Bundeskanzlerin Angela Merkel ist unzufrieden mit der Außenpolitik des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Sie wirft ihm Wortbrüchigkeit vor. Der Russland-Beauftragte der deutschen Bundesregierung, Gernot Erler, sagte der polnischen Zeitung Gazeta Wyborcza:
„Was wir sehen ist eine wachsende Frustration der Kanzlerin gegen den russischen Präsidenten. Wladimir Putin hat ihr viel versprochen, aber bisher hat er nicht sein Wort gehalten. Das war beispielsweise beim Waffenstillstandsabkommen von Minsk der Fall, der im September ausgehandelt wurde.“
Erler sagte, er teile die Gefühle Merkels. Auch er sei „frustriert“, weil Putin „alles zerstöre, was in Minsk erreicht wurde“. Russland sei als Partner behandelt worden. Doch dieser Schritt sei vergebens gewesen. „Es führt kein Weg mehr zurück in diese Zeit“, so Erler.
Angela Merkel will in der Ukraine-Krise den Druck auf Russland nicht mindern. „Wir werden diese Probleme nicht überwinden, wenn wir die Dinge nicht klar beim Namen nennen“, sagte sie am Dienstag auf dem CDU-Parteitag in Köln.
Russland habe etwa mit der Annexion der Krim gegen internationales Recht verstoßen und mache Nachbarländer zu Einflusssphären. Zudem stelle Russland die europäische Friedensordnung infrage. „Das Ziel ist eine territorial unversehrte Ukraine“, die frei und selbstbestimmt über ihre Zukunft entscheiden könne, sagte Merkel. „Das ist die Durchsetzung der Stärke des Rechts.“
Merkel drohte Russland zugleich mit neuen Sanktionen. Sie wisse, dass diese schmerzhaft für die deutsche Wirtschaft seien. „Sie sind auch kein Selbstzweck. Aber sie werden beschlossen, wenn sie unvermeidlich sind.“
Die Kanzlerin hielt sich in einem ZDF-Interview eher bedeckt - was allerdings leicht möglich war, denn die Fragen des Moderators Klaus Kleber deckten im wesentlichen ab, was Merkel zu Putin vielleicht denkt, aber nicht sagen will:
„Treibt Sie die Sorge um, dass Russlands, dass Putins Hunger nach Territorium vielleicht noch nicht gestillt sein könnte mit der Krim, und wie wollen Sie sich dagegen einstellen?“
„Die Weltlenker schauen immer auf Sie, als diejenige, die den engsten Draht zu Vladimir Putin hat. Spielt in Ihrem persönlichem Verhältnis miteinander das Wort Enttäuschung eine Rolle?“
„Die Menschen im Baltikum schauen sehr ängstlich auf ihren riesigen Nachbarn und fragen sich, ob denn das Wort der NATO tatsächlich hält, dass man notfalls das Baltikum verteidigt. Gilt das auch dann, wenn so etwas wie ein Tarnkappenangriff – ähnlich wie in Lugansk und Donezk – im Baltikum stattfindet? Ist denn vorstellbar, dass die NATO dann tatsächlich notfalls mit Waffen antwortet?“
Merkel sagte, dass Enttäuschung keine politische Kategorie sei und sie auf den Weg einer diplomatischen Lösung setze.
Ihr enger Vertrauter Erler ist allerdings der Ansicht, dass die von der EU verhängten Russland-Sanktionen ein großen Eindruck bei den Russen gemacht hätten. Russland verfüge über ausreichende Währungsreserven, um eine Wirtschafts-Krise zu verhindern. Allerdings habe der Kreml nicht mit einem geschlossenen Auftreten der Europäer gerechnet.
Erler wörtlich:
„Putins jüngste Entscheidung, den Bau von South Stream [einer Gaspipeline von Russland nach Italien] zu stoppen war ein Versuch, Zwietracht zu säen. Bulgarien, Ungarn und Serbien, also Länder, die - gelinde gesagt – Russland sehr zuvorkommend behandeln, werden am meisten unter dieser Entscheidung leiden. Vielleicht sollen sie auch gegen jene geschlossene Politik Europas mobilisiert werden.“
Große Sorgen bereiten dem Russland-Beauftragten die Luftrumverletzungen der russischen Luftwaffe. Die Londoner Denkfabrik European Leadership Network hat 40 Vorfälle zwischen April und Mitte November dokumentiert, die sich zwischen der Nato und Russland abgespielt haben. Allerdings haben sich die Vorfälle im internationalen Luftraum ereignet, auf den die Nato noch keinen exklusiven Anspruch hat.
Am vergangenen Wochenende, hat sich ein Geschwader von 24 russischen Bombern und Transportflugzeugen dem litauischen Luftraum genähert und die litauische Armee in Alarmbereitschaft versetzt. Doch Erler warnt die NATO davor, auf derartige Provokationen einzugehen.