprecher“ an – sonst nichts. Kein Lebenslauf, kein Hinweis auf seine Arbeitgeber.
Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten hatten die Ehre, in seinem jüngsten Video aufs Korn genommen zu werden. Anders hat schon sehr gute Clips gemacht, etwa einen über Angela Merkel und einen über einen Neo-Nazi. Die Überschrift des Beitrags erinnert ein wenig an Klickmaschinen: „8 Gründe, warum ich Deutsche Wirtschafts Nachrichten nicht lese“. Das ist in Ordnung – denn zum Glück leben wir in einer freien Gesellschaft und jeder kann sagen, was er sich denkt.
Von Mitarbeitern der öffentlich-rechtlichen Sendern wird die subjektive Darstellung allerdings aufgeschnappt – und von einem gleich mit einem kategorischen Imperativ versehen. So schreibt der NDR-Mitarbeiter Daniel Bröckerhoff auf seiner Website als Überschrift: „Darum sollte niemand die Deutschen Wirtschafts Nachrichten lesen.“ Bröckerhoff scheint offenbar aktiv gegen die DWN zu agitieren, denn er brüstet sich auf seiner Seite: „Zumindest in meinem Sozialmedienfreundeskreis hab ich glaub ich alle dazu gebracht, keine Artikel mehr daraus in die Welt zu teilen.“ Wir wollen hoffen, dass er das in seiner Freizeit macht und solche Aktionen nicht aus dem Rundfunkbeitrag finanziert werden.
Einen solch antidemokratischen Appell haben die DWN bei aller notwendigen Kritik noch nie in Richtung eines Senders losgeschickt.
Rayk Anders verbirgt trotz seiner pointierten Vergleiche („DWN = Fox News“) hinter seiner harten Schale einen vernünftigen Kern. So schreibt er auf Facebook einem Leser, der sagt, er lese „die DWN, um auch mal aus einem anderen Blickwinkel informiert zu werden“:
„Ja ich finde z.B. auch nicht ausnahmslos JEDEN artikel den die DWN veröffentlicht Bullshit, allerdings ist mir persönlich der grundsätzliche Ansatz, Meinungsbeiträge als Nachrichten zu verkaufen, ein bisschen zuwider. Die DWN haben durchaus auch gute Sachen zwischendurch, das Ding ist halt nur, die bekomm ich auf anderen Nachrichtenportalen auch - ohne die kalkulierte Panikmache zwischendurch. An sich geb ich dir jedoch Recht, sich möglichst breit informieren und sich dabei auch selbst Gedanken machen.“
Rayk Anders kritisiert in seinem Video so ziemlich alles, was die DWN machen. Das ist gut so – denn nur durch Kritik können sich junge und unabhängige Medien weiterentwickeln.
Allerdings wäre es schön, wenn die Kritik auch tatsächlich zuträfe: Denn Anders sagt, die DWN weigern sich „seit Jahren“, die Namen ihrer Autoren bekanntzugeben. Die DWN existieren erst seit zwei Jahren – und haben sich nie „geweigert“, die Namen bekanntzugeben.
So berichtete die Medienwoche bereits zum Start der DWN:
Es handle sich dabei um junge Leute um die 30, ihre Namen sind jedoch nicht bekannt. Im Impressum erwähnt sind lediglich zwei Chefs vom Dienst, Anika Schwalbe und Rainer Brunnauer. Maier will das so, denn einerseits findet er es falsch, den Journalisten als Person ins Zentrum zu rücken (er erwähnt den frühen «Spiegel» unter Rudolf Augstein als positives Vorbild), andererseits hat er bei der Netzeitung negative Erfahrungen gemacht mit Grossverlagen, die ihm gute Leute, in die er investiert hat, mit viel Geld abgeworben haben. «Wir wollen aus einer Stimme sprechen, wir schreiben die Artikel auch gemeinsam.»
Die Medienwoche hatte sich immerhin die Mühe gemacht, mit DWN-Herausgeber Michael Maier zu sprechen. Allerdings kann man durchaus der Meinung sein, ein YouTuber, wie Anders von einem Mediendienst genannt wird, brauche mit niemandem zu sprechen.
Was ein wirklich kompetenter Blogger jedoch machen sollte: Seine Analysen sollten stimmen. Und hier greift der engagierte und unterhaltsame Anders in einem zentralen Kritikpunkt kräftig daneben.
Er behauptet, die DWN nennen keine Quellen. Das ist, wie jeder Leser der DWN bestätigen wird, falsch: Die DWN nennen immer Quellen. Wenn bestimmte Passagen nicht ausdrücklich gekennzeichnet sind, dann kann man aus dem Impressum ersehen, dass die Redaktion auf Material von Reuters und dpa zurückgreift. Das erwähnt Anders auch.
Doch in einem konkreten Fall behauptet der Blogger, die DWN verlinken nur auf sich selbst – und würden so zu einer „anonymen Meinungsmaschine“. Als besonders krasses Beispiel greift Anders einen Artikel heraus, der ihm als Beleg für seine etwas verschwörungstheoretisch angehauchte These dient: „Schäuble fordert Umbau der Demokratie: Will er eine Monarchie?“ Anders markiert die Links in dem Artikel gelb und sagt: Alles Links zu den DWN – die behaupten etwas, und als Beweis führen sie sich selbst an - unglaublich! Hier hätte Anders auch ohne Recherche feststellen können, dass seine Behauptung schlicht falsch ist.
