Politik

Mächtigste Bank der Welt legt Mandat zur Rettung der Weltwirtschaft zurück

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) räumt in ihrem Jahresbericht ein, dass die Politik des billigen Geldes gescheitert ist. All die Billionen hätten kein Wachstum in der Realwirtschaft erzeugt. Die Zentralbanken können die Wirtschaft nicht retten. Die Regierungen der Welt müssen nun die Krise lösen.
22.07.2015 23:43
Lesezeit: 3 min

Im November 2008 begann die Federal Reserve in den USA damit, Wertpapiere in Milliardenumfang aufzukaufen, um den Markt nach der Pleite von Lehman Brothers zu stabilisieren. Später kaufte die Fed auch US-Staatsanleihen auf und senkte die Leitzinsen auf ein Rekordtief von null bis 0,25 Prozent. Damit löste sie ein weltweites Abwertungsrennen aus, denn über die Weltwährung Dollar exportierte die Fed die negativen Effekte ihrer Geldpolitik in andere Staaten. Als Folge dessen haben allein zwischen dem 1. Januar und dem 12. März 2015 insgesamt 20 Notenbanken ihre Leitzinsen gesenkt. Zuletzt trat auch China in diesen Währungskrieg ein. Die chinesische Zentralbank lockerte ihre Geldpolitik in teilweise leichtsinniger Weise und entfachte damit eine kreditgetriebene Aktienhausse, die im größten Kurseinbruch seit 20 Jahren endete.

Die in Basel ansässige Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) gilt als die „Zentralbank der Zentralbanken“. Sie wurde 1930 ursprünglich dafür gegründet, die deutschen Reparationszahlungen nach dem Ersten Weltkrieg abzuwickeln. Heute vernetzt die BIZ die Notenbanken aus aller Welt miteinander und verwaltet in ihrem Auftrag Teile der globalen Goldreserven. In ihrem 85. Jahresbericht analysiert die Institution die Lage des globalen Finanzsystems sieben Jahre nach der Krise. Ein ganzes Kapitel widmet die BIZ dabei den Mängeln des internationalen Währungs- und Finanzsystems. Statt ein nachhaltiges und ausgewogenes Wachstum der Weltwirtschaft zu fördern, bestehe die Gefahr, dass dieses System das Wachstum untergrabe.

Die lockere Geldpolitik der Notenbanken habe kein nennenswertes Wachstum in der Realwirtschaft erzeugt, schreiben die Autoren des Berichts weiter. Über die Wechselkurse und den Kapitalverkehr wurden die lockeren Rahmenbedingungen dazu auf Länder übertragen, die sie überhaupt nicht brauchten und habe dort den Aufbau finanzieller Schwachstellen gefördert. Die weltweit extrem niedrigen Zinsen seien Anzeichen „einer größeren Malaise“. Angesichts der langen Niedrigzinsphase spricht die BIZ sogar von einer „außergewöhnlich langen Stagnation“ und warnt vor einem Teufelskreis immer weiter fallender Zinssätze.Auf längere Sicht könnte dies den Finanzsektor schwächen und zu einer dauerhaften Abhängigkeit von Schulden führen.

„Das offensichtlichste Symptom dieser Malaise sind die immer noch extrem niedrigen Zinssätze. Sie sind seit außerordentlich langer Zeit außerordentlich niedrig, und zwar nach allen Maßstäben. Überdies sind die negativen Renditen an einigen Märkten für Staatsanleihen schlicht beispiellos und dehnen die Grenzen des Undenkbaren“, sagte Claudio Borio, Leiter der Währungs- und Wirtschaftsabteilung der BIZ, bei der Präsentation des Jahresberichts. Die Zentralbanken würden auf der Suche nach gesicherten Erkenntnissen völlig im Dunkeln tappen. Die Zinssätze zeigten in aller Deutlichkeit, wie der Geldpolitik mit der Aufgabe, das Wachstum anzukurbeln, zu viel aufgebürdet wurde.

In ihrem Versuch die Schwäche der Weltwirtschaft zu überwinden, sind die Notenbanken mittlerweile selbst zu den größten Akteuren auf den globalen Aktienmärkten geworden. Dies belegt eine Studie des Forschungsinstituts OMFIF, einer internationale Forschungs- und Beratergruppe. Die Studie wurde im Juni 2014 vorgestellt und zeigt auf, dass die globalen Zentralbanken und andere öffentliche Institutionen bis dahin 29,1 Billionen US-Dollar in Aktien und Rohstoffe investiert haben. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die öffentlichen Institutionen aus Renditemangel zu großen Marktteilnehmen an den internationalen Börsen mutiert sind und dass dies „potentiell zu überhitzen Preisentwicklungen in Aktien beitragen könne“.

„Es bestehen Anzeichen dafür, dass sich in den letzten Jahren finanzielle Ungleichgewichte aufgebaut haben. Und sollte es tatsächlich zu Anspannungen kommen, wären ihre Auswirkungen auf die übrige Welt viel stärker als früher, da die aufstrebenden Volkswirtschaften inzwischen erheblich an Gewicht gewonnen haben“, so Borio.

