Politik

Ende mit Grauen: Die Abwicklung der Euro-Zone hat begonnen

Die Euro-Retter haben sich auf einen Deal mit Griechenland geeinigt. Er ist eine vollständige Kapitulation Griechenlands und der EU. Denn nach den beispiellos hässlichen Szenen vom Wochenende kann mit diesen Politikern keine politische Union entwickelt werden. Die EU und der Euro werden sich aufspalten. Der endgültige Bruch ist nur eine Frage der Zeit.
13.07.2015 02:35
Lesezeit: 3 min

Viele langjährige internationale Beobachter sind sprachlos: Solch hässliche Szenen wie bei der Griechen-„Rettung“ haben sie in Jahrzehnten nicht gesehen. Paul Krugman schreibt in der New York Times, dass die Demütigung der Griechen auf groteske Weise alle Werte betrogen hat, für die die EU als Projekt einmal stand.

Erst am frühen Morgen des Montag gab es eine Einigung. Der Gipfel war der längste in der Geschichte der EU. Er war auch die schlimmste Offenbarung, wozu die Mischung von Inkompetenz und Opportunismus führt, wenn sie die treibenden Kräfte in der Politik werden.

Doch eine Erkenntnis hat der Gipfel in schonungsloser Weise gebracht, die weit über die ungelösten Probleme Griechenlands hinausgeht: Die EU in ihrer gegenwärtigen Form ist am Ende. Die Demokratie ist nur noch eine Randerscheinung. Das griechische Parlament muss eine Entscheidung durchpeitschen. Es fehlt die Zeit, die Gesetze ordentlich zu formulieren. Noch nie haben andere Staaten einem EU-Mitglied ein Ultimatum gestellt, wie und bis wann ein Parlament zu entscheiden habe.

Die Syriza-Regierung dürfte zerbrechen und im Falle von Neuwahlen durch eine Technokraten-Regierung ersetzt werden.

Die oktroyierte Wirtschaftspolitik wird die griechische Wirtschaft zerstören. Die griechischen Banken werden teilweise zusammenbrechen. Viele Sparer werden ihre Guthaben verlieren.

Die Folgen für die anderen Euro-Staaten kann man sich leicht ausmalen: Jeder, der jetzt noch in Italien, Spanien oder Portugal sein Geld auf der Bank liegen lässt, riskiert den Totalverlust. Aus der griechischen Banken-Panik kann in Sekunden eine europäische Banken-Panik werden. Eine solche ist nicht beherrschbar, schon gar nicht von den inkompetenten Euro-Rettern.

Das Rezept der „Rettung“ Griechenlands besteht in dem wahnwitzigen Ansatz, noch mehr Austerität zu verordnen. Das hat schon in den vergangenen fünfeinhalb Jahren nicht funktioniert. Aber nicht ein einziger der Euro-Retter hatte den Mut oder die Fantasie, den prinzipiellen Kurs in Frage zu stellen.

Die Solidarität in der EU ist erodiert. Es herrscht der blanke Egoismus. Das Flüchtlingsdrama wird der nächste Schauplatz des verheerenden Scheiterns in einem politischen Konstrukt sein, in dem alle an den Vorteilen mitnaschen wollen, jedoch keiner bereit ist, die Schwachen zu stützen - wenn er selbst dazu einen konkreten Beitrag leisten muss. Anstelle der gemeinsamen Werte ist der Kampf Jeder gegen Jeden getreten.

Angela Merkel und vor allem Wolfgang Schäuble haben die EU über Nacht in ein Gebilde verwandelt, das nicht mehr vom Vertrauen zusammengehalten wird, sondern nur von der nackten Angst.

Die Euro-Skeptiker in den einzelnen Ländern werden weiter massiven Zulauf erhalten: Podemos in Spanien, Grillo in Italien und vor allem Le Pen in Frankreich. Wie sehr sie die EU blockieren können, hat man an Finnland gesehen.

Das Vertrauen ist verloren gegangen, hat Angela Merkel gesagt. Da hat sie absolut recht. Doch Vertrauen ist die Grundlage einer gemeinsamen Währung. Der Euro ist nicht unumkehrbar. Die mörderische Aggression im Streit mit Griechenland kommt daher, dass es keine rechtlichen Regeln gibt, geordnet aus dem Euro auszusteigen. Er erweist sich jetzt als Zuchtrute für alle Völker, die ihm angehören. Die Demokratie wurde mit Bankenschließungen ausgeschaltet. Die Freiheit, die mit der Kredit-Orgie vorgegauket wurde, entpuppt sich als Gefängnis.

Mit einer Einigung mit Griechenland beginnt der Schrecken erst richtig – für Griechenland und für Europa. Am Ende wird der Bruch stehen: Entweder die Südstaaten gründen eine neue Union, aber Deutschland tritt aus. George Soros hatte dies bereits vor Jahren empfohlen, er wird recht bekommen.

Die chaotische Abwicklung der Euro-Zone wird gewaltige Summen kosten. Der Lebensstandard wird in keinem der EU-Länder zu halten sein. Der private Sektor wird ausgehöhlt. Was bleibt, ist eine Zwangsherrschaft von staatlichen Einzel-Interessen. Das Zusammenleben in Europa wird nicht mehr von Verträgen bestimmt, sondern vom Recht des Stärkeren.

Angela Merkel ist, wie Gregor Gysi prophezeit hat, zur Zerstörerin des Euro geworden. Denn alle Euro-Staaten sind mehr oder weniger „pleite“, wenn man die Maßstäbe des Fiskalpakts anlegt. Die Summen, die noch vernichtet werden, werden ein Vielfaches dessen sein, was das Griechenland-Desaster kostet. Wir werden soziale Unruhen, Aufstände und Gewalt sehen. Erste Vorboten sehen wir bereits in den Feindseligkeiten gegenüber Muslime, die spürbar zugenommen haben. Wir werden, als Reaktion darauf, mehr staatliche und mehr finanzielle Repression sehen.

Das einzig Positive an dem unwürdigen Schauspiel: Die Regierungen sind moralisch zu leer und finanziell so klamm, dass sie nicht mehr mit Waffen aufeinander losgehen können. Für einen „heißen“ Krieg in Europa reicht es bein keinem.

Doch schon auch der Kalte Krieg, der mit dem Streit um Griechenland ausgerufen wurde, ist abstoßend genug. Der Rest ist Grauen.

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