Weltwirtschaft

Arbeitsmarkt: Vergleich zwischen Deutschland, Frankreich, Österreich und den USA

Lesezeit: 6 min
04.06.2024 08:37
Die Arbeitsmärkte von Deutschland, Frankreich, Österreich und den USA sind vielfältig und teilweise grundverschieden: Während Deutschland mit Stabilität und Fachkräftemangel jongliert, setzt Österreich vor allem auf Integration und junge Talente. Welche Chancen die vier Länder bieten und wie die Arbeitsmärkte nachhaltiges Wachstum fördern wollen, verraten wir im Folgenden.
Arbeitsmarkt: Vergleich zwischen Deutschland, Frankreich, Österreich und den USA
Unternehmen in Deutschland müssen Strategien entwickeln, um Fachkräfte zu halten und zu integrieren (Foto: dpa).
Foto: Carsten Koall

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Der Arbeitsmarkt ist wie eine Achterbahnfahrt – voller Höhen und Tiefen, leider manchmal unvorhersehbar. Während die Weltwirtschaft weiterhin mit Herausforderungen wie Inflation und geopolitischen Spannungen kämpft, zeigen die Arbeitsmärkte in Deutschland, Frankreich, Österreich und den USA unterschiedliche Entwicklungen. Werfen Sie mit den DWN einen genaueren Blick auf die aktuellen Trends, Chancen und Herausforderungen dieser vier Länder.

Deutschland: Stabilität mit Potenzial zur Verbesserung

Der deutsche Arbeitsmarkt hat sich im April 2024 laut der Bundesregierung robust präsentiert: Die Arbeitslosenquote ist bei 6 Prozent geblieben, die Zahl der Erwerbstätigen steigt kontinuierlich. Im März 2024 waren 45,81 Millionen Menschen erwerbstätig – ein Zuwachs von 8.000 gegenüber dem Vormonat und 100.000 mehr als im Vorjahr. Besonders bemerkenswert ist der Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, hauptsächlich durch ausländische Staatsangehörige.

Zahlen und Fakten

Im April 2024 waren 2,75 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos, das sind 20.000 weniger als im März. Klingt gut, oder? Wenn da nicht der Vergleich zum Vorjahr wäre: 164.000 mehr Arbeitslose als im April 2023.

Erwerbstätigkeit

Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen ist von Januar auf Februar 2024 um 9.000 gestiegen und im Jahresvergleich um 164.000. Interessanterweise basiert dieser Anstieg komplett auf ausländischen Staatsangehörigen.

Kurzarbeit

Kurzarbeit bleibt ein heißes Thema. Vom 1. bis 24. April wurde für 61.000 Personen Kurzarbeit angemeldet – ein Viertel mehr als im März. Tatsächliche Zahlen bis Februar zeigen, dass für 204.000 Beschäftigte Kurzarbeitergeld gezahlt wurde, ein Anstieg gegenüber den Monaten davor.

Fachkräftemangel

Unternehmen halten Fachkräfte in Erwartung zukünftiger Engpässe, was kurzfristig die Arbeitslosenzahlen stabilisiert. Langfristig kann dies jedoch nicht kompensieren, dass viele Fachkräfte altersbedingt aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Die fortgesetzte Fachkräftelücke stellt eine Herausforderung dar, die durch aktuelle Beschäftigungsstrategien nicht vollständig gelöst wird.

Zuwanderung und Arbeitsmarktintegration

Die hohe Nettozuwanderung, insbesondere von Geflüchteten, trägt zur steigenden Arbeitslosigkeit bei. Die Integration dieser Menschen in den Arbeitsmarkt ist entscheidend, um die wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten und die Fachkräftelücke zu schließen.

Konjunkturelle Schwäche und Beschäftigungspläne

Die schwächelnde Konjunktur und zurückhaltende Beschäftigungspläne der Unternehmen deuten darauf hin, dass die positive Entwicklung der Erwerbstätigkeit in diesem Jahr gebremst wird. Frühindikatoren wie die Anzahl der offenen Stellen signalisieren eine stagnierende bis negative Entwicklung.

