Der Appell des Allianz-Chefs verhallte ungehört: "Es gibt wirklich keinen Grund, uns hier die Leviten zu lesen oder den Untergang zu beschwören", beschwor Michael Diekmann die Aktionäre zu Beginn der Hauptversammlung in der Münchner Olympiahalle. Doch die Probleme der Fondstochter Pimco überschatteten den Zehn-Milliarden-Euro-Gewinn des Vorjahres und die höhere Dividende. Die Anleger bombardierten Diekmann mit Fragen, wie Europas größter Versicherer seine Vermögensverwaltung, deren Rückgrat Pimco ist, in die Spur bringen will. Denn nach wie vor ziehen die Kunden Gelder ab.
Wieviel genau, will die Allianz in einer Woche bekanntgeben. Schon jetzt räumte der Konzern ein, dass der operative Gewinn im ersten Quartal um drei Prozent auf 2,7 Milliarden Euro schrumpfte. Das für Dritte verwaltete Vermögen blieb mit gut 1,3 Billionen Euro nur stabil, weil die Märkte zu Jahresbeginn gut liefen. Diekmann sprach dennoch von einem guten Start. Die Sach- und die Lebensversicherung hätten die Erwartungen übertroffen. Die Allianz bleibe auf Kurs, 2014 ein Ergebnis von 9,5 bis 10,5 (2013: 10,1) Milliarden Euro abzuliefern.
Die Kratzer in der Bilanz sind inzwischen tief. Das im kalifornischen Newport Beach ansässige Anleihehaus Pimco, das seit dem Jahr 2000 zur Allianz gehört, muss nun schon seit Quartalen milliardenschwere Mittelabflüsse verschmerzen. Große Kunden in den USA stellen die Zusammenarbeit auf den Prüfstand. Vor allem der einstige Flaggschiff-Fonds Total Return verliert Anleger, weil er unter den Erwartungen blieb. Das bremst die Vermögensverwaltung im Konzern, was Großinvestoren der Allianz zunehmend Sorgen macht - etwa der Fondsgesellschaft Union Investment, nach Reuters-Daten der zehntgrößte Aktionär. Deren Fondsmanager Ingo Speich ergriff gleich als erster Redner nach Diekmann das Wort und schimpfte: "Der Nimbus von Pimco bröckelt und mit ihm auch der Aktienkurs der Allianz." Pimco, einst das Maß der Dinge in der Branche, mache mehr mit Personalquerelen rund um Gründer Bill Gross und dessen Zerwürfnis mit dem langjährigen Pimco-Chef Mohamed El-Erian Schlagzeilen als mit gut laufenden Fonds.
Nach dem überraschenden Abgang El-Erians zu Jahresbeginn installierte die Allianz zwar ein breiteres Führungsgremium, das laut Diekmann auf "sehr positives Feedback" bei den Kunden gestoßen ist. Restlos überzeugt ist Speich davon aber nicht: "Ob die neue Managementstruktur mit sechs Stellvertretern unter Herrn Gross wirklich tragfähig ist und wieder zu besseren Anlageergebnissen führt, werden wir sehen. Beim Ausbau des Aktiengeschäfts wirbt Pimco selbst noch um Geduld", sagte er und legte den Finger in eine andere Wunde: "Größtmögliche Eigenständigkeit war bisher das Erfolgsrezept von Pimco. Wollen Sie sich jetzt in Newport Beach stärker einmischen?"
Auch Privatanlegern ist das Thema ein Dorn im Auge. "Einen solchen männlichen Zickenkrieg hätten wir besser nicht erlebt", klagte Daniela Bergdolt von der Aktionärsvereinigung DSW mit Blick auf Berichte über einen Streit zwischen Gross und El-Erian, die von der Allianz nie bestätigt wurden. "Ich hätte mir gewünscht, dass Sie da schneller eingreifen." Und Hans-Martin Buhlmann, Vorsitzender der Vereinigung Institutioneller Privatanleger mahnte, falls sich bei Pimco in den kommenden Monaten nichts ändere, "hat der Vorstand ein Problem".
Diekmann warb um Geduld. Die Pimco-Schwäche sei auch der Unsicherheit an den Anleihemärkten geschuldet sowie der Tatsache, dass hohe Erfolgsprämien aus inzwischen aufgelösten Private-Equity-Fonds der Tochter fehlten. Spekulationen, die Allianz könne sich der Pimco-Probleme durch einen Verkauf entledigen, trat er entgegen: "Pimco ist und bleibt ein sehr erfolgreicher Teil des Allianz-Konzerns". Die Allianz sei selbst einer der größten Pimco-Kunden und der einstige Kaufpreis habe sich längst rentiert.
CASH IST KING
Neben Pimco stößt vielen Aktionären die Dividendenpolitik auf. Der Konzern will für 2013 je Aktie 5,30 Euro ausschütten - das sind rund 40 Prozent des Nettogewinns und 18 Prozent mehr als im Vorjahr. Für viele ist das nicht genug. "Anstatt Geld für Akquisitionen zu bunkern, sollten Sie lieber die Aktionäre stärker am Unternehmenserfolg beteiligen", forderte Union-Investment-Mann Speich. Die Allianz selbst hat zwar grundsätzliche Bereitschaft für eine Erhöhung signalisiert. Doch Diekmann will den Fuß vorerst auf der Bremse lassen - die künftigen Kapitalanforderungen der Regulierer seien im Moment schwer abzuschätzen.
Ob der fast 60 Jahre alte Diekmann im kommenden Jahr noch an Bord ist, ist eine andere Frage. Sein Vertrag läuft wie der von fünf weiteren Vorständen zum Jahresende aus - der Aufsichtsrat will sich mit dem Thema erst im Oktober befassen, wie Chefkontrolleur Helmut Perlet bekräftigte. Das sei ein "Eiertanz" und eines Dax-Konzerns nicht würdig, schimpfte ein Kleinaktionär. Diekmann selbst gibt sich zu seinen Plänen bedeckt. Seine Frau könne man dazu am Rande der Hauptversammlung auch nicht befragen, witzelte der Manager vor den Aktionären: "Meine Frau feiert heute mit meiner Mutter 87. Geburtstag und ist nicht da."