Die rechte Mehrheit im EU-Parlament wächst
Im Europäischen Parlament gibt es inzwischen zwei Mehrheiten: eine traditionelle und eine rechte bis extrem rechte. Letztere konnte gerade einige wichtige Erfolge verbuchen.
In der Europäischen Union und im EU-Parlament haben sich kürzlich zwei entscheidende Dinge ereignet. Erstens wird es eine parlamentarische Arbeitsgruppe geben, die die europäische Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) untersucht. Zweitens hat die Europäische Kommission unter Ursula von der Leyen angekündigt, eines ihrer zentralen grünen Projekte aufzugeben – die sogenannte Green Claims-Richtlinie. Ein herber Rückschlag für den EU Green Deal. Der sogenannte „sanitäre Schutzkorridor“ im Europäischen Parlament – das ungeschriebene Gesetz, dass Mitte-Rechts-Parteien keine Kooperationen mit der extremen Rechten eingehen – existiert faktisch nicht mehr. Die größte Mitte-Rechts-Fraktion, die Europäische Volkspartei (EVP), zu der auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gehört, kooperiert je nach Interessenlage mal mit der extremen Rechten, mal mit den Sozialdemokraten (S&D).
Europa ist bei den letzten Wahlen im Sommer deutlich nach rechts gerückt. Als das klassische Bündnis aus EVP, Sozialdemokraten und der liberalen Renew-Fraktion gebildet wurde – das von der Leyen stark unterstützte –, beruhigte sich das linke politische Lager damit, dass der Rechtsruck weniger gravierend sei als befürchtet. Die Realität zeigt das Gegenteil. Dafür sorgen nicht nur die zunehmenden rechtsgerichteten Positionen der EVP. Auch die äußeren Umstände treiben diese Entwicklung: Dringender gefragt sind derzeit Panzer statt Dekarbonisierung, Waffen statt Subventionen für Arbeitslose. Diese Lage spielt von der Leyens pragmatischem Führungsstil in die Karten: „Wir tun, was nötig ist – mit wem auch immer nötig.“
Rechte Erfolge, Blockaden und das Ende der Green Claims-Richtlinie
Schon heute gibt es eine stabile rechte bis extrem rechte Mehrheit in zentralen Fragen. Das zeigte sich unter anderem beim Aus für die Green Claims-Richtlinie, mit der irreführende Umweltaussagen von Unternehmen eingedämmt werden sollten. Die Richtlinie war ein Kernstück des EU Green Deal und sollte sicherstellen, dass Verbraucher erkennen können, welche Produkte tatsächlich umweltfreundlich sind. Doch die Wirtschaftslobby, unterstützt von EVP und den rechten Parteien, argumentiert, dass neue Prüfpflichten und Auflagen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen belasten würden. Unter dem Vorwand der „Bürokratievereinfachung“ wird die Richtlinie nun auf Eis gelegt. Auch wenn der Kommissionssprecher offiziell beteuert, dass der Kampf gegen Greenwashing weitergeführt werde, jubeln Rechte und Ultrarechte über diesen Rückschlag für den EU Green Deal.
Gleichzeitig formiert sich die Rechte in weiteren Bereichen:
- Waldschutz: Die Umsetzung der Richtlinie gegen Abholzung wurde verschoben – ein Erfolg für Rechte, Wirtschaftslobby und Teile der Liberalen.
- Flüchtlingspolitik: Die EVP unterstützte Forderungen der extremen Rechten nach Grenzzäunen – auch wenn diese letztlich scheiterten.
- Patentrecht und KI-Haftung: Die Überarbeitung zentraler Gesetze, etwa zu Standardpatenten oder zur zivilrechtlichen Haftung von KI-Unternehmen, wird gestrichen – auf Druck der Rechten.
Deutschland, der EU Green Deal und politische Grenzspiele
Für Deutschland ist diese Entwicklung hochbrisant. Gerade deutsche Unternehmen stehen unter dem Druck wachsender Klima- und Nachhaltigkeitsvorgaben aus Brüssel – etwa durch den EU Green Deal. Gleichzeitig warnen Wirtschaftsverbände vor steigenden Kosten durch Regulierungen wie die Green Claims-Richtlinie.
Der vorläufige Stopp dieser Richtlinie kommt daher für viele Firmen gelegen – aber die politische Lage bleibt fragil. Während die Kommission offiziell am EU Green Deal festhält, zeigen die Deals von Ursula von der Leyen mit der extremen Rechten, wie wackelig der grüne Kurs geworden ist. Wer glaubt, der EU Green Deal sei sicher, irrt. Rechte und wirtschaftsnahe Interessen nutzen geschickt die Gunst der Stunde, um Teile der grünen Transformation zu entschärfen – auch auf Kosten von Transparenz und Verbraucherschutz.