Langfristige Wettbewerbsfähigkeit

Die anhaltende konjunkturelle Schwäche und mögliche Anpassungen des Personalbestands könnten die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigen. Dies stellt ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung und die Arbeitsmarktsituation in Deutschland dar.

Österreich: Ein Vorbild in Bereich Integration und Förderung

Der österreichische Arbeitsmarkt zeigt sich stabil und krisenfest trotz wirtschaftlicher Herausforderungen, berichtet das österreichische Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft. Arbeitsminister Martin Kocher bleibt optimistisch und sieht im Fachkräftemangel eine Chance: „Die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften ist hoch, da bleibt kein Blatt auf dem anderen!“. Besonders erfreulich ist die Entwicklung bei älteren Arbeitnehmern. Von März bis Oktober 2023 sank die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe kontinuierlich, mit einer historischen Tiefstand von 7 Prozent.

Budget für die Arbeitsmarktstärkung

Österreich investiert viel in die Arbeitsmarktstärkung. Mit einem prall gefüllten Budget von 10 Milliarden Euro sollen im nächsten Jahr weitere Maßnahmen zur Stärkung des Arbeitsmarkts umgesetzt werden. Das Arbeitsmarktservice (AMS) erhält 1,42 Milliarden Euro für aktive Arbeitsmarktpolitik. Pro Arbeitsloser oder in Schulung befindlicher Person steigt das Förderbudget auf 4.034 Euro.

Integration junger Asylberechtigter und subsidiär Schutzberechtigter

Besondere Programme wie das Intensivprogramm für junge Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte sollen dafür sorgen, dass auch diese jungen Menschen schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden. Mit 75 Millionen Euro im Rücken wird hier einiges bewegt – Deutschkurse, Berufsorientierung und Arbeitstraining.

Förderung junger Mütter

Projekte wie „Job Navi – Ausbildungsweg für junge Mütter“ werden verlängert, um jungen Müttern den Weg zurück in den Beruf zu ebnen. Man kann sich vorstellen, dass hier nicht nur berufliche Perspektiven, sondern auch Kinderbetreuung und Sozialpädagogik Hand in Hand gehen.

Lehrlingsausbildung und internationale Lehrlinge

Auch für die Lehrlingsausbildung wird gesorgt: Die Zahl der Lehrstellensuchenden ist im Vorjahresvergleich um 20 Prozent gestiegen, aber in acht von neun Bundesländern gibt es mehr offene Lehrstellen als Suchende. Nur in Wien könnte es ein wenig eng werden. Österreich will künftig Lehrlinge aus Drittstaaten ausbilden.

Erwerbsbeteiligung von Frauen

Ein besonderes Augenmerk liegt auch auf der Erwerbsbeteiligung von Frauen. Rund 637 Millionen Euro wurden 2023 für Projekte zur Förderung von Frauen bereitgestellt. „FiT – Frauen in Handwerk und Technik“ und Frauenberufszentren sind nur einige der Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, dass Frauen und Männer gleichberechtigt am Arbeitsmarkt teilnehmen können.

Frankreich: Optimismus und Chancen für junge Talente

Frankreichs Arbeitsmarkt präsentiert sich 2024 als dynamisch und optimistisch, berichtet mondedesgrandesecoles.fr. Die Arbeitslosenquote lag im dritten Quartal 2023 bei 7,4 Prozent, laut dem Nationalen Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien in Frankreich. Ein Wert, der seit 2015 kontinuierlich sinkt. Besonders bemerkenswert ist der Optimismus unter jungen Fachkräften. Laut einer Walters People 2024-Umfrage sind 86 Prozent der jungen Berufstätigen zuversichtlich, dass der Arbeitsmarkt in ihrem Bereich in den nächsten 12 Monaten stabil bleibt. Fast die Hälfte der Befragten (45 Prozent) hatten keine Schwierigkeiten, ihren ersten Job zu finden, und 73 Prozent glauben, dass ihre Ausbildung ihnen einen reibungslosen Einstieg ins Berufsleben ermöglicht hat.

