Finanzen

Bargeld-Verbot: Erste Banken in Europa wollen Matratzen der Kunden leeren

Lesezeit: 4 min
27.01.2016 01:09
Mit dem Wiederaufflammen der europäischen Banken-Krise ergreifen erste Banken drastische Maßnahmen und wollen ihren Kunden den Gebrauch von Bargeld verbieten. Wie schnell die finanzielle Repression als direkte Folge einer Wirtschaftskrise einsetzt, zeigt das Beispiel der größten norwegischen Bank.
Bargeld-Verbot: Erste Banken in Europa wollen Matratzen der Kunden leeren
Quelle: Bremer Landesbank, Forex Report vom 22. Januar 2016

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Die größte norwegische Bank, DNB ASA, wird das Bargeld für ihre Kunden komplett abschaffen. Der Chef der DNB, Trond Bentestuen, sagte in einem Interview in der Zeitung VG, dass „Norwegen kein Bargeld braucht“. Interessant sind die Details seiner Begründung: Bentestuen sagte: „60 Prozent des Geldes, das in Norwegen im Umlauf ist, ist außerhalb unserer Kontrolle.“ Er sagte, es sei naheliegend anzunehmen, dass dieses Geld in der Geldwäsche kursiere. Auf die erstaunte Nachfrage von VG, ob dies denn bedeute, dass 30 Milliarden Kronen also in der Schattenwirtschaft versickern, gestand der Banker ein, dass es nur teilweise um Schwarzgeld gehe. Bentestuen: „Ein Teil dieses Geldes liegt bei den Leuten unter der Matratze. Es ist Geld, das wir nicht sehen.“

Mit dieser Aussage gibt Bentestuen einen Hinweis, was hinter der Bargeld-Abschaffung steckt: Die Banken, wegen der Weltwirtschaftskrise unter Druck geraten, wollen sich den Zugriff über die Vermögenswerte der Bankkunden sichern. Norwegens Wirtschaft befindet sich wegen der tiefen Erdölpreise in einer schweren Krise und ist in dieser Hinsicht ein Vorbote einer möglichen neuen Weltwirtschaftskrise.

Norwegens Wirtschaft ist zu etwa zwei Dritteln vom Erdölgeschäft abhängig. Unter Preisen von 70 Dollar pro Barrel Öl (159 Liter) können die Förderunternehmen des Landes laut dem norwegischen Notenbank-Chef keinen Profit mehr erzielen, meldet Bloomberg. Derzeit liegt der Preis für die Nordseesorte Brent sogar unter den reinen Produktionskosten. Der Ölpreisverfall der vergangenen anderthalb Jahre hat in Norwegens Industrie bereits Spuren hinterlassen und zum Abbau von rund 30.000 Arbeitsplätzen und einer steigenden Arbeitslosenquote geführt. Zudem sind die Einnahmen aus dem Ölgeschäft im vergangenen Jahr zum dritten Mal in Folge gesunken, was den Staatshaushalt belastet. Erwartet wird deshalb, dass die Zentralbank im laufenden Jahr den derzeit bei 0,75 Prozent liegenden Leitzins noch weiter absenken muss. Nur Russland und Saudi-Arabien können dauerhaft einen Ölpreis von 20 Dollar pro Barrel verkraften.

Die norwegischen Sparer werden die drastischen Maßnahmen der DNB mit Aufmerksamkeit verfolgen: Sie sind ein Indiz dafür, dass die finanzielle Repression am heimischen Finanzplatz weiter zunehmen könnte. Bereits heute verzichten einige Banken des Landes darauf, in ihren Filialen Bargeld auszugeben. Überhaupt gehört das Land zusammen mit seinen skandinavischen Nachbarn Schweden und Dänemark zu den eifrigsten Befürwortern eines rein digitalen Zahlungsverkehrs. Die Aktivitäten rund ums Bargeld beschränken sich allerdings nicht auf Skandinavien. Zur Überraschung vieler hat sich auch der Chef der Deutschen Bank, John Cryan, in Davos gegen das Bargeld positioniert, weil es „fürchterlich teuer und ineffizient“ sei.

