Egan Jones ist die kleinste der amerikanischen Ratingagenturen. Ihr Geschäftsmodell unterscheidet sich von dem der großen Agenturen: Sie lässt sich nicht von jenen bezahlen, über die sie urteilt. Ihre Erlöse bekommt Egan Jones durch Investoren, die die Berichte der Agentur abonnieren. Egan Jones war in der Vergangenheit immer durch sehr schnelle und zutreffende Prognosen aufgefallen. Freilich war diese nicht immer schmeichelhaft für die Beurteilten. So hatte Agentur-Chef Sean Egan erst kürzlich im Interview mit den Deutschen Mittelstands Nachrichten gesagt, dass Europa und die USA längst ihre Kreditwürdigkeit verloren hätten (hier).
Doch während die Downgrades der USA oder von Enron und WorldCom - lange vor allen anderen - niemanden besonders gestört hatten, hat Egan Jones nun offenbar ein ungeschriebenes Gesetz verletzt: Im vergangenen Jahr hatte die Agentur die Jefferies Group herabgestuft, weil die Bank nach Einschätzung der Agentur zu viele europäische Schrottpapiere hielt. Die Börsenkurse von Jefferies tauchten darauf ab – und die SEC tauchte auf, als der Rächer der Enterbten, also vor allem der Banken.
Die SEC wirft Egan Jones nun vor, bei der Bewilligung für die Ratings unvollständige Angaben gemacht zu haben. Der Hauptvorwurf der SEC: Egan Jones sei zu klein. Das Wall Street Journal, in seiner schlechten Zeit auch gerne mal ein integraler Bestandteil der Banken-Lobby, veröffentlichte vor einigen Tagen einen ziemlich gehässigen Artikel über Egan Jones und machte sich hämisch über die angeblich mangelnde Qualifikation einzelner Mitarbeiter lustig. Außerdem kritisiert die Zeitung, was ihr offenkundig jemand von der SEC eingeflüstert hatte: Dass nämlich Egan Jones mit nur fünf Analysten arbeite und mit diesen über 1.000 Berichte in einem Jahr erstellt hatte. Dies könne, so der Subtext, nicht mit rechten Dingen zugehen. Denn die großen Agenturen beschäftigen über 1.000 Analysten – und haben mit diesen Heerscharen weder die US-Subprime-Krise, noch den WorldCom-Betrug und auch sonst kaum jemals ein wirklich gravierendes Ereignis so vorhergesehen, dass man vielleicht sogar noch hätte reagieren können.
Egan Jones vermutet nun ein Komplott, und kritische Geister wie der Finanzblog Zerohedge schließen sich an: Denn tatsächlich sind die Banken gerade in der Krise nicht zimperlich, wenn es darum geht, unliebsame und vor allem unkontrollierbare Stimmen mundtot zu machen. Sollte die SEC tatsächlich zu einem negativen Urteil über Egan Jones kommen, droht der Agentur ein Rating-Verbot für zwei Jahre. Es wäre schade, wenn eine der wenigen unabhängigen Stimmen im Rating-Zirkus mitten in der Krise zum Schweigen gezwungen würde.