Nach dem Treffen von US-Präsident Barack Obama und Russlands Staatschef Wladimir Putin sprechen sich beide Länder im Syrien-Konflikt wie erwartet militärisch ab. Führende Kräfte im Verteidigungsministerium würden Unterredungen mit den Russen aufnehmen, sagte Sprecher Peter Cook am Dienstag in Washington. Ziel sei, Personal zu schützen sowie «Fehleinschätzungen» zu vermeiden. «Wir wollen nicht, dass ein Unfall passiert», sagte Cook. Auch wenn sich Cook auf Nachfragen bedeckt hielt, so stufen die meisten Beobachter die Entwicklung als Beginn einer projektbezogenen Zusammenarbeit zwischen Russland und den USA ein.
«Das Ziel sollte hier sein, die Terrormiliz Islamischer Staat IS zu besiegen», sagte Cook - nicht dagegen, das Regime von Präsident Baschar al-Assad zu unterstützen oder es zu verteidigen. Damit ist klar, dass die USA auch offiziell den Sturz Assads nicht mehr als Kriegsziel ansehen.
Bis zu EU-Ratspräsident Donald Tusk scheint sich die neue Position noch nicht herumgesprochen zu haben. Er sagte am Dienstag in New York: «Wir können nicht vergessen, dass Millionen Menschen wegen seiner furchtbaren Methoden, die Stabilität Syriens zu sichern, geflohen sind. Bei meinen Reisen in die Region hat man mir gesagt, dass ein Sieg Assads nur zu einem neuen Exodus führen würde. Das alleinige Ziel eines Friedensplans muss aber sein, dass sie wieder ein normales Leben in der Region führen können.»
Aktuell weiß niemand, wie sich die Kräfte im Nahen Osten verschieben. Putin hat hier eindeutig das Gesetz des Handelns an sich gerissen und mit der Allianz mit dem Iran und mit China eine neue Machtbasis etabliert. Es gibt eine enge Zusammenarbeit der Geheimdienste. Franzosen und Briten haben ihr Militär-Engagement verstärkt. Die Folgen für die Zivilbevölkerung werden verheerend sein. Ethnische Säuberungen, Vertreibungen und neue Flüchtlingsströme sind faktisch kaum noch zu verhindern. Es kann sein, dass die Allianz den Krieg in Syrien stoppt. Doch es wird eine erhebliche Zeit dauern, bis sich die Lage wirklich zum Guten wendet. Denn viele regionale Fragen, wie etwa jene nach der dubiosen Rolle der Türkei unter Erdogan, sind völlig ungeklärt.
Die von den Russen angekündigte diplomatische Lösung ist bisher ausgeblieben: Für alle Parteien geht es vor allem um Rohstoffe und Waffenlieferungen. Daher haben die Großmächte aktuell kein Interesse, die Region in die Eigenverantwortung der dort lebenden Bevölkerung zu entlassen.
Diese Position will Putin nun auch militärisch absichern: Er hat den russischen Föderationsrat um Zustimmung für einen Militäreinsatz im Ausland gebeten. Das teilte der Kreml in Moskau am Mittwoch mit. Ein Einsatzgebiet für die russischen Streitkräfte wurde in der Verordnung des Präsidenten nicht genannt.
Beobachter gehen aber davon aus, dass der Kreml etwa den Einsatz vom Kampfflugzeugen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak plant. Russland hatte zuletzt seine Militärhilfe für die syrische Regierung verstärkt und auch die Entsendung von Soldaten nicht ausgeschlossen.
Föderationsratschefin Valentina Matwijenko sagte der Agentur Interfax zufolge, die Kammer werde noch am Mittwoch über Putins Vorschlag abstimmen. Es gilt als sicher, dass der Antrag angenommen wird.
Der EU fällt in diesem Konflikt die Rolle zu, die Flüchtlinge zu übernehmen. Weil sich Bundeskanzlerin Angela Merkel beharrlich weigert, eine eigene deutsche Außenpolitik zu etablieren, werden die Deutschen und die Europäer ebenso wie Millionen an Vertriebenen die Folgen noch lange spüren. Dass die EU dazu offenkundig bereit ist, zeigt der Ausspruch von Tusk, der den UN versicherte, dass die EU die ihr zugewiesene Rolle als Rückzugsraum für die Vertriebenen annehmen wird. Tusk sagte: «So schwierig die Situation ist; wir werden diese Krise lösen, und die Welt wird danach ein besserer Platz sein.» Die Welt könne auf Europa zählen: Isolierung sei nie und werde nie eine Option für Europa sein.
Die Linie dürfte mit Bundeskanzlerin Angela Merkel abgestimmt sein. Frankreich hat sich bereits offiziell aus der Aufnahme-Euphorie verabschiedet. Seither versucht die Kanzlerin, anderen EU- und Nicht-EU-Staaten die Flüchtlinge zuzuteilen: Zunächst war Bulgarien betroffen, danach Österreich.
Die EU versucht, die Entwicklung mit moralischen Kategorien zu rechtfertigen: Tusk sagte, die Flüchtlinge kämen nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen - dann gäbe es nähere Plätze mit vergleichbarem Reichtum. «Es geht ihnen auch um Toleranz, Freiheit, Menschenrechte und Respekt und die Gewissheit, dass ihre Kinder in solch einem Umfeld aufwachsen.»
Tusk fügte kleinlaut hinzu: «Diese Krise hat eine globale Dimension. Und deshalb braucht sie auch eine globale Lösung. Jede Hilfe ist willkommen.»