Denn die Links gehen tatsächlich alle auf DWN – dort jedoch auf Artikel, die die Quellen offenlegen: Beim ersten Link hätte Anders sogar einen Autor gefunden, der direkt über dem Artikel steht – Bernd Lüthje war immerhin der ehemalige Chef der NRW.Förderbank. Beim zweiten Link hätte er einen Originaltext von Peter Gauweiler gefunden. Beim dritten Link sogar ein Original-Video von Gregor Gysi. Beim vierten Link eine Weiterleitung auf ein Originaldokument aus den Koalitions-Verhandlungen. Schließlich beim fünften Link einen externen Link auf eine norwegische Zeitung.
Weder Gysi noch Gauweiler noch Lüthje sind Redakteure der DWN. Eine norwegische Zeitung gehört uns auch noch nicht.
Die Eingangsmeldung ist ebenfalls klar ausgeschildert: Über dem Schäuble-Zitat steht: „Reuters meldet:“ Nach dem Zitat steht: „Was bedeutet das?“ Mit dieser Zweiteilung wird für jeden unvoreingenommenen Leser klar, dass es sich um eine Analyse handelt. Das wird im übrigen auch durch das Fragezeichen im Titel klar. Die zugespitzte Analyse ist eine uralte journalistische Form. Es ist Aufgabe von Journalisten zu ergründen, was hinter politischen Sprechblasen steht.
Leider können wir Rayk Anders über diesen seinen Irrtum nicht informieren: Denn er hat in seinem DWN-Video die Leser ausdrücklich aufgefordert, ihm keine DWN-Links zu schicken. Um ihn nicht zu belästigen, verlinken wir auch nicht auf sein Video. Das ist schade, aber es zeigt, dass das Internet noch am Anfang steht, ein Dialog-Medium zu werden: Aktuell herrscht vor allem eine starke Sehnsucht der Selbstbestätigung – und ziemlich oft der an der Grenze zur Diffamierung schrammenden Vorurteile.
Den Medien-Diensten Meedia, Turi 2 und BildBlog werden wir den Link zu diesem Artikel jedoch zuschicken. Sie haben das Video prominent übernommen – allerdings ohne sich inhaltlich mit den süffig aufbereiteten Behauptungen auseinanderzusetzen. Auch dafür haben wir Verständnis: Die Medien sind getrieben vom jeweils neuesten „Buzz“ und haben mit Personalproblemen zu kämpfen. Sie verstehen sich dann als „Aggregatoren“, was naturgemäß dazu führt, dass falsche Behauptungen leichtfertig verbreitet werden.
Wir glauben jedoch an die Intelligenz der Leser – die übrigens von Rayk Anders komplett in Frage gestellt wird. Wir sind überzeugt: Wer seine Leser nicht ernst nimmt, wird auf diesem Markt nicht bestehen. Selbst der zwangsweise eingetriebene Rundfunkbeitrag wird nicht verhindern, dass die Bürger am Ende bestimmen, wem sie vertrauen und wem nicht.
Update 1 (Sonntag 02:41): Daniel Bröckerhoff hat auf unsere Kritik reagiert und schreibt auf seinem Blog:
Natürlich hätte ich auch titeln können, “Darum lese ich die DWN nicht” oder “Warum die DWN nicht teilen sollte”, den Vorwurf muss ich mir gefallen lassen. Meine Überschrift als “antidemokratischen Appell” zu deuten ist allerdings schon ziemlich wagemutig... Und keine Sorge, liebe DWN-Kollegen. Ich blogge hier in meiner “Freizeit”, wenn man das als freier Journalist so überhaupt nennen kann.
Update 2 (Donnerstag, 15.10., 12:14): Bröckerhoff hat im Nachhinein den Titel mit einem Sternchen versehen (*). Dazu schreibt er:
"*Zugespitzte Handlungsempfehlung für alle, denen ihre Zeit zu schade ist, um sie für Boulevard-Nachrichten aufzubringen."
Wie man am Original-Screenshot sieht, wurde dieser Hinweis nachträglich eingefügt. Das wurde jedoch nicht kenntlich gemacht. Zuvor hatte Bröckerhoff in einem Kommentar geschrieben, dass es wohl ein Fehler gewesen sei, den Titel so zu wählen. Die nachträgliche, klammheimliche Einfügung einer Relativierung ist allerdings der falsche Ausweg. Wenn man im Internet öffentlich eingesteht, dass ein Titel falsch ist, sollte man ihn ändern. Immerhin - und das ist lobenswert: Bröckerhoff hat auf seinem Blog eine offene Diskussion über die DWN zugelassen. Das ist auch nicht selbstverständlich.
Update 3 (Donnerstag, 15.10., 12:20): Rayk Anders bedankt sich auf seiner FB-Seite bei den DWN für den amüsanten Schlagabtausch. Gern geschehen!