Politik

Von der Leyens Kommission übersteht weitere Misstrauensvoten

Rechte und Linke attackieren von der Leyen scharf - doch ihre Kommission hält stand. Wie geht es nach den erneuten Misstrauensvoten und Kritik von vielen Seiten weiter?
09.10.2025 13:24
Aktualisiert: 09.10.2025 13:24
Lesezeit: 3 min
Von der Leyens Kommission übersteht weitere Misstrauensvoten
Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen hat zwei weitere Misstrauensvoten im Europäischen Parlament überstanden. (Foto: dpa) Foto: Pascal Bastien

Von der Leyens Kommission übersteht weitere Misstrauensvoten

Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen hat zwei weitere Misstrauensvoten im Europäischen Parlament überstanden. Für den Vorstoß der rechten PfE-Fraktion votierten in Straßburg 179 Abgeordnete bei 378 Gegenstimmen, für den Antrag aus dem linken Lager 133 bei 383 Gegenstimmen. 37 enthielten sich bei der Abstimmung über den PfE-Antrag, 78 bei demjenigen von links.

Für ein erfolgreiches Misstrauensvotum wären zwei Drittel der abgegebenen Stimmen - ohne Enthaltungen - nötig gewesen, mindestens aber 360. Insgesamt beteiligten sich von den aktuell 719 Abgeordneten je 594 an den Abstimmungen über beide Anträge. Wenn das EU-Parlament einen der Anträge angenommen hätte, wäre die EU-Kommission zum Rücktritt gezwungen gewesen. Bei einer ersten Misstrauensabstimmung im Juli hatten 175 Abgeordnete gegen von der Leyen gestimmt, 360 stellten sich hinter sie.

„Ich bin zutiefst dankbar für die starke Unterstützung, die ich heute erfahren habe“, schrieb die Kommissionspräsidentin nach den neuen Abstimmungen auf X. Die Kommission werde weiterhin eng mit dem Europäischen Parlament zusammenarbeiten, um die Herausforderungen Europas anzugehen.

Rechte und Linke üben Kritik am Zoll-Deal mit den USA

Der PfE-Antrag, den alle 84 Abgeordneten der Fraktion unterzeichnet hatten, kritisierte unter anderem von der Leyens Wirtschafts-, Klima- und Migrationspolitik und warf ihr Intransparenz und Zensur vor. Zu den „Patrioten für Europa“ gehören unter anderem Politikerinnen und Politiker der Fidesz-Partei von Viktor Orban sowie der Partei Rassemblement National (RN) von Frankreichs Rechtspopulistin Marine Le Pen und ihrem politischen Ziehsohn Jordan Bardella - der bei neuen Wahlen der nächste französische Präsident oder Premierminister werden könnte. Die RN-Abgeordneten im Europaparlament hatten auch schon das erste Misstrauensvotum gegen von der Leyen und ihr Team im Juli mitinitiiert.

Den Antrag aus dem linken Spektrum hatten fast alle Linken-Abgeordneten unterzeichnet sowie vereinzelte Grüne, ein Parlamentarier der Sozialdemokraten und mehrere Fraktionslose, darunter die fünf deutschen Abgeordneten vom Bündnis Sahra Wagenknecht. Damit erreichten sie gerade so die Schwelle von einem Zehntel aller EU-Abgeordneten, um den Misstrauensantrag einreichen zu können. Die Gruppe wirft von der Leyen insbesondere vor, nicht genug gegen die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen zu unternehmen. Außerdem kritisiert sie - wie auch die PfE - den Zoll-Deal der EU mit US-Präsident Donald Trump.

Von der Leyen verwies auf Bedrohungen für Europa

Bei der Aussprache zu den Anträgen im Parlament am Montag wirkte von der Leyen friedlicher als bei der Debatte im Juli. Sie rief die Parlamentarierinnen und Parlamentarier zur Einheit auf und betonte, dass eine Spaltung den Interessen des russischen Präsidenten Wladimir Putins diene. Ein so harter Schlagabtausch, wie es ihn im Juli vor allem zwischen den Vorsitzenden der Konservativen und Sozialdemokraten gegeben hatte, fand nicht statt.

Die Fraktionsspitzen der konservativen EVP, sozialdemokratischen S&D, liberalen Renew und Grünen hatten im Plenum keine Unterstützung für die Misstrauensanträge signalisiert. Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber (CSU) stellte sich klar hinter von der Leyen. Er warf Bardella vor, mit dem Misstrauensantrag eine Kampagne für den französischen Wahlkampf zu führen.

Weil die Fraktionen im EU-Parlament nicht so geschlossen abstimmen wie etwa im Bundestag, hatte die Linken-Gruppe bei ihrem Antrag laut ihrem Co-Vorsitzendem Martin Schirdewan auf Unterstützung von Abgeordneten aus dem Mitte-links-Spektrum abgezielt. «Unser Ergebnis zeigt: Der Druck auf Ursula von der Leyen und ihre Kommission wächst und die Linke wird diesen Druck innerhalb des Europäischen Parlaments und auf den Straßen Europas weiter verstärken», teilte Schirdewan zu dem Misstrauensvotum mit. Zu dem Vorwurf, dass es angesichts der geopolitischen Lage Stabilität in der EU bräuchte, sagte er: „Eine Stabilität des Scheiterns brauchen wir nicht.“

Weitere Misstrauensanträge denkbar

Die Misstrauensanträge zeigen, dass vor allem die politischen Ränder von der Leyen zunehmend in die Mangel nehmen. Schirdewan ist sich darüber hinaus sicher, dass es weitere Misstrauensanträge gegen die EU-Kommission geben wird. Auch der Chef der Europa-SPD, René Repasi, sieht diese Möglichkeit. „Von der Leyen steht jetzt in der Bringschuld“, hieß es von ihm. Es sei absehbar, dass die Kritik im Parlament wieder deutlich lauter werden kann. Dem Portal Politico zufolge sagte Repasi, dass es in Zukunft einen entsprechenden Antrag der S&D geben könnte, wenn von der Leyen keine Ergebnisse liefere.

„Ein Misstrauensantrag ist dennoch kein Spielball für Stimmungspolitik - es ist das schärfste und letzte Kontrollmittel des Parlaments“, stellte Repasi auf Anfrage der DPA klar. Sollten die Sozialdemokraten von der Leyen den Rücken kehren, riskiert sie damit, die Möglichkeit zu verlieren, Mehrheiten mit der Mitte des Parlaments zu bilden. Während der Abstimmung war von der Leyen nicht im Parlament, sondern nahm am Global Gateway Forum der EU-Kommission in Brüssel teil.

Misstrauensanträge gegen die Kommission sind eigentlich äußerst selten. Zum Rücktritt einer EU-Kommission führte lediglich ein drohender erfolgreicher Misstrauensantrag im Jahr 1999. Damals stellte eine von dem Luxemburger Jacques Santer geführte Kommission ihre Posten vorsorglich zur Verfügung, nachdem ein Bericht über Betrug, Missmanagement und Vetternwirtschaft vorgelegt worden war.

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