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Litauischer Hersteller Altas Auto: Wie Europa exklusive Elektrobusse bekommt

Während Europas Politik auf Elektro-Transformation pocht, bleibt die Umsetzung zäh. Ein litauischer Hersteller von E-Minibussen will die Lücke füllen – und sieht in regulatorischen Hürden keine Bremse, sondern ein Sprungbrett.
20.06.2025 16:45
Lesezeit: 4 min
Litauischer Hersteller Altas Auto: Wie Europa exklusive Elektrobusse bekommt
Der Markt bleibt eine Nische, die viel Potenzial bieten kann. (Foto: dpa)

Grüne Transformation als Marktchance

Die EU hat den Verkehrssektor im Zuge des „Green Deal“ zur Schlüsselbaustelle erklärt. Doch zwischen Zielvorgaben und realer Marktdynamik klafft eine Lücke. Genau hier positioniert sich das litauische Unternehmen Altas Auto – als spezialisierter Hersteller von vollelektrischen Kleinbussen.

Altas Auto wurde 2002 in Kaunas gegründet – ursprünglich als Karosseriebauer mit Fokus auf Spezialumbauten. Altas Auto hat bereits im Jahr 2021 den strategischen Entschluss gefasst, ab 2025 ausschließlich vollelektrische Kleinbusse zu produzieren. Der Fokus liegt auf technisch ausgereiften E-Modellen wie dem EV Cityline und EV Ecoline, die auf Mercedes- und MAN-Chassis basieren und mit 150 kW-Elektromotoren sowie 115 kWh-Batteriekapazität für Reichweiten von etwa 270 km ausgestattet sind. Heute profitiert das Unternehmen davon, dass es bei der Entwicklung eine eigene Technologiebasis aufgebaut hat – ohne auf große Zulieferer angewiesen zu sein.

„Die Staaten stellen nach wie vor zu wenig finanzielle Anreize bereit und ergreifen keine entschlossenen Maßnahmen zur Elektrifizierung des öffentlichen Nahverkehrs. Deshalb bleibt die Marktnachfrage weiterhin verhalten. Aber wir sind überzeugt, dass das nur vorübergehend ist – die Haltung ändert sich, und wir sind jetzt schon bereit für das Wachstum“, erklärt Geschäftsführer Ignas Pranskevičius. Trotz schleppender Nachfrage in vielen Ländern sieht das Unternehmen langfristig enormes Potenzial – insbesondere durch künftige Förderwellen, strengere Umweltauflagen und zunehmendes öffentliches Bewusstsein für Luftqualität und Emissionsreduktion.

Technologieführerschaft im Nischenmarkt

Seit mehreren Jahren entwickelt und produziert Altas Auto emissionsfreie Elektrobusse, die individuell an Kundenbedürfnisse angepasst werden. Besonders gefragt ist dabei eine Kombination aus moderner Technologie, modularer Innenarchitektur und energieeffizientem Antrieb.

Die Nachfrage nach Altas-Elektrobussen steigt rasant: Im ersten Halbjahr 2023 waren bereits 26 Prozent aller ausgelieferten Fahrzeuge elektrisch – im Vergleich zu 12 Prozent im Vorjahr. Insgesamt belief sich der Umsatz im Jahr 2023 auf 47 Millionen Euro, 22 Prozent mehr als 2022. Für 2024 wird eine weitere Steigerung auf etwa 58 Millionen Euro (+22 Prozent) erwartet.

Parallel wird kontinuierlich in Forschung und Entwicklung investiert – insbesondere in Reichweitenoptimierung pro Ladung. Altas Auto präsentierte im Oktober 2022 den vollelektrischen „Novus City V7“ – ein 7,5 m langer Midibus für bis zu 35 Fahrgäste. Er basiert auf dem Mercedes‑Sprinter‑Chassis und bietet bis zu 309 km Reichweite bei 200 kW-Motorleistung. Diese technische Kompetenz baut das Unternehmen durch Kooperationen, zum Beispiel mit dem chinesischen Zulieferer Zhongtong Bus, weiter aus.

Die Fahrzeuge kommen vor allem in kommunalen Verkehrsbetrieben zum Einsatz, etwa im innerstädtischen Shuttleverkehr oder als Ersatz für Diesel-Minibusse in Umweltzonen. Ein technisches Alleinstellungsmerkmal: Die firmeneigene Messung und Ausweisung des CO₂-Fußabdrucks – abgestimmt auf die EU-Taxonomie.

„Derzeit bewerten wir unser Geschäftsmodell, erfassen den CO₂-Fußabdruck unserer Aktivitäten und Produkte, um die EU-Taxonomie-Vorgaben zu erfüllen und unseren Kunden eine fundierte Entscheidungsgrundlage für ihre Investitionen zu bieten“, so Pranskevičius.

Bankensektor als strategischer Partner

Bereits seit 2012 wird Altas Auto durch Swedbank bei der Finanzierung unterstützt – insbesondere beim Betriebsmittelbedarf während Produktionszyklen. Für die Bank ist die Mobilitätswende längst ein Kernthema.

