Finanzen

Europas Rüstungsindustrie überholt die USA: Boom bei Verteidigungsausgaben lässt Rüstungsaktien steigen

Europas Rüstungsindustrie wächst rasant, angetrieben von höheren Verteidigungsausgaben und neuen EU-Investitionsprogrammen. Besonders Rüstungsaktien deutscher, italienischer und spanischer Unternehmen stehen im Fokus. Welche von ihnen bieten die größten Chancen für Anleger?
28.10.2025 13:05
Lesezeit: 4 min
Europas Rüstungsindustrie überholt die USA: Boom bei Verteidigungsausgaben lässt Rüstungsaktien steigen
Europas Rüstungsindustrie boomt: Rüstungsaktien von Rheinmetall, Leonardo und Indra bieten hohes Wachstumspotenzial (Foto: dpa) Foto: Julian Stratenschulte

Rüstungsaktien im Höhenflug: Europas Verteidigungsindustrie erlebt einen Boom

Europas führende Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall, Leonardo und Indra Sistemas profitieren von einem Investitionsboom, der Rüstungsaktien auf neue Rekordstände treibt. Milliardenschwere Aufträge aus Deutschland und Polen befeuern die Branche und versprechen weiteres Wachstum in den kommenden Jahren. Für Anleger bieten europäische Rüstungsaktien damit attraktive Chancen in einem politisch und wirtschaftlich relevanten Sektor.

Laut einem aktuellen Bericht des Maklerhauses Trigon Brokerage House haben neben diesen drei Spitzenreitern sieben weitere europäische Rüstungsfirmen hohes Wachstumspotenzial. Trotz der jüngsten Kursgewinne sehen die Analysten noch erheblichen Spielraum nach oben, da zahlreiche europäische Staaten ihre Verteidigungsausgaben massiv ausweiten wollen.

Deutschlands Milliardenoffensive kurbelt Rüstungsaktien an

Ein zentraler Wachstumstreiber ist Deutschlands Plan, in den kommenden fünf Jahren rund 650 Milliarden Euro in die Streitkräfte zu investieren. Damit soll ein Verteidigungsniveau von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht werden. Polen plant bis 2026 eine Quote von 5 Prozent des BIP, was den höchsten Wert innerhalb der EU und der NATO darstellt.

Allein 2026 fließen 108 Milliarden Euro aus dem deutschen Staatshaushalt in den Verteidigungssektor. Hinzu kommen Mittel aus dem EU-Programm SAFE (Security Action for Europe) in Höhe von 150 Milliarden Euro.

„Der Verteidigungssektor gehört neben der Energiewende zu den Branchen, die in den kommenden Jahren keine Nachfragesorgen haben werden“, erklärte Trigon-Analyst Łukasz Rudnik gegenüber dem Wirtschaftsdienst Puls Biznesu. „Er ist weniger abhängig von der allgemeinen Konjunktur als etwa die Bau- oder Autoindustrie.“

Europäische Rüstungsaktien mit Bewertungsabschlag

Nach Einschätzung der Trigon-Experten sind europäische Rüstungsaktien im Vergleich zu ihren US-Pendants niedriger bewertet und bieten daher mehr Aufwärtspotenzial. Staatliche Aufträge und EU-Förderprogramme treiben die Nachfrage.

Besonders starkes Potenzial sehen die Analysten in Deutschland, wo das Haushaltsdefizit gering und die Staatsverschuldung im europäischen Vergleich niedrig ist. Auch in Skandinavien wird weiteres Wachstum erwartet. Skeptischer äußert sich Rudnik zu Frankreich und Großbritannien, wo fiskalische Anreize für Verteidigungsinvestitionen schwieriger umzusetzen seien.

Mitautor Piotr Chodyra betont, dass die Auftragsbestände der großen Konzerne das Zwei- bis Achtfache ihres Jahresumsatzes betragen. Das verdeutliche die wachsende Nachfrage und die stabilen Aussichten der Branche.

Im vergangenen Jahr erzielten die 20 größten europäischen Verteidigungsunternehmen eine durchschnittliche Aktienrendite von 94 Prozent, verglichen mit 30 Prozent bei US-Firmen. Rudnik führt den Unterschied auf frühere Unterinvestitionen in Europa zurück.

Das größte Risiko sehen die Analysten in der Abhängigkeit von China bei kritischen Rohstoffen. Die gesamte Wertschöpfungskette seltener Erden ist dort konzentriert. Ohne chinesische Technologie seien Europas Möglichkeiten begrenzt, was Investitionen und Lieferungen verzögern könne.

Sechs Argumente für Investitionen in europäische Rüstungsaktien

Analysten formulieren sechs zentrale Thesen für ein Engagement im europäischen Rüstungssektor:

  • Europäische Beschaffung stärken: Deutschland reduziert den Anteil US-amerikanischer Ausrüstung deutlich. Von 154 großen Beschaffungsprojekten in den Jahren 2025 und 2026 gehen nur 8 Prozent an US-Lieferanten.