Junge Talente gesucht

Französische Unternehmen suchen händeringend nach jungen Talenten, um ihre Leistung zu steigern und sich sinnhaft zu transformieren.

Gehaltssteigerungen in Sicht

Ein weiteres Highlight: Die Gehälter in Frankreich werden 2024 weiter steigen, vor allem, um die Kaufkraft angesichts der Inflation zu unterstützen. Besonders gefragt sind IT-Experten, Ingenieure, Techniker, Buchhalter und Fachkräfte im Bereich Nachhaltigkeit. Ein Ingenieur im Bereich Cloud-Computing kann nach 2 bis 5 Jahren Berufserfahrung zwischen 55.000 und 70.000 Euro jährlich verdienen – eine Erhöhung von 7 bis 13 Prozent gegenüber 2023.

Rückgang der Einstellungen von Führungskräften auf dem Arbeitsmarkt

Doch es gibt auch eine Kehrseite: 2024 wird der Arbeitsmarkt für Führungskräfte voraussichtlich weniger günstig sein, mit weniger Stellenangeboten und einer geringeren Einstellungsrate. Der Handelssektor schafft deutlich weniger Nettobeschäftigungen, aber Branchen wie Industrie, Buchhaltung und Recht könnten widerstandsfähiger sein. Führungskräfte bleiben jedoch fast vollbeschäftigt.

Die Rolle der Olympischen Spiele

Laut einem im September 2023 erschienenen Artikel in Le Monde könnten die Olympischen Spiele in Paris 2024 rund 181.000 Arbeitsplätze schaffen, vor allem in den Bereichen Bau, Tourismus und Event-Organisation.

Aktuelle Lage auf dem Arbeitsmarkt in den USA

Im März verzeichnete der Nichtlandwirtschaftssektor in den USA einen Anstieg von 303.000 Beschäftigten, doch Experten warnen vor einem möglichen Abflauen dieses Wachstums. Die Arbeitslosenquote lag im Durchschnitt bei 3,8%, soll aber bis 2024 leicht auf 3,9% steigen. Das Lohnwachstum lag bei durchschnittlich 4,1%, wird aber voraussichtlich weiter zurückgehen. Eine Wiederbelebung des Arbeitsmarktes wird erst für 2025-26 erwartet, wenn das Wirtschaftswachstum wieder Fahrt aufnimmt. Darüber berichtet Morningstar.

Wirtschaftliche Schwankungen und Arbeitsmarkt

Die Verbindung zwischen dem BIP-Wachstum und den Arbeitsplatzdynamiken ist offensichtlich. Ein langsames BIP-Wachstum führt zu einer Verlangsamung der Neueinstellungen, da Unternehmen bestrebt sind, Kosten zu senken und Gewinnmargen zu schützen.

Entwicklung der Löhne

Die Entwicklung der Löhne hängt stark mit der Inflation und der Nachfrage nach Arbeitskräften zusammen. Während ein hohes Lohnwachstum eine starke Nachfrage nach Arbeitskräften signalisiert, kann es auch zur Inflation beitragen. Die Prognose eines Rückgangs des Lohnwachstums im Jahr 2024 deutet auf eine Abschwächung der Nachfrage nach Arbeitskräften hin.

Arbeitslosenquote und Erwerbsquote

Die Arbeitslosenquote nähert sich wieder dem Niveau vor der Pandemie an, während die Erwerbsquote noch leicht darunter liegt. Ein wichtiger Faktor hierbei sind die vermehrten Frühverrentungen während der Pandemie, insbesondere bei älteren Arbeitnehmern. Dies verdeutlicht, wie demografische Veränderungen und individuelle Entscheidungen die Dynamik des Arbeitsmarktes beeinflussen können.

