Deutschland

Bundestag: Netzaktivisten erwarten Einschränkung der Internet-Freiheit

Lesezeit: 2 min
28.09.2013 02:39
Die neue Bundesregierung dürfte die Überwachung im Internet vorantreiben. Weil die Große Koalition praktisch alles beschließen kann, was sie will, ist damit zu rechnen, dass die Freiheit im Internet weiter eingeschränkt wird. Ideologie (CDU) und Unkenntnis (SPD) sind eine schlechte Koalition, wenn es um freie Meinungsäußerung im Netz geht.
Bundestag: Netzaktivisten erwarten Einschränkung der Internet-Freiheit

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Für den netzpolitik.org-Gründer Markus Beckedahl ist das Ergebnis der Bundestagswahl ein „schwarzer Tag“ für die Netzpolitik und die Grundrechte. Zwar gäbe es auch in der Union Unterstützer von Grundrechten und einem offenen Netz, aber diese stellten nur eine kleine Minderheit dar. „Im Moment sieht es nicht so aus, als ob sich irgendwas bessern wird – ganz im Gegenteil.“

„Es wird jetzt schnell gehen, ob mit der großen Koalition oder ohne: Vorratsdatenspeicherung, Netzsperren, mehr Überwachung, ein Trojanergesetz werden sicher kommen“, schreibt Michael Seemann im Carta-Blog.

Kommt jetzt die digitale Überwachung?

Die CDU bekennt sich eindeutig zur Vorratsdatenspeicherung. Manche Straftaten, etwa die Verbreitung von Kinderpornografie im Internet, ließen sich nur so aufklären. „Gerade auch im Kampf gegen Terroristen ist dies oftmals ein entscheidendes Mittel, um Anschläge verhindern zu können. CDU und CSU wollen daher eine entsprechende Richtlinie der Europäischen Union in nationales Recht umsetzen", heißt es im Programm „Gemeinsam erfolgreich für Deutschland“ für die Bundestagswahl.

Vage bleibt die Partei in ihren Vorstellungen zum Thema Datenschutz: Sie will wie alle anderen Parteien die Privatsphäre der Nutzer stärken. Am besten durch international einheitliche Standards. Zudem fordert sie eine Überarbeitung des Europäischen Datenschutzgesetzes und möchte die Datenschutzrichtlinie etwa an die Erfordernisse von grenzüberschreitenden Cloud-Speicherdiensten anpassen.

„Wenn Software, Speicher und Rechenkapazitäten im Rahmen des sogenannten Cloud Computing über das Internet abgerufen werden, müssen auf die damit verbundenen Fragestellungen Antworten gefunden werden“, heißt dazu in ihrem Regierungsprogramm wenig konkret. Dabei soll die von der Union gegründete Stiftung Datenschutz die Bürger über den sicheren Umgang mit Daten informieren.

Über das Thema Urheberrecht wurde in den vergangenen Jahren heftig debattiert: Jedoch konnte sich die bisherige Koalition aus CDU/CSU und FDP auf keine Reform einigen. Auch auf diesem Gebiet bleibt die Union schwammig: Sie will das Urheberrecht „weiterentwickeln“ und ihre Ideen auch auf EU-Ebene einbringen.

Wie unsicher die Daten der Bürger sind, zeigte sich in der NSA-Affäre. Sie ist bisher nicht aufgeklärt worden – und die Regierung zeigt sich hilflos, wie sie Daten der Deutschen künftig besser schützen will. Vor allem international. Trotzdem ist der Überwachungsskandal im Wahlkampf an der Bundeskanzlerin abgeperlt. Weil sich die Bürger bereits mit dem Abgreifen ihrer Daten abgefunden haben?

Netzpolitische Themen haben bei der Bundestagswahl interessanter Weise keine Rolle gespielt – andere Themen waren den Wählern wichtiger. Deshalb ist die Stimmung in der Netz-Community mies. „Unsere Diskurse, unsere Belange, unsere Sicht auf die Welt kam bei dieser Wahl nicht vor, nicht im Geringsten. Vermutlich hatte der Deutsche Ruderverein einen größeren Impact auf diese Wahl als die Netzgemeinde“, schreibt Michael Seemann ernüchtert.

Mit wem könnte die Union ihre netzpolitischen Vorstellungen nun am leichtesten durchsetzen? Mit der SPD. Die Sozialdemokraten treten ebenso für die Vorratsdatenspeicherung ein. Überhaupt hat die SPD in Fragen des Internet vor allem dadurch geglänzt, dass sie ihre Partei-Website für unangenehme Verunglimpfungen der politischen Gegner genutzt hat.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla Grünheide - Protesttage: Polizei schützt Autofabrik mit Großaufgebot
10.05.2024

Die Kundgebungen gegen den Autobauer Tesla in Grünheide erreichten am Freitag einen neuen Höhepunkt. Während eines...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch bei über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das für Anleger und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...