Finanzen

Niederlande: Immobilienblase gefährdet Bankensystem

Die Niederlande läuft Gefahr, aus dem immer kleiner werdenen Club der Triple A Nationen zu fliegen. Neben der hohen Staatsverschuldung ist besonders die durch die Immobilienblase entstandene Privatverschuldung besorgniserregend. Das Bankensystem wankt.
20.04.2012 23:21
Lesezeit: 2 min

"Die Niederländer stehen am Rande eines negativen Rating-Vorgangs", warnte Chris Pryce, der Experte für die Niederlande bei Fitch. "Sie gehen Risiken ein, wenn sie die Schulden weiter anschwellen lassen", mahnte er und verwies darauf, dass der Fitch-Ratingausschuss im Juni zusammenkommen werde. Bereits im Januar hatte auch die Ratingagentur Standard & Poor's eine Herabstufung in Aussicht gestellt. Die Gesamtverschuldung der Niederlande dürfte von 65 Prozent 2011 auf 73 Prozent im Jahr 2013 ansteigen. Besorgniserregend ist allerdings vor allem die Immobilienblase des Landes, die zunehmend die nationalen Banken gefährdet.

Die Verschuldung der privaten Haushalte in den Niederlanden ist die höchste in der Eurozone: Sie liegt bei 249 Prozent des Einkommens. In Irland macht sie 202 Prozent aus, in Großbritannien 149 Prozent, in Spanien 124 Prozent und beispielsweise in Deutschland lediglich 90 Prozent, sagen die Eurostat-Zahlen aus dem Jahr 2010. Die Niederländer sind es im Gegensatz zu Deutschland gewohnt, Eigentum zu haben. Zunächst wird in eine Wohnung investiert, wächst die Familie, wird die Wohnung verkauft und ein Eigenheim bezogen.

Das Problem ist jedoch, dass die Wirtschaft sich in einer leichten Rezession befindet und die Hauspreise aufgrund der Immobilienblase stark nachgelassen haben. Seit ihrem Höchststand im August 2008 sind die Preise um 11 Prozent gefallen und der niederländische Immobilienverband NVM rechnet mit einem weiteren Rückgang um 5 Prozent in diesem Jahr. Die Niederländer, die nun auf ihren Hypotheken sitzen, erhalten nicht annähernd den Wert für ihre Häuser, den sie ursprünglich zahlten. Entsprechend gingen die Baugenehmigungen gegenüber dem Vorjahr um neun Prozent zurück, auf den niedrigsten Stand seit 1953. Das wirkt sich wiederum auf das Baugewerbe aus.

Die Anzahl der unverkauften Immobilen hat sich seit 2008 auf 221.000 verdoppelt. „Die Aussichten für die Finanzstabilität in den Niederlanden ist besorgniserregend“, heißt es in einem Bericht der Niederländischen Zentralbank. „Niederländische Haushalte haben fast die höchsten Schulden der Welt“. Zudem üben, so die Zentralbank, sinkende Reallöhne und steigende Arbeitslosigkeit Druck auf die Einkommen aus. Die Fähigkeit, die Hypotheken zurück zu zahlen, nimmt rapide ab. Dies wiederum macht die niederländischen Banken anfällig. Dem Bericht der Zentralbank zufolge wuchsen während der Immobilienblase die vergebenen Kredite deutlich über die Einlagen der Kreditgeber hinaus, so dass die Banken abhängig von den wankelmütigen Kapitalmärkten sind. Die „kurzfristige Finanzierung kann über Nacht austrocknen, wie im Jahr 2008“. Die sinkenden Hauspreise gefährden die durch Hypotheken gedeckten Anleihen und es kann zu massiven Kreditausfällen kommen.

Eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit, die angesichts der Situation der niederländischen Banken und der hohen Staatsverschuldung nicht unwahrscheinlich ist, würde die Fremdkapitalkosten um 100 Basispunkte ansteigen lassen, schätzt der Gouverneur der Zentralbank Klaas Knot. Da die Niederlande das Defizitziel von drei Prozent zu erreichen, sind bereits Sparmaßnahmen ergriffen worden. Und genau diese könnten sich wiederum negativ auf die Wirtschaft des Landes auswirken.

Bisher genossen die Niederlande das Vertrauen der Ratingagentur Fitch: "Das Land wurde für eine lange Zeit durch vernünftige Parteien geführt und dies ermöglicht es uns, ein bisschen großzügiger zu sein", so Chris Pryce. Aber nun könnte die niederländische Regierung mit ihrem neuen Sparpaket an dem Chef der PPV scheitern. Der Oppositionspolitiker Geert Wilders hat angekündigt, die Unterstützung der Minderheitsregierung zu beenden. Sie ist von der Unterstützung Wilders’ Partei abhängig, weil ihr sonst die Mehrheit fehlt, um Gesetze durchzusetzen. Seine Partei fordert ein Referendum und eine Rückkehr zum Gulden. Neuwahlen könnten die Folge sein (hier). Genau dieser Umstand könnte Fitch tatsächlich dazu bringen, ein Downgrade vorzunehmen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik NATO ohne Substanz: Europa fehlen Waffen für den Ernstfall
01.07.2025

Europa will mehr für die Verteidigung tun, doch der Mangel an Waffen, Munition und Strategie bleibt eklatant. Experten warnen vor fatalen...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...