Zwei Bank Runs in einer Woche, erst auf die Corpbank, dann auf die First Investment Bank, nun sucht Bulgarien gar Hilfe bei der EU. Wie DWN bereits berichteten, hat die EU-Kommission ihre Kreditlinie für Bulgarien erhöht, damit das Land seinen Banken helfen kann.
Die Hintergründe der bulgarischen Bankenprobleme sind dagegen nach wie vor undurchsichtig. Analysten der Standard Bank sehen in den Vorfällen klassische Bank Runs, die ein Finanzinstitut zu Fall bringen können und im Falle der Corpbank auch getan haben. Verursacht wurden sie von Spekulationen und Gerüchten, die über E-Mail und SMS verbreitet wurden, behauptet die bulgarische Regierung.
Der jetzt enteignete Hauptanteilseigner der Corpbank, Tzvetan Vassilev, macht laut Financial Times lokale Medienberichte für den Ansturm auf seine Bank verantwortlich. Diese hatten berichtet, Vassilev stünde im Verdacht, den Mord an einen Parlamentsabgeordneten in Auftrag gegeben zu haben.
Der bulgarische Premierminister Plamen Orescharski glaubt, die umlaufenden Gerüchte seien Vorboten eines angespannten Wahlkampfes. Tatsächlich sollen die Bulgaren am 5. Oktober vorzeitig ein neues Parlament wählen, nachdem die bisherige Regierung ihre Mehrheit im Parlament verloren hat.
Die Einlassungen Orescharskis lenken den Blick weg vom Bankensektor und hin auf die allgemeine politische und wirtschaftliche Situation Bulgariens. Und tatsächlich gelten die meisten bulgarischen Banken unter Fachleuten als solide. Die Eigenkapitalausstattung der Branche liegt bei vorbildlichen 20 %. Zudem gehören die meisten Banken mehrheitlich ausländischen Instituten, die im Notfall bereit und in der Lage sind, Kapital nachzuschießen. Dies galt allerdings nicht für die Corpbank, die von der bulgarischen Zentralbank übernommen werden musste.
Die Regierung Orescharski kam dagegen quasi seit Amtsantritt vor gut einem Jahr aus den Schwierigkeiten nicht mehr heraus. Sie gilt als abhängig von reichen Oligarchen.
Die wirtschaftliche Situation des Lands sieht ebenfalls nicht rosig aus. Bulgarien hat bis heute nicht den Schock der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 überwunden. Das Wirtschaftswachstum blieb gering und so lag das BIP 2013 noch immer 0,4 % unter dem von 2008. Dieses Jahr sollte alles anders werden. Noch im April prognostizierte der bulgarische Finanzminister für 2014 ein Wirtschaftswachstum von 2,1 %. Die jüngsten Ereignisse machen dies jedoch eher unwahrscheinlich.
Ein großes Problem des Landes ist der Bevölkerungsrückgang durch Auswanderung, der in den letzten Jahren wieder zugenommen hat. So ging in den letzten fünf Jahren die Einwohnerzahl Bulgarien noch einmal um 4,9 % zurück. Insgesamt schrumpfte die Bevölkerung Bulgariens in den letzten 20 Jahren von 8,5 Millionen Einwohner auf nur noch 7,2 Millionen.
Die neue Unsicherheit lässt viele Bulgaren an die 90er Jahre zurückdenken. Die jahrelange Wirtschaftskrise nach dem Zusammenbruch des Ostblocks kulminierte in einer Bankenkrise, die zum Zusammenbruch von 14 Banken führte, und in einer Hyperinflation mit einer Preissteigerungsrate von über 1000 % 1997.
Um die Inflation zu beseitigen entschieden sich die bulgarischen Politiker 1999 für eine feste Anbindung der bulgarischen Währung Lew an die DM und damit schließlich an den Euro. Die Rechnung ging auf. Durch den ausländischen „Stabilitätsanker“ konnte schnell die geldpolitische Glaubwürdigkeit zurückgewonnen werden und die Inflationsrate drastisch reduziert werden.
Im Gegensatz zu z. B. Polen konnte man aber wegen der Bindung an den Euro seine Wirtschaft in der Krise 2008/09 nicht durch Abwertungen ankurbeln. Und nun steht die Bulgarische Zentralbank möglicherweise vor einem „Zwei-Fronten-Krieg“. Sie warnte laut Financial Times selbst davor, dass nach dem Ansturm auf die Banken spekulative Attacken auf den bulgarischen Lew folgen könnten. Dann müsste die Nationalbank ihre Währungsreserven einsetzen, um den festen Wechselkurs zum Euro zu halten.
Kaum ein Problem sind dagegen die Staatsschulden. Das Land nutzte die Boomjahre zu Anfang des Jahrtausends konsequent für eine Rückführung der Schuldenquote, die heute bei nur noch 18,5 % liegt (Deutschland: 78,1 %). Trotzdem hat Standard & Poors aufgrund der politischen Probleme die Bonitätsnote des Landes unlängst herabgestuft.