Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) schlägt vor, die griechischen Staatsschulden von 300 Milliarden Euro in der Euro-Zone zu vergemeinschaften und damit langfristig für das Land tragfähig zu gestalten. In einer am Dienstag veröffentlichten IW-Studie schlugen die Forscher vor, die Schulden weitgehend auf den Euro-Rettungsschirm ESM zu übertragen, die Rückzahlung um 20 Jahre zu verschieben und Zinsen weiter zu stunden. Zusammen mit einer Sanierung des Staatshaushaltes und Reformen könnte damit die Schuldenquote von 200 Prozent auf rund 100 Prozent im Jahr 2040 gesenkt werden, schlägt das Institut vor. Dann wäre die Rückkehr zum Kapitalmarkt zu bezahlbaren Bedingungen möglich.
Eine Übernahme griechischer Schulden durch den ESM würde die Möglichkeit eröffnen, die Kreditbedingungen flexibler zu gestalten. So könnte der ESM für länger laufenden Staatsanleihen Griechenland Kredite geben, damit das Land diese vorzeitig zurückkauft. Auch Darlehen, die ein anderer Staat Griechenland gewährt hat, könnten auf den ESM überführt werden, um damit leichter an Zinsen, Laufzeiten und tilgungsfreien Zeiten drehen zu können.
Der Bundestag stimmt am Mittwoch über das dritte Griechenland-Kreditpaket ab. Über Schuldenerleichterungen wird allerdings erst später entschieden.
Mit der Studie des IW wird jedoch erstmals deutlich, dass auch Deutschland dem vom IWF geforderten Schuldenschnitt nicht im Wege stehen dürfte. Die Vergemeinschaftung sämtlicher Staatsschulden im ESM ist ein vergleichsweise radikaler Vorschlag. Denn die vom IW als "Reformen" bezeichneten Maßnahmen werden in Griechenland nicht dazu führen, dass die Wirtschaft wächst. In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass das IW die Vergemeinschaftung der Schulden an eine "strikte Überwachung" der "Reformschritte" durch die Euro-Retter knüpft. Was allerdings geschieht, wenn die Maßnahmen zwar umgesetzt werden, sich jedoch - wie in den vergangenen fünf Jahren - als schlicht falsch erweisen, erklärt das IW nicht.
Das Problem an der Betrachtung des IW: Die Darstellung ist ab 2015 sehr positiv und unterstellt, dass die Maßnahmen, die die Troika für Griechenland verlangt, umgesetzt werden und auch tatsächlich greifen. Alle Beobachter gehen davon aus, dass dies nicht funktioniert.
In der Vergangenheit ist dies nämlich nicht die der Fall gewesen - alle Betrachtungen mussten nach unten revidiert werden, obwohl die Schwesterparteien der CDU und der SPD an der Macht gewesen sind und nicht die Syriza. Sowohl der IWF als auch die EU-Kommission, auf deren Zahlen die IW-Berechnungen basieren, sind stets daneben gelegen. Der IWF musste seine Zahlen faktisch laufend korrigieren und hat nach Ansicht des Harvard-Ökonomen Dani Rodrik durch seinen falschen Optimismus die Lage in Griechenland verschärft.
Die Mitteilung des IW im Wortlaut:
Die IW-Schuldentragfähigkeitsanalyse macht vor allem eines deutlich: Griechenland braucht Zeit. Erst, wenn die Staatsverschuldung bei nur noch rund 100 Prozent des BIP liegt, kann das Land verlässlich an den Kapitalmarkt zurückkehren. Diese Schwelle wird laut IW auch bei gutem Wirtschaftswachstum erst um das Jahr 2040 erreicht – aber selbst dann nur, wenn Griechenland seine Hausaufgaben macht (Grafik). Ganz zentral, so IW-Experte Jürgen Matthes, sei künftig die Rolle des Rettungsschirms ESM: „Die Kredite an Griechenland sollten bei ihm gebündelt werden. Er hat eine hohe Bonität und damit günstige Finanzierungsbedingungen, die er weitergeben kann.“ Auf dieser Basis ließe sich die Schuldenrückzahlung der ESM-Kredite um die nötigen 20 Jahre hinausschieben. Um Verluste für die europäischen Steuerzahler zu verhindern, müsste Griechenland indes weiterhin die Zins- und Verwaltungskosten des ESM tragen.
Obwohl das IW Köln in der Analyse zeigt, wie Griechenlands Zukunft finanziell gestaltet werden kann, spart es nicht mit Kritik an der griechischen Regierung. Jüngst habe Premier Tsipras zwar viele Zugeständnisse gemacht. „Es darf aber nicht vergessen werden, dass die griechische Regierung die krisenhafte Entwicklung in diesem Jahr in Kauf genommen hat“, sagt Matthes. Entsprechend dürften die neuen Kredite nur in Tranchen ausgezahlt werden, während die Reformfortschritte strikt überwacht werden. Auch nachdem alle Gelder ausgezahlt wurden, müsse der Druck auf die Regierung bestehen bleiben. Dafür solle die Währungsunion glaubhaft mit Sanktionen bei Reformverweigerung drohen. Das IW Köln nennt dafür unter anderem die Möglichkeiten, Gelder aus dem EU-Strukturfonds für Griechenland zu sperren, dem Land Stimmrechte in wichtigen EU-Gremien zu entziehen oder – als letzte Eskalationsstufe – durch die Feststellung eines Staatsbankrotts die Bankenrefinanzierung durch die EZB zu stoppen.