Die Warnung der BIZ kommt zu einem Zeitpunkt, da sich das Wachstum der Weltwirtschaft spürbar abkühlt. In den USA, China, Japan und den BRICS zeichnet sich ein Ende des scheinbar grenzenlosen Wachstums ab. Nur der tiefe Ölpreis konnte diese negativen Effekte bisher kaschieren. „Der Ölpreisverfall hat alles in allem das Wachstum der Weltwirtschaft gefördert und vorübergehend den Abwärtsdruck auf die Preise verstärkt - ein echter Glücksfall“, so Borio weiter. Doch die Schuldenstände und finanzielle Risiken seien nach wie vor zu hoch, das Produktivitätswachstum zu niedrig, und der wirtschaftspolitische Handlungsspielraum zu klein. Trotz der erzielten Fortschritte tue sich die Weltwirtschaft weiterhin schwer damit, die seit der Krise andauernde Schwäche zu überwinden.

„Sieben Jahre nach der weltweiten Finanzkrise bleibt der Maßnahmen-Mix sehr unausgewogen. Es wird weiterhin zu sehr auf monetäre Impulse abgestellt, während die Fortschritte bei strukturellen Reformen nach wie vor unzureichend sind“, sagte Jaime Caruana, Generaldirektor der BIZ, bei der Vorstellung des Berichts in Basel.

In einem Reuters-Interview warnte der Chef-Volkswirt der BIZ, der Südkoreaner Hyun Song Shin, vor neuen Turbulenzen auf den Finanzmärkten. Diesmal könnte der Auslöser jedoch nicht bei den Großbanken, sondern bei Pensionsfonds oder Vermögensverwaltern liegen. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte jüngst vor den Systemrisiken der Pensionsfonds. Während sich die Banken nach der letzten Finanzkrise strengeren Regeln unterwerfen mussten, investieren die als konservativ geltenden Pensionsfonds in immer riskantere Anlageklassen. Die niedrigen Zinsen hätten diese Entwicklung noch einmal beschleunigt, da sie ein aggressives Renditestreben fördern.

„Aktuell sieht alles zwar sehr gut aus, aber es baut sich möglicherweise ein schmerzhafter und sehr zerstörerischer Umschwung auf“, so der BIZ-Ökonom. Die Folgen sind nicht absehbar. „Wir betreten hier bis dato völlig unbekanntes Terrain“, so Shin.

Die BIZ-Ökonomen plädieren für eine dreifache Neuausrichtung der Weltwirtschaft. Sie schlagen vor, sich von der „illusorischen Feinsteuerung“ der Gesamtwirtschaft auf kurze Sicht zu verabschieden und stattdessen mittelfristige Strategien zu verfolgen. Außerdem sollte sich die Wirtschaftspolitik weniger stark auf die kurzfristige Produktion und Inflation fokussieren und sich stattdessen stärker auf die langsamer verlaufenden Finanzzyklen konzentrieren. Schließlich müssten die Nationalstaaten einsehen, dass es heute nicht mehr genüge, das eigene Haus in Ordnung zu halten. Eine Neuausrichtung müsse sich der kostspieligen Wechselwirkungen rein nationaler ausgerichteter Maßnahmen bewusst sein.

„Wichtiger denn je ist es, die kurzfristige Sicht durch eine längerfristige zu ersetzen. Die Finanzmärkte haben die Reaktionszeiten verkürzt, und die politischen Entscheidungsträger jagten den Finanzmärkten in immer kürzerem Abstand hinterher - eine zunehmend enge, sich selbst genügende Beziehung.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Droht neue Schuldenkrise? Deutschland erhöht die Verschuldung – Südeuropa bangt um Stabilität
29.03.2025

Die geplante massive Ausweitung des deutschen Haushalts hat Auswirkungen auf ganz Europa. Besonders betroffen sind hochverschuldete...

DWN
Finanzen
Finanzen Initiative treibt digitales Bezahlen in Deutschland voran
29.03.2025

Beim Einkaufen gewinnen digitale Bezahlverfahren zunehmend an Beliebtheit. Doch nicht alle Händler in Deutschland bieten bereits digitales...

DWN
Finanzen
Finanzen KI-ETF-Vergleich: Wie Anleger in künstliche Intelligenz investieren können
29.03.2025

Künstliche Intelligenz (KI) ist längst keine Science-Fiction mehr, KI ist ein zentraler Treiber der modernen Wirtschaft. Von diesem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Schleichende Deindustrialisierung: Ist „Made in Germany“ am Ende?
29.03.2025

Was passiert, wenn der deutsche Industriestandort zusammenbricht? Ein Land ohne Produktion – das bedeutet Massenarbeitslosigkeit,...

DWN
Panorama
Panorama Fast 14 Millionen profitieren von der Pendlerpauschale - kommt die Erhöhung?
29.03.2025

Die in den aktuellen Koalitionsverhandlungen kontrovers diskutierte Pendlerpauschale – auch als Entfernungspauschale bekannt – wird...

DWN
Politik
Politik Demokraten in der Zerreißprobe: Wie besiegt man Trump?
29.03.2025

Eine Partei im Zwiespalt: Die Demokraten suchen nach einer Strategie. Während einige sich offen gegen Trump stellen, wollen andere...

DWN
Politik
Politik YouGov-Umfrage: AfD fährt höchsten Wert aller Zeiten ein
29.03.2025

Laut zwei aktuellen Wahlumfragen kann die AfD ihren Abstand zur CDU/CSU weiter verringern. Die Partei fährt bei einer YouGov-Umfrage ihren...

DWN
Finanzen
Finanzen Großer Goldfund in Finnland: Neue Goldmine in Lappland geplant
29.03.2025

Inmitten der weiten Landschaft Lapplands könnte schon bald eine neue Goldmine entstehen. Der kanadische Bergbaukonzern Rupert Resources...