Politik

Trotz ESM-Spruch in Karlsruhe: Noch ist der Euro nicht gerettet

Die Entscheidung von Karlsruhe ist keine Überraschung. Durch die Zustimmung Deutschlands zum unbegrenzten EZB-Ankauf von Staatsanleihen sind allerdings ohnehin alle Schleusen in Richtung Schuldenunion geöffnet. Denn Euro-Rettern könnte dennoch die Zeit davonlaufen.
12.09.2012 11:50
Lesezeit: 1 min

Die Entscheidung von Karlsruhe ist keine Überraschung. Durch die Zustimmung Deutschlands zum unbegrenzten EZB-Ankauf von Staatsanleihen sind allerdings ohnehin alle Schleusen in Richtung Schuldenunion geöffnet. Weil es in Deutschland keine euro-skeptische Partei gibt, werden sich die Hoffnungen der ESM-Gegner auf einen ESM-Stopp bei der kommenden Bundestagswahl nicht erfüllen. Allerdings könnte allen Rettern die Zeit davonlaufen.

Die Auflagen aus Karlsruhe für den ESM sind kryptisch: So müsse die Bundesregierung sicherstellen, dass die Zustimmung des Bundestags bei Erhöhungen völkerrechtlich sichergestellt wird. Das ist eine komplexe Forderung, weil sie innerdeutsche Fragen mit Vertretungsfragen vermischt.

Was sich nun zeigen muss, ist, ob der ESM-Vertrag noch einmal aufgeschnürt werden muss und erneut durch den Bundestag geht. Der Blog Open Europe vermutet dies in einer ersten Analyse (mehr hier).

Dann könnte die europäische Schuldenproblematik zum Wahlkampfthema werden. Allerdings sollten sich die ESM-Gegner hier keine Illusionen machen: SPD und Grüne sind bedingungslos dafür. Wenn die FDP marginalisiert wird, wird es eine große Koalition geben, und diese wird den ESM ohne Rücksicht auf Verluste durch den Bundestag peitschen.

Dies ist zwar demokratiepolitisch schlimm. Noch viel problematischer ist jedoch die Aushöhung der Demokratie durch den EZB-Beschluss von vergangener Woche (mehr hier). Denn die EZB ist bei ihrer Entscheidung, die Schuldenunion herbeizukaufen, niemandem Rechenschaft schuldig. Sie wird, wenn sie das Programm einmal eingeleitet hat, Staatsanleihen kaufen, um die Zinsen zu drücken. Darüber wird es keine Transparenz geben, keine Berechenbarkeit, und niemanden, der dazu zur Rechenschaft gezogen werden kann. Mario Draghi wird genau dann die gesetzlich verankerte Unabhängigkeit der EZB aus der Tasche ziehen, wenn er sich mitten im Vollzug der Einführung einer europäischen Schuldenunion als Handlanger der Politik betätigt. Fürwahr eine groteske Vorstellung.

Allerdings könnte allen Beteiligten die Zeit davonlaufen: Denn die Notwendigkeit, den demokratischen und nationalstaatlichen Schein zu wahren, kostet Zeit. Nichts kann in Europa schnell geschehen. Auch nicht die Umsetzung der durchaus gefinkelten Vorgaben für den ESM durch das Bundesverfassungsgericht.

Denn gerade in der Schuldenkrise gilt: Money talks. Dies vor allem dann, wenn es fehlt. Die europäischen Staaten lechzen nach Geld und werden es in den kommenden Monaten aufnehmen müssen. Zu welchen Bedingungen diktieren nicht die Aktien-Roboter (hier), sondern jene Investoren, die die Risiken für ihre Investments abschätzen müssen. Ihre Devise: Je komplizierter, desto schlechter. Das Urteil von Karlsruhe wird ihnen ihre Entscheidung nicht erleichtern.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China im Handelskrieg: Regierung bereitet sich auf das Schlimmste vor
25.04.2025

Chinas Führung bereitet sich inmitten des eskalierenden Handelskonflikts mit den USA auf mögliche Härtefälle vor. In einer Sitzung des...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Pharmazeutische Abwanderung: Wie Europa seine Innovationskraft verloren hat – und sie zurückgewinnen kann
25.04.2025

Europas einst führende Rolle in der Pharmaforschung schwindet – während andere Regionen aufholen, drohen Abhängigkeit und...

DWN
Politik
Politik Trump deutet historischen Kompromiss an: Russland will Ukraine nicht vollständig besetzen
25.04.2025

Moskau signalisiert Rückzugsbereitschaft – wenn der Westen zentrale Forderungen erfüllt.

DWN
Finanzen
Finanzen Sozialleistungen belasten Haushalt: Staatsquote steigt erneut
25.04.2025

Höhere Ausgaben des Staates für Sozialleistungen wie Renten, Pflege- und Bürgergeld haben den Anteil der Staatsausgaben im Verhältnis...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Hat Trump mit seiner Einschätzung des deutschen Überschusses recht?
25.04.2025

Trumps Zollpolitik trifft auf deutsche Überschüsse – doch die wahren Ursachen für das Handelsungleichgewicht liegen tiefer.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Crash-Gefahr an den US-Börsen: Fondsmanager warnt vor historischem Einbruch von bis zu 50 Prozent
25.04.2025

Die Unsicherheit an den globalen Finanzmärkten nimmt spürbar zu. Ein renommierter Fondsmanager schlägt nun Alarm: Der US-Aktienmarkt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lyft attackiert Uber: Neuer Mobilitäts-Gigant übernimmt FreeNow und greift Europa an
25.04.2025

Der Mobilitätskampf in Europa geht in eine neue Runde – und diesmal kommt die Herausforderung von der anderen Seite des Atlantiks: Lyft,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Der offene Konflikt zwischen Big Tech und der EU eskaliert
24.04.2025

Meta hat den diplomatischen Kurs verlassen und mit scharfen Vorwürfen auf die jüngsten Strafen der EU-Kommission reagiert. Der...