Der Leiter der Akademie für geopolitische Fragen in Moskau, Konstantin Sivkov, hat in einem Artikel für die russische Handelszeitung VPK einen apokalyptischen Vorschlag unterbreitet. Der australische Sydney Morning Herald widmet dem Artikel breiten Raum, was zeigt, dass die abwegigsten Ideen in einem Klima des Kalten Krieges auch im Westen einen Resonanzboden finden.
Sivkov schlägt vor, dass Russland die USA mit einem gezielten Atomschlag außer Gefecht setzen sollte. Er schreibt: „Geologen glauben, dass der Supervulkan im Yellowstone Park jederzeit explodieren kann. Es gibt Anzeichen von verstärkter Aktivität. Daher braucht es nur eine Vergleichsweise kleine Explosion, etwa in der Stärke einer Megatonne, um den Ausbruch auszulösen. Die Folgen wären katastrophal für die Vereinigten Staaten. Das Land würde einfach verschwinden.“ Sivkov hat noch eine Alternative parat: „Eine andere verletzliche Stelle der USA aus Sicht der Geophysik ist die St. Andreas Bruchlinie, welche 1300 Kilometer zwischen dem Pazifik und den nordamerikanischen Platten verläuft. Die Detonation einer Atomwaffe dort könnte katastrophale Ereignisse auslösen, wie einen Tsunami über die ganze Westküste, welcher die gesamte Infrastruktur der vereinigten Staaten zerstören würde.“
Sivkovs Gedanken sind an Zynismus kaum zu überbieten, zeigen aber, wie sehr das russische Selbstwertgefühl durch die jüngsten NATO-Aktionen in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Denn Sivkov begründet seine radikalen Ideen mit der Tatsache, dass Russland nach Auffassung des Geostrategen heute wesentlich schlechter dastehe als noch zu Zeiten des Kalten Krieges. Die USA und der Westen seien Russland in jeder Hinsicht überlegen - vor allem in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht, aber auch politisch. Die Nato habe Russland umzingelt. Seit dem Verschwinden des Kommunismus fehle es Russland an einer übergeordneten, einheitlichen ideologischen Idee. Daher müsse sich Russland auf eine asymmetrische Kriegsführung einstellen, um seine alte Stärke in der Welt vertreten zu können. Sivkov geht davon aus, dass Russland spätestens im Jahr 2025 in der Lage sein sollte, einen solchen brutalen Gegenschlag gegen die USA zu führen.
Sivkov ist sicher kein wichtiger Repräsentant der russischen Eliten. Doch er vertritt seine Thesen für einen von den russischen Steuerzahlern finanzierten Think Tank. Seine Aussagen zeigen, dass die innenpolitische Lage in Russland alles andere als stabil ist. Es ist eine Tatsache, dass das Land über beträchtliche nukleare Möglichkeiten verfügt. Es ist jedoch alles andere als ausgemacht, dass diese Gefahren unter der Kontrolle der berechenbaren oder gar vernünftigen Kräfte theoretische Möglichkeiten bleiben und nicht in einer destabilisierten Situation eines Tages außer Kontrolle geraten.
Die kruden Ideen des Geostrategen zeigen aber vor allem, dass der Westen mit Wladimir Putin einem vergleichsweise rationalen Präsidenten gegenübersteht. Die Gefahr eines chaotischen Machtwechsels in Moskau hatte zuletzt der Chef des privaten US Geheimdienstes Stratfor, George Friedman, hingewiesen. Friedman hatte gesagt, dass der Westen gut beraten sei, gemeinsam mit Putin an politischen Lösungen der aktuellen Krise zu arbeiten. Wenn Putin, wie von einigen westlichen Geheimdiensten insgeheim erhofft, tatsächlich eines Tages von der Macht vertrieben würde, bekäme es der Westen mit wesentlich gefährlicheren Leuten zu tun.