Politik

Deutsche Steuerzahler müssen nun auch Altlasten der Banken bezahlen

Lesezeit: 4 min
22.06.2013 00:38
Die europäischen Steuerzahler werden über den ESM nun überraschender Weise auch zur Bezahlung der Altschulden von europäischen Banken herangezogen. Das war nie vorgesehen. Doch weil der Bundestag zweifach für seine Entmachtung bei der Verwendung von deutschen Steuergeldern gestimmt hat, haben die Euro-Retter nun freie Bahn. Sie nutzen die Gunst der Stunde.
Deutsche Steuerzahler müssen nun auch Altlasten der Banken bezahlen

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Auf dem „Euro-Gipfel“ im Juni vergangenen Jahres wurde auf Druck des damaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti und des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy beschlossen, Banken künftig aus dem ESM zu rekapitalisieren. Kanzlerin Merkel willigte unter der Bedingung ein, dass eine europäische Bankenaufsicht geschaffen wird, die die Banken kontrolliert.

Einen Tag später segnete der Bundestag das Vorhaben ab, dass nicht nur Staatshaushalte in der Peripherie, sondern auch deren Banken über den ESM finanziert werden können.

Vor einer Woche winkte der Bundestag nun die EZB als Bankenaufsicht durch, womit die formale Erfüllung der Bedingung Merkels gegeben ist.

Dass alle diese Parlaments-Abstimmungen rein formaler Natur, mithin als eine Art Schein-Demokratie waren, offenbart sich schon einige Tage nach dem heiteren Beisammensein im Reichstag: Nur wenige Tage später, am Mittwochabend, wurde von den Finanzministern der Eurozone eine Eckpunkte-Vereinbarung vorgestellt, die bereits den nächsten Schlag präsentierte.

Die Enteignung in der Zukunft ist nicht alles, was die Bürger erwartet.

Der europäische Steuerzahler muss auch die Kosten für die Altlasten der Banken übernehmen (mehr hier).

Das bedeutet eine direkte Finanzierung von Banken in sogenannten Schieflagen – vornehmlich in den Krisenstaaten – die sich in der Vergangenheit heftig verspekuliert haben.

Der europäische Steuerzahler muss also nicht nur für die Bank-Desaster der Zukunft haften.

Sein mühsam erarbeitetes Geld wir für die Rettung der sogenannten „Zombiebanken“ verwendet.

Die Regeln, wie das geschehen soll, liegen den Deutschen Wirtschafts Nachrichten vor.

Sie sind alles andere als erfreulich.

Ein umfangreiches Regelwerk, ein „Handlungsrahmen“, bestätigt nämlich die schlimmsten Befürchtungen. Der von den europäischen Steuerzahlern bestückte ESM wurde still und leise in einen Haftungsfonds für marode Banken umgewidmet.

Die Leitlinien sehen vor, dass die direkte Bankenkapitalisierung aus dem ESM auf maximal 60 Milliarden Euro begrenzt wird.

Das ist erstaunlich, wurden doch bisher bereits im Juni 2012 100 Milliarden Euro zur Stützung maroder spanischen Banken aus dem ESM bewilligt. 41,5 Milliarden wurden von Spanien bereits abgerufen. Die Situation der Banken hat sich in Spanien trotz dieser Finanzspritze nicht verbessert (hier).

Desgleichen wurden für die zypriotischen Banken im April 2103 neun Milliarden Euro über den ESM bewilligt, wovon bisher in einer ersten Tranche zwei Milliarden Euro abgerufen wurden und Ende Juni voraussichtlich eine weitere Milliarde fließen wird.

Voraussetzung für die neuerlichen 60 Milliarden Euro Kapitalspritzen aus dem ESM für die Banken „in Schieflagen“ ist, dass die hilfesuchende Bank „eine systemische Relevanz oder eine ernsthafte Bedrohung für die finanzielle Stabilität der Eurozone als Ganzes“ darstellt, heißt es in einem Bericht der EU.

Die desolate Finanzsituation einiger systemrelevanter Banken lässt darauf schließen, dass die „Deckelung“ auf 60 Milliarden Euro bei weitem nicht ausreichen wird. Daher ist vorgesehen, dass die Begrenzung auf die genannte Summe zur „Rekapitalisierung“ nur als vorläufig zu verstehen ist.

In dem EU-Bericht steht wörtlich:

„Daher wird das Limit in Höhe von 60 Milliarden Euro festgelegt, kann jedoch vom Rat der Gouverneure überprüft werden, wenn es als notwendig erachtet wird.“

Damit ist klar: Der ESM - und damit die Gelder der europäischen Steuerzahler werden zu einem viel höheren Anteil zur Sanierung von maroden Banken herangezogen, als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dies der deutschen Öffentlichkeit erklärt hat.

Die Regelung will dies als „Notfallregelung“ verkauft sehen.

Doch mittlerweile gilt bei der Euro-Rettung der Notfall als Normalfall.

