Gemischtes

Autonomes Fahren: Was dürfen Fahrzeuge entscheiden?

Lesezeit: 2 min
24.10.2016 06:12
Autohersteller feilen an Technologien zum automatisierten Fahren. Doch die heikle Frage, welche Entscheidungen Roboterautos treffen dürfen, ist weitgehend ungeklärt. Es wird ein schwieriges Nachdenken.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Politik  
Auto  

Ein Auto muss plötzlich einem Hindernis ausweichen. Aber links am Straßenrand steht eine Frau mit Kinderwagen, rechts ein Rentner. Da muss ein Mensch am Steuer blitzschnell entscheiden, ob er eine Vollbremsung macht oder wohin er notgedrungen lenkt. Doch wie würde ein Computer reagieren? Automanager kommen gern auf Szenarien wie dieses zu sprechen, wenn es um die sensible Frage geht: Welche Entscheidungen dürfen computergesteuerte Fahrzeuge einmal treffen - oder lieber nicht? Die Politik will ethische Regeln dafür setzen.

Einfache Antworten kann es dabei nicht geben. Es sei eine Grundsatzfrage, wie viel Automatisierung eine Gesellschaft eigentlich wolle, sagt Ex-Verfassungsrichter Udo Di Fabio. Und inwiefern „menschliche Eingriffsmöglichkeiten“ erhalten bleiben. Nach Ansicht des Ministers gibt es zwei Prinzipien: Sachschaden geht vor Personenschaden. Und keine „Klassifizierung“ von Menschen.

Unterdessen feilt die Bundesregierung schon an einem Rechtsrahmen für Roboterautos. So sollen sich Fahrer vom Steuer abwenden können, um Zeitung zu lesen, E-Mails zu schreiben oder Filme anzusehen. Man soll aber „wahrnehmungsbereit“ bleiben, um nach einer Aufforderung des Systems selbst wieder eingreifen zu können. Auch die Haftung soll geklärt werden, wenn Autos mehr und mehr die Kontrolle übernehmen, berichtet die dpa.

Vor allem in heiklen Situationen kann es zu einem moralischen Dilemma kommen, wie auch Di Fabio erwartet. Welche Priorisierungen könnte man in einer Computersoftware programmieren, „wenn man nur noch die Wahl hat, verschiedene Schäden in Kauf zu nehmen?“ Dabei macht er als Verfassungsrechtler kein Hehl daraus, dass manche Debatten angesichts des zentralen Prinzips der Würde des Menschen einfach „abenteuerlich“ seien - womöglich einen Obdachlosen zuerst zu überfahren und Menschen damit nach sozialem Nutzen zu bewerten. „Ich glaube nicht, dass die Ethik-Kommission ernsthaft darüber wird diskutieren können.“

Das Bundesverfassungsgerichts hatte Anfang des Jahres ähnlich entschieden, als es um den Abschuss von Flugzeugen ging, die von Terroristen für einen Anschlag gekapert werden. Darin kam es zu dem Schluss, dass Leben nicht gegen Leben aufgewogen werden dürfe.

Auf fatale Situationen machen sich auch die Hersteller gefasst. „Das Dilemma wird kommen“, sagt Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber am Rande des Pariser Autosalons. „Deshalb ist es gut, sich möglichst früh mit diesen Fragen zu beschäftigen.“ Dabei sind die Unternehmen in der Frage, wer über Leben und Tod entscheidet, noch gemischter Meinung. Einig ist man sich nur in der Frage, dass autonome Systeme Unfälle vermeiden können. Der Autobauer Daimler hat im vergangenen Jahr versucht, in einem Weißbuch Antworten auf diese Fragen zu finden - eindeutige Aussagen blieben aber aus. „Ich bin aber sicher, dass wir Lösungen finden können“, sagt Weber.

BMW-Vertriebschef Ian Robertson schiebt das Problem auf die lange Bank: „Wir glauben, dass die Verantwortung des Fahrers noch für eine ganze Zeit die Grundlage ist - wenn nicht gar für noch länger“, sagt er in Paris. „Wir glauben auch, dass die Technologie für die nächsten Schritte momentan noch etwas unreif ist.“ Unstrittig ist in der Branche, wer die Verantwortung für die Technologie übernimmt: Aus Sicht der Hersteller sei klar, dass das nicht an Zulieferer delegiert werden könne, sagt PSA-Entwicklungschef Gilles Le Borgne.

Dabei geht es um ethische Leitplanken für Systeme, die vielleicht in fünf Jahren oder später zum Einsatz kommen, wie Dobrindt erläutert. In der Waagschale liegt auch, dass es weniger Tote auf den Straßen geben könnte, wenn menschliche Fehler vermieden werden. „Das ist eine große Chance“, sagt auch Kommissionsvorsitzender Di Fabio. Aber da gebe es eben auch das Persönlichkeitsrecht jedes Menschen. Und für heikle Situationen könne die Frage naheliegender sein: „Erlaubt man überhaupt eine Technik, die in ein solches Dilemma kommt?“


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Gaza-Abkommen: USA und G7 drängen auf diplomatische Lösung - der Überblick
04.06.2024

Nach dem von US-Präsident Joe Biden vorgestellten Plan für ein Abkommen zur Beendigung des Gaza-Krieges, strebt Israels wichtigster...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Arbeitsmarkt: Vergleich zwischen Deutschland, Frankreich, Österreich und den USA
04.06.2024

Die Arbeitsmärkte von Deutschland, Frankreich, Österreich und den USA sind vielfältig und teilweise grundverschieden: Während...

DWN
Politik
Politik Waffen für Ukraine: Scholz erläutert seine Entscheidung
04.06.2024

Bundeskanzler Olaf Scholz sieht in seiner jüngsten Entscheidung zur Waffenlieferung für die Ukraine keine Gefahr einer Eskalation. Das...

DWN
Politik
Politik Europawahl Endspurt: Was die Parteien in Ihren Wahlprogrammen versprechen
04.06.2024

Im Endspurt vor dem 9. Juni ist der Funke auf viele Bürgerinnen und Bürger noch nicht so richtig übergesprungen. Europawahl, war da was?...

DWN
Finanzen
Finanzen Ex-Bundesbankchef Axel Weber: Die Gefahr vorzeitiger Zinssenkungen der EZB
03.06.2024

Die Europäische Zentralbank steht kurz davor, einen neuen Zinssenkungszyklus einzuleiten, nachdem die Inflationsraten im Euroraum deutlich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Litauen: Rheinmetall will 180 Millionen Euro in Munitionsfabrik investieren
03.06.2024

Der größte deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall plant eine 180 Millionen Euro teure Munitionsfabrik sowie eine Artilleriefabrik in...

DWN
Politik
Politik DWN-SERIE zur Europawahl (Teil 7): Das Wahlprogramm der CDU/CSU für die EU
03.06.2024

Am Sonntag, dem 9. Juni, findet in Deutschland die Abstimmung zur Europa-Wahl statt. Erstmals werden auch 16-Jährige über die...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungskrise: Wo die Mieten in Deutschland am stärksten steigen
03.06.2024

Seit Jahren steigt der Druck auf den Mietmarkt in Deutschlands Großstädten. Neue Zahlen zeigen nun: Kräftig teurer wird es auch in...