Politik

Putin setzt sich durch: USA akzeptieren Eingreifen Russlands in Syrien

Die russische Initiative, in Syrien gemeinsam mit den Amerikanern gegen den IS zu kämpfen, findet nun doch die Zustimmung der USA. Dies bezieht sich zunächst nur auf den militärischen Bereich. Doch auch die Tage von Syriens Präsident Assad könnten gezählt sein. Tragisch für alle Kriegsopfer und Vertriebenen: Die Russen hatten dem Westen bereits 2012 einen Plan für Syrien präsentiert. Er wurde jedoch von der Allianz in einer völlig Fehleinschätzung der Lage abgelehnt.
17.09.2015 00:28
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Russlands Präsident Wladimir Putin scheint sich in der Frage einer militärischen Intervention Russlands durchgesetzt zu haben: Die USA und Russland erwägen nun ein gemeinsames militärisches Vorgehen gegen die Terrormiliz IS in Syrien. Im Gespräch seien Absprachen auf militärischer Ebene, sagte US-Außenminister John Kerry am Mittwoch beim Treffen mit seinem südafrikanischen Kollegen Maite Nkoana-Mashabane. Der Vorschlag kam nach Kerrys Angaben von russischer Seite.

Die Amerikaner mussten sich sicherlich überwinden, diesen Schritt zu gehen – schließlich hatten ihnen die Russen in Syrien zu Beginn der Krise die Schau gestohlen und verhindert, dass es zu einer breiten Militäraktion der Amerikaner gegen Präsident Baschar al-Assad kommt. Die Reputation der Russen stieg danach noch einmal deutlich, als unter Vermittlung Moskaus die syrischen Chemiewaffen vernichtet wurden.

Russland hatte bereits vor einigen Wochen damit begonnen, sowohl eine militärische als auch eine diplomatische Initiative in Syrien zu ergreifen.

Es war lange unklar, ob diese Initiative mit der US-Regierung abgesprochen gewesen ist. US-Präsident Barack Obama soll nach Informationen von Robert Parry von Consortiumsnews die Russen sogar ermuntert haben, sich militärisch zu beteiligen. Tatsächlich kann Russland, so Parry, den Amerikanern in Syrien entscheidend helfen, ihre nationalen Interessen durchzusetzen.

Die nunmehrige Aussage von Kerry bestätigt, was der russische UN-Botschafter Vitali Tschurkin dem US-Sender CBS sagte: Dass es nämlich weitreichende Absprachen zwischen den USA und Russland geben dürfte. Tschurkin sagte, dass die USA nicht mehr auf einem Sturz von Syriens Präsident Baschar al-Assad bestehen, sondern alle Kräfte auf den Kampf gegen den IS konzentrieren wollen. Die Russen ihrerseits haben seit Längerem angedeutet, dass sie ihrerseits nicht auf dem Verbleib von Assad bestehen. Ironischerweise sind es ausgerechnet die Russen, die allerdings fordern, dass Assad nicht durch Druck von außen, sondern durch eine demokratische Wahl abgelöst werden soll. Passend dazu hat sich Assad selbst in mehreren Interviews in russischen Medien geäußert und gesagt, dass ein Präsident, wenn er abgewählt wird, sofort von der Bühne abtreten müsse.

Wie die militärische Kooperation zwischen den USA und Russland aussehen soll, ist noch völlig unklar. Die Russen verfolgen mit Sicherheit weitergehende Ziele. So berichtet die staatliche Nachrichtenagentur TASS, dass das russische Militär nicht ausschließen will, eine Luftwaffenbasis in Syrien zu errichten.

Die vermehrte Aktivität der Großmächte in Syrien könnte einerseits zu ungewollten Zwischenfällen zwischen den Großmächten führen. Zum anderen ist unklar, inwieweit von den immer neuen Waffenlieferungen auch radikale Gruppen an anderer Stelle profitieren: Israels Premier Benjamin Netanjahu hat angekündigt, nach Moskau zu reisen, um mit Russlands Präsident Wladimir Putin über die Lage zu sprechen. Das berichtet die Times of Israel. Israel hat sich aus Syrien bisher bewusst herausgehalten und fürchtet, dass neue Waffen in den Besitz der Hisbollah gelangen könnten, die unverändert eine erhebliche Bedrohung für den Norden Israels darstellt.

Für Tschurkin ist die Entwicklung in gewissen Weise eine persönliche Genugtuung: Russland hatte dem Westen bereits im Jahr 2012 angeboten, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zum Rücktritt zu bewegen. Dies erklärt der ehemalige finnische Präsident und Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari im Interview mit dem Guardian. Er war zu dieser Zeit in Hinterzimmergespräche involviert, die mit Vertretern der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats (USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China) stattfanden.

Am 22. Februar 2012 nahm Ahtisaari als Vermittler an einer solchen Gesprächsrunde teil. Dort habe er mit dem russischen Gesandten Vitali Tschurkin gesprochen, der ihm folgenden Drei-Punkte-Plan vorgeschlagen haben soll: „Erstens: Wir sollten der Opposition keine Waffen geben. Zweitens: Wir sollten sofort einen Dialog zwischen der Opposition und Assad einleiten. Drittens: Wir sollten einen eleganten Weg für Assad finden, um abzutreten.“ Es solle zu Friedensgesprächen zwischen Regierung und Opposition kommen und nach einer gewissen Zeit wäre Assad zurückgetreten, so der Vorschlag.

Ahtisaari hatte die Vertreter der USA, Großbritanniens und Frankreichs über den Vorschlag informiert. Doch der Westen sei so überzeugt gewesen, dass Assad sowieso nur noch wenige Wochen im Amt durchhalten würde, so Ahtisaari. Deshalb haben die westlichen Gesandten den Vorschlag ignoriert.

Es war eine Gelegenheit, die 2012 verlorenen gegangen ist“, so Ahtisaari über das Angebot aus Moskau. Die vergebene Chance hatte für das Land verheerende Folgen: Tausende Tote und Millionen Vertriebene mussten seither den Preis für eine falsche Einschätzung der Lage durch den Westen bezahlen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Nur noch fünf Minuten: Schlummertaste in Deutschland beliebt
01.06.2025

Mit der Schlummertaste kann man das Aufstehen verzögern. Ärzte raten davon ab, aber die Praxis ist gerade in Deutschland gängig....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gesundheitscheck vor der Einstellung: Rechte und Grenzen für Bewerber
01.06.2025

Ein Vorstellungsgespräch ist erfolgreich verlaufen, doch bevor der Arbeitsvertrag unterschrieben wird, fordert der potenzielle Arbeitgeber...

DWN
Technologie
Technologie SaaS ist tot – die Zukunft gehört der KI, nicht Ihrer Plattform
01.06.2025

Niemand will die Nutzung Ihrer Plattform lernen – Unternehmen wollen Ergebnisse. Künstliche Intelligenz ersetzt Tools durch fertige...

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...