„Die Veränderungen betreffen sowohl Hersteller als auch Nutzer“, betont Paulius Atkočiūnas, Direktor des Firmenkundengeschäfts von Swedbank. „Hersteller werden dazu angeregt, effizientere und emissionsärmere Technologien zu entwickeln – dazu gehört nicht nur der Bau elektrischer Fahrzeuge, sondern auch die Einführung fortschrittlicher Energiemanagementsysteme, leichterer Materialien und Komponenten mit geringerem Energieverbrauch.“

Doch auch Endnutzer – ob Unternehmen oder Kommunen – spürten immer mehr regulatorische und wirtschaftliche Anreize, auf emissionsarme Lösungen umzusteigen. „Kraftstoffpreise, steigende Mautgebühren, CO₂-Abgaben und Beschränkungen für emissionsintensive Fahrzeuge in Städten zwingen zum Umdenken“, so Atkočiūnas weiter. Zudem führe die wachsende Zahl europäischer Städte mit Niedrigemissionszonen dazu, dass ausschließlich Fahrzeuge mit minimaler oder keiner Emission zugelassen würden.

Ein strategischer Meilenstein gelang Altas Auto Anfang 2025: Unter einem Rahmenvertrag bis 2028 wurde das Unternehmen zum Direktlieferanten für Elektromini- und -midibusse der Deutschen Bahn ernannt. Drei elektrische Modelle – Novus City V7, N8 und Cityline LW – sollen in Deutschland zum Einsatz kommen. Dies belegt die Marktfähigkeit und Glaubwürdigkeit des Portfolios.

Ökonomischer Hebel durch Klimapolitik

Nach Angaben von Swedbank ist der Umstieg auf emissionsfreie Fahrzeuge nicht nur ökologisch, sondern zunehmend auch betriebswirtschaftlich sinnvoll. „Diese Veränderungen erfordern zwar Anfangsinvestitionen, ermöglichen aber langfristig eine Optimierung der Betriebskosten, eine geringere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und eine bessere Resilienz gegenüber regulatorischen sowie marktbedingten Schwankungen“, sagt Atkočiūnas.

Dennoch hapert es vielerorts an Wissen. „Besonders wichtig ist, dass Unternehmen, bei denen Transport einen erheblichen Teil der Tätigkeit ausmacht, anfangen, ihre Emissionen zu berechnen, Reduktionsziele festzulegen und konkrete Maßnahmen zu definieren“, unterstreicht er. Nur so lasse sich nicht nur regulatorische Konformität erreichen, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und Kosten effizienter steuern.

Europa auf der Bremse – aber der Markt kommt

Altas Auto verweist darauf, dass bereits EU-Finanzierungsprogramme in Höhe von über 100 Millionen Euro für den Ankauf elektrischer Busse bereitstehen – deren Umsetzung jedoch stocke. Je schneller öffentliche Stellen handeln, desto schneller werde sich der Markt für emissionsfreien ÖPNV entwickeln.

„Altas Auto“ bereitet sich jedenfalls vor: Der CO₂-Fußabdruck der Produkte wird dokumentiert, die Taxonomie-Konformität geprüft, neue Produktionsverfahren vorbereitet. Ziel sei es, Städten in ganz Europa einen validierten, förderfähigen Produktnachweis zu liefern – inklusive Rückführungsmöglichkeiten und Kreislaufstrategien.

Mobilitätswandel als Geschäftsmodell

Im Gesamtbild ist klar: Der Umbau des Transportsektors ist weit mehr als eine regulatorische Pflichtübung – er ist zu einem Innovationsfeld geworden. Unternehmen, die frühzeitig auf alternative Antriebe, emissionsfreie Fahrzeuge und smarte Logistiklösungen setzen, sichern sich entscheidende Marktanteile.

Die wachsende Nachfrage nach grünen Lösungen reicht von Ladeinfrastruktur über emissionsarme Flotten bis zu digitalen Tools zur Emissionsüberwachung. Nachhaltigkeit wird damit auch zum Beschaffungskriterium – sowohl in öffentlichen Ausschreibungen als auch bei Konzernen mit ESG-Vorgaben.

Litauens Altas Auto bringt Europas Mobilitätsversäumnisse unter Strom

Während viele EU-Staaten noch Förderkriterien diskutieren, hat ein litauisches Unternehmen längst geliefert: Altas Auto demonstriert, wie grüne Innovationen nicht von Konzernriesen kommen müssen, sondern aus dem Mittelstand. Mit technologischem Fokus, finanzieller Absicherung und marktreifem Produkt will der Hersteller zur treibenden Kraft einer elektrifizierten Städtepolitik werden.

Doch ob der Durchbruch gelingt, hängt von der Politik ab – nicht vom Markt. Wenn Brüssel seine Fördersysteme beschleunigt und Städte ihre Beschaffungsrichtlinien modernisieren, könnte Altas Auto zu einem Exporterfolg der europäischen Verkehrswende werden. Andernfalls bleibt Litauens Elektropionier das, was er jetzt schon ist: ein Beispiel dafür, wie viel möglich wäre – wenn man es ließe.

Führungserfolg und internationale Skalierung

Im Januar 2025 übernahm Ignas Pranskevičius die Position des CEO von Gründervater Edvardas Radzevičius. Unter seiner Führung setzt Altas Auto den Wachstumskurs fort: Über 700 Busse pro Jahr werden in aktuell 18 europäischen Märkten verkauft. Das Unternehmen strebt laut Plan eine weitere Ausweitung des E-Angebots an, etwa mit einem 8 m langen Model, das Platz für 55 Personen bietet.

 

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