Die faulen Kredite insbesondere in spanischen Geldhäusern – trotz Auslagerungen in sogenannte „Bad-Banks“ – sind inzwischen wieder enorm angestiegen (hier). Allein im Mai dieses Jahres lag die Höhe der faulen Kredite in Spanien bei etwa 200 Milliarden Euro.

Die ursprünglich verkündete Deckelung von 60 Milliarden Euro war also nichts anderes als eine Beruhigungspille für die Öffentlichkeit. Die Euro-Retter wissen im Hintergrund natürlich längst, dass das niemals reichen wird. Daher wird geplant, einen Teil des Geldes ins Kasino zu tragen eine ESM-Tochtergesellschaft zu gründen, womit das zur Verfügung stehende Kapital entsprechend gehebelt werden soll (hier).

Weiter heißt es in den besagten Leitlinien, ein Staat, dessen Banken Hilfe zur direkten Kapitalisierung beantragt, müsse zuerst selbst die entsprechenden Finanzmittel für die betroffene Bank zur Verfügung stellen. Das Land solle sich an jeder „Bankenrettung“ durch den ESM beteiligen. Dies wirft die Frage auf, ob ein Krisenstaat, der für seine marode Bank nicht aufkommen kann, zuerst selbst Zugang zum ESM beantragen muss, um anschließend selbige Mittel seinen Banken zur Verfügung zu stellen.

Auch hier wird ein Fall konstruiert, der in der Praxis durch jede politische Behauptung geschaffen werden kann.

Es geht uns schlecht, also brauchen wir den Zugriff auf den ESM.

Die Retter vergessen dabei, dass sie Teile der Wunderwaffe schon mehrfach ausgegeben haben.

Über die bereits über den ESM (bzw. über den EFSF im Fall Irlands und Portugals) zur Verfügung gestellten Finanzmittel für die „Bankenrettungen“ gibt es keinen eindeutigen Konsens.

Griechenland, Irland und Portugal sowie Spanien und Zypern möchten die bisher in Anspruch genommenen Mittel für die Kapitalisierung ihrer Banken zumindest teilweise auf den ESM zurückverlagern, um ihre Staatshaushalte zu entlasten. Hierzu gibt es äußerst vage Formulierungen: „Die potenzielle rückwirkende Anwendung des Instruments sollte von Fall zu Fall und einvernehmlich entschieden werden.“

Auch hier finden wir einen  Rechtsbruch: Eine Rückwirkung ist laut ESM-Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen (mehr dazu hier).

Bei der Bundesbank hat man das dubiose Geschehen bemerkt - und protestiert.

Andreas Dombret, Mitglied im Vorstand der Bundesbank, sagte am Mittwoch: Mittel aus dem ESM sollten nicht dazu verwendet werden, marode Banken künstlich am Leben zu erhalten.

Dombret erklärte außerdem: „Es müssen daher die sogenannten Altlasten, also jene Risiken, die sich in der Verantwortung nationaler Aufsichtsbehörden ergeben haben, notfalls von den jeweiligen Mitgliedstaaten getragen werden. Alles andere käme einer staatlichen Transferzahlung gleich. Dann sollen sie aber auch über die nationalen Haushalte und mit Zustimmung der nationalen Parlamente erfolgen und nicht unter dem Deckmantel einer Bankenunion“.

Die Bedenken des Bundesbankers kommen zu spät.

Mit der Zustimmung des Bundestags zur Installierung der EZB als Banken-Aufsicht hat die Bundesregierung den Weg frei gemacht zur Verwendung der deutschen Steuergelder für die Bankenrettung.

Der Bundestag wird sich voraussichtlich erst nach der Wahl im September mit dem Thema „direkte Bankenkapitalisierung“ für marode Banken befassen.

Wenn die Euro-Rettung wie geplant weiterläuft, wird der Bundestag nur noch über vollendete Tatsachen beschließen können.

Und über eine leere Hülle, einen von den Zentralbank-gesteuerten Heuschrecken kahl gefressenen Rettungsschirm.

Dieser Schirm wird niemanden retten.

Er wird auch den Banken nur wenig Zeit kaufen.

Das jetzt beschlossene Regelwerk deutet jedoch darauf hin, dass der Gouverneur des ESM schon bald wieder Geld von den Staaten abrufen muss.

In diesem Fall jedoch wird der Bundestag nicht mehr mit dem Thema belästigt.

Der ESM ernährt die Banken in Europa selbsttätig.

Ohne Kontrolle, ohne Transparenz, ohne Rechtsmittel.

So und nicht anders hat es der Deutsche Bundestag beschlossen.

Im Namen des Volkes.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla Grünheide - Protesttage: Polizei schützt Autofabrik mit Großaufgebot
10.05.2024

Die Kundgebungen gegen den Autobauer Tesla in Grünheide erreichten am Freitag einen neuen Höhepunkt. Während eines...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch bei über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das für Anleger und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...