Politik

Gegen Propaganda: Aufstand der Journalisten im spanischen Staats-TV

Journalisten des spanischen Staatskanals TVE haben in Brüssel Beschwerde gegen ihren eigenen Sender eingereicht. Sie bezeichneten TVE als „Propagandainstrument im Dienst der Regierung“. Kritische Berichte über Korruption in der Regierung werden unterdrückt, Oppositionsparteien wie Podemos oder Befürworter der katalanischer Unabhängigkeit würden bewusst schlecht dargestellt. Aus deutschen Anstalten ist eine derartige Initiative nicht bekannt.
28.04.2015 01:54
Lesezeit: 2 min

Eine Delegation aus Journalisten des spanischen Staatskanals TVE  hat beim EU-Parlament in Brüssel gegen den eigenen Sender Beschwerde eingereicht. Die Vertretern des TVE-Informationsbeirats legten ein siebenseitiges Dokument vor, das die Fälle von Manipulation der Berichterstattung durch politische Einflussnahme auflistet. TVE wird darin als „Propagandainstrument im Dienst der Regierung“ bezeichnet, berichtet die spanische Zeitung El Mundo.

Nach Ansicht der unabhängigen Mitarbeiter-Vertretung finde bei TVE eine ideologische Kontrolle der Informationsangebote durch die neuen Verantwortlichen statt, zudem „werden die journalistischen Regeln regelmäßig nicht erfüllt, sei es im Bezug auf Unparteilichkeit, Meinungsvielfalt, Wahrheitsgehalt oder Objektivität.“ Dem Beirats-Vorsitzenden Alejandro Caballero zufolge ist vor allem die täglich von Millionen Spaniern gesehene Nachrichtensendung Telediario betroffen, deren Bedeutung in etwa vergleichbar ist mit der Tagesschau in Deutschland.

„Ich bin seit 30 Jahren bei dem Sender und ich muss sagen, es war noch nie so schlimm.“, so Caballero gegenüber der Financial Times. „Wir wollen einen Sender, der im Dienst der Öffentlichkeit steht. Was wir derzeit haben ist ein Regierungsinstrument, das von der Politik missbraucht wird.“

Für Beobachter wie Victor Lapuente ist das Problem symptomatisch für die spanische politische Kultur, mit einem Regierungswechsel auch tausende Staatsdiener aus Justiz und öffentlich-rechtlichen Medien auszutauschen. Dadurch wüssten Staatsbedienstete, dass politische Neutralität für ihre Karriereaussichten abträglich sei, so Lapuente zur FT.

TVE ist als Staatssender mit den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland zu vergleichen. Zu Zeiten der Diktatur diente der Sender zudem als Propaganda-Instrument für das Franco-Regime. Auch danach sah sich der Sender regelmäßig dem Vorwurf der politischen Parteinahme ausgesetzt.

Caballero spricht vor allem drei Punkte an, die belegen sollen, dass der Sender systematisch Themen unterdrückt, die Rajoys Regierung schaden könnten. Dazu gehören demnach die zahlreichen Korruptionsfälle in der Regierungspartei PP, die katalonische Unabhängigkeitsbewegung sowie der Erfolg der Protest-Partei Podemos: Die Korruption würde heruntergespielt, Podemos hingegen ebenso wie die Separatisten konsequent in einem negativen Licht dargestellt.

Zur selben Zeit als die Beschwerde einging, hat TVE zudem eine Ausgabe einer beliebten Satire-Sendung verboten, in der Ministerpräsident Rajoy von dem Komiker José Mota parodiert wird,  berichtet die Zeitung El País.

TVE weist die Vorwürfe von sich und sagt, die Nachrichten werden von unabhängigen Mitarbeitern vorbereitet. Allerdings werfen ehemalige TVE-Mitarbeiter dem Sender vor, insbesondere im vergangenen Jahr eine Art „Schatten-Redaktion“ aus regierungstreuen konservativen Redakteuren aufgebaut zu haben. So ist etwa der neue Chef des Regionalbüros in Katalonien ausgerechnet der ehemalige Pressesprecher der Regierungspartei PP.

Verstärkt habe diese Entwicklung Rajoys Abschaffung eines Gesetzes, nach dem der Senderchef mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit vom Parlament gewählt wird. Dies hätte einen Konsens zwischen den großen Parteien erfordert, stattdessen kann die Regierung die Besetzung dieses Postens nun wieder allein bestimmen.

In einem Monat finden in Spanien Regionalwahlen statt, Ende des Jahres Parlamentswahlen. Ministerpräsident Rajoy hat jüngst verkündet, in jedem Fall zu kandidieren, egal was passiert, und auch bei schlechten Ergebnissen keinen Änderungsbedarf in der von Korruptionsskandalen verfolgten Regierungspartei zu sehen, berichtet El Diario. Seit den letzten Wahlen hat die Regierungspartei PP Umfragen zufolge fast die Hälfte der Wählerstimmen verloren. Die besten Chancen auf den Wahlsieg hat demnach derzeit trotz der negativen Berichterstattung in den Staatsmedien die Protestpartei Podemos.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.

DWN
Finanzen
Finanzen Warren Buffett: Was wir von seinem Rückzug wirklich lernen müssen
10.05.2025

Nach sechs Jahrzehnten an der Spitze von Berkshire Hathaway verabschiedet sich Warren Buffett aus dem aktiven Management – und mit ihm...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber kaufen: Was Sie über Silber als Geldanlage wissen sollten
10.05.2025

Als Sachwert ist Silber nicht beliebig vermehrbar, kann nicht entwertet werden und verfügt über einen realen Gegenwert. Warum Silber als...

DWN
Technologie
Technologie Technologieinvestitionen schützen die Welt vor einer Rezession
10.05.2025

Trotz der weltweiten Handelskonflikte und der anhaltenden geopolitischen Spannungen bleibt die Nachfrage nach Technologieinvestitionen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Starbucks dreht den Spieß um: Mehr Baristas statt mehr Maschinen
10.05.2025

Starbucks gibt auf die Maschinen auf: Statt weiter in teure Technik zu investieren, stellt das Unternehmen 3.000 Baristas ein. Nach...

DWN
Panorama
Panorama EU-Prüfer sehen Schwächen im Corona-Aufbaufonds
10.05.2025

Milliarden flossen aus dem Corona-Topf, um die Staaten der Europäischen Union beim Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie zu unterstützen....

DWN
Finanzen
Finanzen Estateguru-Desaster: Deutsche Anleger warten auf 77 Millionen Euro – Rückflüsse stocken, Vertrauen schwindet
10.05.2025

Immobilien-Crowdfunding in der Vertrauenskrise: Estateguru kann 77 Millionen Euro deutscher Anleger bislang nicht zurückführen – das...