  • Rasantes Wachstum der Ausgaben: Europas Staaten investieren inzwischen 31 Prozent ihrer Verteidigungsbudgets in Ausrüstung. Die jährlichen Ausgaben stiegen von durchschnittlich 52 Milliarden Dollar (2015–2019) auf 97 Milliarden (2020–2024) und sollen bis Jahresende 179 Milliarden erreichen. Für 2033 wird ein weiterer Anstieg auf 290 Milliarden erwartet.

  • Deutschlands „Bazooka“-Paket: Die Bundesregierung plant, 650 Milliarden Euro bereitzustellen, um die Bundeswehr zur stärksten Armee Europas zu machen. Für 2026 ist ein Etat von 108 Milliarden vorgesehen, die Ausgaben für Ausrüstung könnten bis zu 30 Prozent des Verteidigungshaushalts ausmachen.

  • Impuls durch den SAFE-Fonds: Das Programm „ReArm Europe“ soll bis 2030 über 800 Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen mobilisieren, insbesondere für Munition, Drohnen und Luftverteidigung. Die ersten 150 Milliarden fließen Anfang nächsten Jahres.

  • Fokus auf Cyber- und Weltraumsicherheit: Neue Konflikte zeigen die wachsende Bedeutung technologischer Überlegenheit. Cyberabwehr und Satellitensysteme stärken Europas Souveränität.

  • Preisvorteil gegenüber den USA: Europäische Rüstungsfirmen sind im Schnitt rund 20 Prozent günstiger bewertet als US-Unternehmen. Für 2026 wird ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 26 erwartet, verglichen mit 31 in den USA.

Die drei attraktivsten Rüstungsaktien Europas

Rheinmetall (RHMG.DE): Rheinmetall dominiert den europäischen Markt für Heeresausrüstung. Zu den Hauptprodukten zählen Panzer, Waffen und Munition, die aufgrund der hohen Nachfrage nach Kampffahrzeugen und Artillerie besonders gefragt sind. Das Unternehmen erweitert zudem seine Aktivitäten in Hochtechnologiebereiche wie Luftabwehr, Drohnen, künstliche Intelligenz und elektronische Kriegführung.

Mit einem Rekordauftragsbestand von 63 Milliarden Euro erwartet Rheinmetall in den Jahren 2024 bis 2026 ein EBITDA-Wachstum von rund 40 Prozent. Risiken ergeben sich aus der hohen Bewertung (KGV 43,2), möglichen Engpässen bei der Produktionsausweitung sowie Lieferproblemen bei Stahl, Sprengstoffen und Halbleitern.

Leonardo (LDOF.MI): Der italienische Konzern Leonardo zählt zu Europas führenden Anbietern im Bereich Drohnen und Abwehrsysteme. Mit strategischen Beteiligungen an Unternehmen wie Hensoldt, Avio und Thales Alenia verfügt Leonardo über ein breites technologisches Portfolio.

Der Auftragsbestand beträgt rund 45 Milliarden Euro, etwa das 1,6-Fache des Jahresumsatzes. Für die Jahre 2024 bis 2026 erwarten Analysten ein EBITDA-Wachstum von 14 Prozent und eine Margensteigerung auf 6 Prozent. Risiken liegen in regulatorischen Beschränkungen, insbesondere bei Exportlizenzen und US-Regularien.

Indra Sistemas (IDR.MC): Das spanische Unternehmen ist stark in den Bereichen Cyberabwehr, Radar- und Satellitentechnik positioniert. Bis 2026 soll der Anteil der Verteidigungs- und Raumfahrtsparte über 60 Prozent des Gesamtgewinns ausmachen.

Indra verfügt über einen Auftragsbestand von 9,5 Milliarden Euro und nahezu schuldenfreie Finanzen. Analysten erwarten für 2024 bis 2026 ein jährliches EBITDA-Wachstum von 21 Prozent. Mit einem KGV von 17 sind die Aktien deutlich günstiger als die der Konkurrenz.

Weitere aussichtsreiche Rüstungsaktien in Europa

Zu den weiteren attraktiven Rüstungsfirmen zählen unter anderem Dassault Aviation, Exail Technologies, Exosens, Kongsberg Gruppen, Saab, Thales und Theon International. Diese Unternehmen decken ein breites Spektrum von Drohnen über Marine- und Luftabwehrsysteme bis hin zu optoelektronischer Technologie ab und profitieren von den massiven europäischen Investitionsprogrammen.

Chancen und Herausforderungen für deutsche Rüstungsaktien

Der europäische Rüstungsboom eröffnet vor allem deutschen Unternehmen enorme Chancen. Rheinmetall profitiert direkt von der massiven Aufstockung des Bundeswehrhaushalts und der EU-weiten Beschaffungspolitik. Gleichzeitig bleibt die Abhängigkeit von chinesischen Rohstoffen eine strategische Schwachstelle.

Für Deutschland bedeutet dies, dass eine langfristige Sicherung der Lieferketten ebenso entscheidend wird wie die technologische Weiterentwicklung der heimischen Industrie. Europas wachsende Verteidigungsautonomie könnte dabei nicht nur sicherheitspolitisch, sondern auch wirtschaftlich ein entscheidender Vorteil sein.

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