Technologie

In Deutschland ist Beleidigung von Religionen Straf-Tatbestand

Lesezeit: 2 min
11.01.2015 02:45
Die zahlreichen politischen Solidaritäts-Adressen für Charlie Hebdo für die Aufrechterhaltung von Presse- und Meinungsfreiheit entsprechen nicht der Gesetzeslage: Beschimpfung von Religionen und Majestätsbeleidigung sind in Deutschland strafbar. Eine Petition fordert nun die Abschaffung der Paragrafen im Strafgesetzbuch.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Viele deutsche Politiker haben sich nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo für den Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit eingesetzt. Diese müsse, so der Tenor, trotz der Gewalt durch Terroristen, bewahrt bleiben. Auch die Zeitungsverleger machen sich dafür stark.

Allerdings kann von Bewahrung keine Rede sein: Denn die deutsche Gesetzeslage sieht vor, dass die Beschimpfung von Religion und die Beleidigung des Bundespräsidenten oder von ausländischen Staatsoberhäuptern Straftaten sind.

Zu den Religionen sagt der § 166 StGB:

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Zur „Verunglimpfung des Bundespräsidenten“ sagt der § 90 StGB:

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Bundespräsidenten verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2), wenn nicht die Voraussetzungen des § 188 erfüllt sind.

(3) Die Strafe ist Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, wenn die Tat eine Verleumdung (§ 187) ist oder wenn der Täter sich durch die Tat absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt.

(4) Die Tat wird nur mit Ermächtigung des Bundespräsidenten verfolgt.

Zur „Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“ sagt der § 103 StGB:

(1) Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ist die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen, so ist § 200 anzuwenden. Den Antrag auf Bekanntgabe der Verurteilung kann auch der Staatsanwalt stellen.

Der Informatiker Bernd Paysan hat nun eine Online-Petition gestartet, um diese restriktiven Paragrafen zu streichen. Paysan sieht vor allem die Satire gefährdet, weil hier „die Starken vor den Schwachen geschützt“ würden.

In der Begründung zur Petition an den Bundestag heißt es:

„Neben der Kritik an den Religionen und ihren gewalttätigen Fanatikern muss auch die Kritik an den Mächtigen, also an unserem eigenen Staatsoberhaupt und den Staatsoberhäuptern anderer Länder, bei denen es sich auch immer wieder um Verbrecher gegen die Menschlichkeit handelt, die eigentlich nach Den Haag gehören, frei von jeder Sanktion sein. Jeder Vorwand, diese Kritik juristisch zu verfolgen, verletzt die Meinungsfreiheit. Macht muss mit Kritik leben können, und jetzt ist es Zeit, ein Zeichen zu setzen.

Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass die Bundesregierung diese anachronistischen Regeln außer Kraft setzt. Eher ist zu erwarten, dass es weitere Einschränkungen geben wird. Bundesinnenminister Thomas de Maizière möchte, dass das Internet-Videoportal YouTube besonders anstößige Aufnahmen des Terroranschlags in Paris löschen solle. „Vieles kann man bei YouTube sehen. Und nicht alles, was jetzt irgendwie dort bisher eingestellt ist, sollte vielleicht dort bleiben.“


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Streit ums liebe Geld: UN-Klimagipfel geht in die Verlängerung
22.11.2024

Milliarden für den Klimaschutz – doch wie weit sind die Staaten wirklich bereit zu gehen? Auf der UN-Klimakonferenz in Baku entbrannte...

DWN
Politik
Politik Netanjahu Haftbefehl: Deutschland und die rechtliche Zwickmühle
22.11.2024

Der Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu erschüttert die internationale Bühne. Deutschland sieht sich in einem schwierigen Spagat:...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bosch kürzt 5.550 Stellen - 3.800 davon in Deutschland
22.11.2024

Bosch steht vor massiven Einschnitten: Bis zu 5.550 Stellen sollen wegfallen, davon allein 3.800 in Deutschland. Die Krise in der...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis-Prognose 2025: Nach Kurskorrektur steigt der Goldpreis aktuell - wohin geht die Reise?
22.11.2024

Der Goldpreis steht derzeit im Fokus von Anlegern und Edelmetallexperten. Gerade in unsicheren Zeiten wollen viele Investoren Gold kaufen,...

DWN
Politik
Politik Iranisches Atomprogramm: Teheran will mehr Uran anreichern
22.11.2024

Droht der Iran dem Westen mit neuen Atomwaffen? Die IAEA warnt, Teheran wehrt sich – und eskaliert die Urananreicherung. Jetzt könnten...

DWN
Politik
Politik Dauerbaustelle Autobahn: Sie stehen hier im Stau, weil sich Verkehrsminister Volker Wissing verrechnet hat
22.11.2024

Wenn man im Sommer entspannt durch Frankreich oder Italien über die Autobahnen gleitet, fragt man sich jedesmal aufs Neue: Warum müssen...

DWN
Politik
Politik Krankenhausreform kommt: Lauterbachs Reform passiert den Bundesrat
22.11.2024

Karl Lauterbach freut sich: Der Bundesrat hat das sogenannte "Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz" gebilligt, das Herzensprojekt des...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rezession droht im Winter, Euro ist im Sinkflug: Was sind die Gründe?
22.11.2024

Stagnation der deutschen Wirtschaft, ein schwächelnder Euro, miese Stimmung in den Unternehmen: Ökonomen befürchten eine...