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Deutschland bittet USA um Ende der Russland-Sanktionen

Lesezeit: 4 min
26.09.2015 14:55
Die Bundesregierung bekommt ein mulmiges Gefühl: Sie wurde von den Amerikanern in eine doppelte Falle gelockt. Mit den Russland-Sanktionen brachen die Exporte ein, mit dem Abgas-Skandal wird die wichtigste deutsche Branche angegriffen. Doch mehr als ein Hilferuf ist nicht möglich – Deutschland sitzt in der Falle.

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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat „angeregt" (so Reuters), dass die Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden mögen. Tatsächlich ist diese Anregung eine Bitte an die USA, die nach eigenen Angaben die EU erst dazu zwingen musste, bei den Sanktionen mitzugehen.

Gabriel sagt vordergründig, dass die Mitwirkung Russlands in Syrien nur erbeten werden könne, wenn man die Sanktionen aufhebe: „Jeder wird so klug sein zu wissen, dass man nicht auf der einen Seite Sanktionen dauerhaft aufrechterhalten und auf der anderen Seite darum bitten kann, zusammenzuarbeiten“, sagte Gabriel am Freitag in Berlin. Ein „anderes und besseres Verhältnis“ fange bei einer zweiten Gaspipeline an und ende bei der Aufhebung der Sanktionen gegen Russland. Die EU knüpft ein Ende der Strafmaßnahmen an eine vollständige Umsetzung des Minsker Friedensabkommens, das unter anderem eine Waffenruhe in der Ostukraine vorsieht. Diese wurde von den Rebellen weitgehend eingehalten. Die Regierung in Kiew dagegen versucht alles in ihrer Macht Stehende, die Lage anzuheizen. Gabriel sagte: „Der Konflikt um die Ukraine kann nicht das Verhältnis Deutschlands, Europas und der Vereinigten Staaten zu Russland so stark belasten, dass Russland als Partner in Syrien ausfällt.“

Doch Gabriel kommt spät mit seiner Bitte: Die Russen haben damit begonnen, in Syrien aktiv zu intervenieren und sind offenbar entschlossen, dies auch ohne Konsens mit den USA durchzuziehen - ihren nationalen Interessen folgend.

Gabriels Friedensworte haben mit der Ukraine gar nichts und mit Syrien nur insoweit etwas zu tun, als dass Deutschland völlig plan- und konzeptlos in eine Flüchtlings-Politik gestolpert ist, die jetzt eine Wirtschaftskrise am allerwenigsten brauchen kann. Denn eben erst hat die Bundesregierung versprochen, in einer einmaligen Bewährungsprobe Hunderttausende Arbeitsplätze in Deutschland für die Flüchtlinge zu schaffen. Die Auto-Konzerne, allen voran VW, werden auf die Kosten, die durch die Gerichtsverfahren und Strafen entstehen, durch den Abbau von Arbeitsplätzen kompensieren. Das ist die unerbittliche Logik der globalen Konzerne – zumal, wenn sie an der Börse notiert sind.

Und die Zeichen stehen auf Krise – doch nicht nur wegen der Flüchtlinge, sondern wegen der unendlichen Dämlichkeit von Volkswagen, die US-Regulatoren austricksen zu wollen.

In der Bundesregierung herrscht daher große Nervosität: Jeder weiß, dass der Abgasskandal von Volkswagen nachhaltigen, wirtschaftlichen Schaden verursacht: Der Informationsdienst Eurointelligence schätzt, dass der Schaden allein für VW bei 100 Milliarden Euro liegen könnte – größer als die Griechenland-Rettung. Die FT, selbst seit kurzem im Eigentum von Japanern, schießt aus allen Rohren. Es besteht Ansteckungsgefahr für die ganze deutsche Auto-Branche.

Die deutsche Auto-Branche ist seit Monaten geschwächt. Mit den Russland-Sanktionen haben die Amerikaner der wichtigsten deutschen Branche einen schweren Schlag versetzt. Die Export-Rückgänge betreffen auch die Automobilzulieferer. Das Herz des deutschen Mittelstandes ist in Gefahr.

Die Bundesregierung hat den Russland-Sanktionen zugestimmt und auf US-Druck ihre Verlängerung mitgetragen. Nun scheint jedoch keine Zeit mehr für politische Erwägungen. Denn der Volkswagen-Skandal zieht immer weitere Kreise – er hat zu einer weltweiten Hysterie gegen die deutsche Auto-Industrie geführt.