Branchenunterschiede

Verschiedene Branchen erholen sich in unterschiedlichem Tempo. Während Sektoren wie das Gesundheitswesen und die Freizeitbranche weiterhin Beschäftigungszuwächse verzeichnen, haben andere Bereiche wie der Einzelhandel und Transport Schwierigkeiten, das Wachstum aufrechtzuerhalten. Dies zeigt, wie unterschiedlich wirtschaftliche Sektoren auf makroökonomische Veränderungen reagieren.

Ausblick und Anpassungsstrategien für die Zukunft

Die optimistischen Prognosen für eine Erholung der Erwerbsquote in den kommenden Jahren beruhen auf der Annahme, dass Unternehmen flexiblere Einstellungsstrategien verfolgen werden, beispielsweise durch den Verzicht auf unnötige Ausbildungsanforderungen und eine verstärkte Bereitschaft zur Weiterbildung der Arbeitnehmer. Dies verdeutlicht, wie Anpassungsfähigkeit und Innovationsbereitschaft auf dem Arbeitsmarkt langfristige Erfolge fördern können.

Langfristige Erholung und nachhaltige Strategien

Die Erwartung einer Erholung des Arbeitsmarktes ab 2025 deutet darauf hin, dass sowohl strukturelle als auch konjunkturelle Faktoren eine wesentliche Rolle spielen. Unternehmen müssen nachhaltige Strategien entwickeln, um auf zukünftige wirtschaftliche Schwankungen vorbereitet zu sein und gleichzeitig die Belegschaft zu unterstützen.

Arbeitsmärkte im Vergleich: Deutschland, Frankreich, Österreich und die USA unter der Lupe

Der deutsche Arbeitsmarkt steht vor bedeutenden Herausforderungen. Die Stabilität der vergangenen Jahre könnte durch die anhaltende konjunkturelle Schwäche und den demografischen Wandel untergraben werden. Unternehmen müssen Strategien entwickeln, um Fachkräfte zu halten und zu integrieren, während die Politik Rahmenbedingungen schaffen muss, die die Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern fördern und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft sichern. Nur so kann langfristig eine positive Entwicklung des Arbeitsmarkts und der Wirtschaft gewährleistet werden.

Deutschland könnte von den Erfolgsgeschichten in Österreich und Frankreich lernen, indem es die Flexibilität des Arbeitsmarktes und die Integration von Zuwanderern vorantreibt. Eine proaktive Arbeitsmarktpolitik und gezielte Investitionen könnten Deutschlands Position als attraktiven und stabilen Arbeitsmarkt weiter festigen.

Insbesondere könnte Deutschland sich Frankreichs Fokus auf die Förderung junger Talente und die Anpassung der Ausbildung zum Vorbild nehmen. Initiativen zur Gehaltserhöhung in Schlüsselbranchen könnten helfen, Fachkräfte anzulocken und zu halten.

Von der Situation in den USA kann Deutschland lernen, dass proaktive Wirtschaftspolitik und flexible Arbeitsmarktstrategien entscheidend sind. Investitionen in Weiterbildung und Umschulung der Arbeitskräfte, altersfreundliche Arbeitsbedingungen und die Integration benachteiligter Gruppen können die Erwerbsquote erhöhen. Branchenspezifische Maßnahmen und langfristige, resiliente Planungen helfen, wirtschaftliche Schwankungen abzufedern und nachhaltiges Wachstum zu fördern.

Insgesamt zeigt der Vergleich, dass Deutschland im internationalen Kontext gut aufgestellt ist, jedoch Raum für Verbesserungen besteht. Die Stabilität und Robustheit des deutschen Arbeitsmarktes sind positiv, doch der Fachkräftemangel und die wirtschaftliche Unsicherheit erfordern gezielte Maßnahmen, um ihnen erfolgreich zu begegnen.



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