Der Vorstoß der DNB Bank kann als Indiz dafür gelten, dass Sonderbelastungen auf Bankvermögen in der Politik diskutiert werden. Der IWF hatte bereits vor Jahren eine Vermögensabgabe von zehn Prozent für alle Haushalte zur Lösung der Schuldenkrise in Europa ins Gespräch gebracht. Am Montag war Norwegens Ministerpräsidentin mit dem Finanzminister und dem Zentralbankchef zu einem außerplanmäßigen Treffen zusammengekommen. Für den Staat und die Banken liegen die Vorteile des bargeldlosen Zahlungsverkehrs auf der Hand: Sie könnten Sparer durch den Einsatz von Negativzinsen zum Konsumieren zwingen und durch Sonderverordnungen leichter enteignen.

Tatsächlich sehen die neuen EU-Bankenregeln vor, dass eine drohende Banken-Pleite durch die Gläubiger der Bank erfolgen muss. Das so genannte „Bail-In“, also das Heranziehen von Vermögen der Gläubiger und Anleger zur Sanierung von Banken, können im Vorfeld durch den Abzug großer Mengen Bargeld erheblich erschwert werden. Für den Zugriff auf die Einlagen der Kunden gibt es in der Eurozone seit Jahresbeginn eine gesetzliche Grundlage – Norwegen könnte versucht sein, diese Praxis ebenfalls einführen. Sollte Bargeld tatsächlich abgeschafft werden, hätten die Sparer die Verfügungsgewalt über ihre Guthaben faktisch verloren.

Auch in Deutschland ist die Diskussion neu aufgeflammt - interessanter Weise von der SPD, die eine Begrenzung der Bargeld-Zahlungen auf 5.000 Euro fordert. Auch hier das Argument: Geldwäsche. Der Koalitionspartner CDU reagierte erstaunlich zurückhaltend und wies die Forderung nicht entschieden zurück, sondern bezweifelte lediglich ihre Wirksamkeit.

Ein völliges Bargeld-Verbot würde, da sind sich die Experten einig, nicht durchsetzbar sein. Doch es geht auch nicht darum, die Zahlungen im Supermarkt völlig bargeldlos zu machen (Video am Anfang des Artikels). Angesichts der kritischen Lage vieler europäischer Banken, insbesonderer der italienischen, ist die geplante EU-Einlagensicherung wichtig, um das europäische Finanzsystem von den Sparern und Vermögensverwaltern retten zu lassen. Zunächst haben die maroden europäischen Banken durch die Ankündigung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, dass die EU-Einlagensicherung kommen werde, Zeit gewonnen. Denn mit der Teilnahme Deutschlands an der Vergemeinschaftung der Risiken können die europäischen Banken etwa 2.000 Milliarden Euro aus den deutschen Vermögensbeständen bei der EZB als Sicherheit für neue Kredite hinterlegen. Die italienischen Banken haben das Signal verstanden, ihre Aktien reagierten am Dienstag mit einem Kurssprung. 

Wie sensibel vor allem die professionellen Anleger reagieren, zeigt die Schweiz: Hier wird seit Monaten ein Trend beobachtet, dass Pensionsfonds ihre Gelder von der Bank holen, um es in Schließfächern und Tresoren zu lagern. Dies ist wegen der Negativ-Zinsen billiger. Vor allem aber könnten die Pensionsfonds die Kontrolle über ihre Gelder behalten: Im Falle eines Banken-Krachs müssen sie die Renten auszahlen können, was bei geschlossenen Banken wie in Griechenland sehr schwierig ist.

In Deutschland wäre die Abschaffung von Bargeld verfassungswidrig, wie der Verfassungsrechtler Christoph Degenhart dargelegt hat. Allerdings ist dabei zu bedenken, dass die Verfassung in Deutschland in den vergangenen Jahren von der Regierung nur noch eingeschränkt geachtet wird. Im Falle eines Banken-Crashs dürfte den Deutschen die Verletzung des Grundrechts auf ihr Eigentum als „alternativlos“ verkauft werden.

***

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