Daimler-Chef Dieter Zetsche sieht sich bereits gezwungen, auf Distanz zu gehen: „Wir halten uns grundsätzlich an die gesetzlichen Vorgaben und haben keinerlei Manipulationen an unseren Fahrzeugen vorgenommen“, sagte Zetsche der FAZ. Bei Mercedes-Benz gebe es darüber hinaus keine Funktion, die die Wirksamkeit der Abgasnachbehandlung unzulässig einschränke. Zugleich betonte der Konzernchef auf die Frage, ob alle Autohersteller Betrüger seien: „Klare Antwort: Nein!“.

Doch die Konkurrenz schläft nicht – und will weiter prüfen. In ihrer schwersten Stunde werden die deutschen Autobauer von so ziemlich allen verlassen, auf die man theoretisch hätte setzen können: Manipulierte Fahrzeuge des VW-Konzerns sollen in der Schweiz nicht mehr neu zugelassen werden. Das Schweizer Bundesamt für Straßen wolle den betroffenen Modellen die Typengenehmigung vorsorglich entziehen, bis Klarheit über mögliche Manipulationen bestehe, wie die Behörde am Freitag mitteilte. Bereits zugelassene Fahrzeuge dürften jedoch weiterhin auf Schweizer Straßen rollen.

In der Schweiz seien bis zu 180.000 Fahrzeuge von den Manipulationen betroffen. Dazu gehörten Modelle der Marken Audi, Seat, Skoda und Volkswagen der Baujahre 2009 bis 2014, die mit Dieselmotoren in den Ausführungen 1.2 TDI, 1.6 TDI und 2.0 TDI ausgerüstet sind. EURO6-Motoren der laufenden Produktion seien nicht betroffen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Ankauf von Autokredit-Verbriefungen von Volkswagen eingestellt. Es gebe zunächst eine Überprüfung, bevor endgültig entschieden werde, ob die VW-Schuldverschreibungen (ABS) aus dem Wertpapier-Ankauf-Programm der EZB ausgeschlossen würden, sagte eine mit der Sache vertraute Person am Freitag. Die Zeitung Die Welt berichtet unter Berufung auf Zentralbankkreise, dass die EZB sich zunächst ein Bild von den Auswirkungen der Affäre um manipulierte Abgaswerte auf die verbrieften Autokredite von VW machen wolle. Die Käufe in einer unübersichtlichen Lage vorübergehend auszusetzen, sei auch unter privatwirtschaftlichen ABS-Investoren ein übliches Vorgehen.

Die Finanzmärkte werden mit den Deutschen unbarmherzig sein: Denn allzu lange haben die Deutschen mit ihren Lobbyisten in Brüssel dafür gesorgt, dass die Italiener und Franzosen, die bei den Partikelfiltern eine bessere Technologie haben, das Nachsehen hatten. Kein Wunder, dass etwa Fiat die Gelegenheit sieht, sich zu rächen. Die italienische Confindustria hat bereits vor Jahren gegen die Deutschen Stimmung gemacht, weil diese ihre Macht bei der EU ausnützen, um den deutschen Autobauern Vorteile zu verschaffen.

Besonders bemerkenswert ist, dass die Regierung jetzt so tut, als seien sie und VW zwei voneinander unterscheidbare Dinge: VW ist ein Staatskonzern, der sich über die Bundesregierung in Brüssel eigene Vorschriften und Gesetze hat machen lassen. Sigmar Gabriel hat als bezahlter Lobbyist für Volkswagen gearbeitet. Sein Aufgabengebiet: Einflussnahme bei der EU zur Gestaltung von Vorschriften. Zuvor war er im Aufsichtsrat des Unternehmens gesessen. Immer noch sitzt sein Parteikollege, der niedersächsische Ministerpräsident, im Aufsichtsrat.

Nun will also Sigmar Gabriel die Amerikaner bitten, sie mögen bei Wladimir Putin um Gnade betteln – um zu retten, was zu retten ist. Doch dies wird nicht geschehen. Die Bundesregierung sitzt in der Falle. Sie ist zerstritten. Selbst die freundliche Bitte Gabriels wird sofort von einem CDU-Mann abgeblockt. Allerdings ist Merkels engster Vertrauter erstaunlich weich gegenüber den Russen. Es wird alles nichts helfen. Die Deutschland-AG hat im geopolitischen Kräftemessen kein Gewicht. Amerikaner und Russen werden den Deutschen den Auspuff zeigen.


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