Politik

Merkel gescheitert: EU plant völlige Schließung der Grenzen ab 1. März

Lesezeit: 3 min
18.02.2016 13:29
Die EU plant nach dem Scheitern von Angela Merkels Politik der offenen Grenzen offenbar eine radikale Kehrtwende: Ab 1. März sollen die Außengrenzen auch für Flüchtlinge vollständig geschlossen werden. Die Abschottung soll auch für Syrer gelten.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Nach dem Scheitern von Angela Merkels Flüchtlingspolitik zieht die EU offenbar die Notbremse: Ab dem 1. März soll die Außengrenze völlig geschlossen werden. Das berichtet die serbische Tageszeitung Danas aus Belgrad. Auch der österreichische Kurier berichtet von den EU-Plänen und beruft sich auf Nachrichtenagenturen.

Die Schließung soll auch alle Flüchtlinge betreffen. Flüchtlinge aus diesen Ländern werden der Reihe nach abgewiesen: Zuerst jene aus Afghanistan und dem Irak, schließlich auch für die Flüchtlinge aus Syrien. Personaldokumente sollen intensiv geprüft werden. Zudem soll ein verstärktes Profiling der Flüchtlinge stattfinden, etwa eine Überprüfung der Dialekte, schreibt Danas. Es soll festgestellt werden, ob es sich um Kriegsflüchtlinge oder Einwanderer handelt. Außerdem soll ermittelt werden, ob sich Familienangehörige bereits in der EU befinden. Serbien und die EU verhandeln auch darüber, dass Serbien die etwa 6.000 Flüchtlinge, die wegen der Grenzschließung in Serbien festsitzen, in eigenen Aufnahmelagern unterbringt. Dafür suchen die Serben aktuell Unterkünfte wie Schulen oder aufgelassene Gewerbeflächen und Motels. Nach Informationen der Deutschen Wirtschafts Nachrichten stellt sich die Lage so dar, dass die Balkan-Länder jene Flüchtlinge, die aktuell dort festsitzen, zusätzlich zu der Quote aufnehmen werden müssen.

Serbien ist von der Entscheidung unmittelbar betroffen, weshalb die Meldung, die vermutlich aus serbischen Diplomatenkreisen stammt, hohe Glaubwürdigkeit hat. Die serbischen Diplomaten verhandeln nach Informationen der Deutschen Wirtschafts Nachrichten derzeit intensiv mit der EU über ein Ende des Flüchtlingszuzugs in die EU.

Das Konzept ist nicht neu: Schon vor einem Jahr hatte Angela Merkel geplant, dass Serbien und die anderen Balkan-Staaten die Flüchtlinge aufnehmen sollen und dafür aus EU-Steuergeldern bezahlt werden. Das Konzept scheiterte damals, weil die EU zu langsam agierte und zu wenig zahlen wollte. Angela Merkel hat in den vergangenen Wochen versucht, die Türkei zu überreden, die eigentlich den Balkan-Ländern zugedachte Rolle zu übernehmen. Doch dieser Plan ist nach der Absage des Treffens der „Koalition der Willigen“ nach einer Explosion in Ankara obsolet geworden. Daher will die EU nun auf ihren alten Plan mit den Balkan-Ländern zurückgreifen.

Ob das neue Schließungs-Konzept greifen wird, ist eine andere Frage: Denn schon heute ist der illegale Grenzübertritt auf der Balkanroute möglich und wird von vielen Personen als Möglichkeit des Fortkommens genützt. Offenbar steht die Maßnahme Österreichs, seine Südgrenzen massiv abzuriegeln, in Zusammenhang mit den Verhandlungen in Serbien. Die EU macht damit klar, dass ein Durchwinken nach Norden wie bisher nicht mehr möglich sein wird. Ungarn hat seine Grenzen bereits durch einen Zaun geschlossen.

Unklar ist, was mit Griechenland geschieht: Es ist denkbar, dass die griechische Schengen-Mitgliedschaft temporär ausgesetzt wird, unter Umständen sogar im Einvernehmen mit Athen. Dann wäre eine Abriegelung der Balkan-Route einigermaßen wirkungsvoll möglich. Was mit den Flüchtlingen geschieht, ist allerdings ebenfalls unklar: Derzeit gibt es nun einen sogenannten Hot-Spot in Lesbos - und der trägt den Charakter eines Gefangenenlagers, in dem die Menschenrechte nicht gewahrt sein können.

Weil die EU nicht möchte, dass sie wegen der geplanten rigorosen Maßnahmen als inhuman dargestellt wird, hat EU-Präsident Jean-Claude Juncker am Donnerstag Österreich kritisiert: Er bezichtigt Österreich, dass die Grenzschließung inhuman sei und beschwört mit einigem Pathos die europäischen Werte. Die Klage ist eine reine PR-Nummer: Die Grenzschließung in Österreich war die Folge der Politik von Angela Merkel, die nach außen für die „Menschlichkeit“ kämpfte. Doch Deutschland hatte klammheimlich damit begonnen, sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“ nach Österreich zurückzuführen. Daher ist davon auszugehen, dass die Grenzschließung in Österreich sogar mit Deutschland abgesprochen gewesen sein konnte. Mindestens aber war sie das Ergebnis einer völlig im Chaos versinkenden EU-Politik.

Juncker musste seinen moralischen Stunt auch aus einem anderen Grund hinlegen. Slowenien hatte es sich bitter über die Schließung der österreichischen Grenze beschwert: „Slowenien ist ein Opfer Österreichs“, zitierte die slowenische Nachrichtenagentur STA am Donnerstag aus den vertraulichen Gesprächen des EU-Ratspräsidenten Donald Tusk und des EU-Kommissionschefs Jean-Claude Juncker mit Spitzenpolitikern Sloweniens, Kroatiens, Serbiens und Mazedoniens am Vorabend in Brüssel. Doch mit Serbien verhandelt die EU-Kommission seit längerem, wie aus dem Danas-Bericht hervorgeht. So wurde Österreich auch nur informell gebeten, einen Brief zu schreiben, in dem die eingeführte Obergrenze erklärt wird. Die österreichische Innenministerin zeigte sich daher am Donnerstag im ORF nur wenig beeindruckt über den Brief.

Junckers Kalkül: Er will die wegen des Scheiterns ihrer Flüchtlingspolitik angeschlagene Bundeskanzlerin Merkel nicht noch weiter beschädigen – Juncker braucht sie als Verbündete im Streit mit Großbritannien über neue Privilegien für London, die wiederum den Rest der EU erheblich verunsichern.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit neuem Rekordhoch - geht es jetzt Richtung 100.000 US-Dollar?
21.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch - und am Donnerstag legt die wichtigste Kryptowährung direkt nach. Seit dem Sieg von Donald Trump bei...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Wirecard-Zivilprozess: Ein Musterkläger für 8500 Aktionäre - Kommt eine Entschädigung für Aktionäre?
21.11.2024

Holen sich Wirecard-Aktionäre jetzt eine Milliarden-Entschädigung von EY? Viereinhalb Jahre nach der Wirecard-Pleite geht es vor dem...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ifo-Umfrage: Industrie bewertet Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit miserabel
21.11.2024

Seit 1994 hat die Industrie ihre Lage nicht mehr so schlecht eingeschätzt, sagt das ifo Institut. Im EU-Vergleich stehen deutsche...

DWN
Panorama
Panorama Finnland startet Ermittlungen zum Kabelschaden in der Ostsee
21.11.2024

Nachdem die schwedischen Behörden bereits tätig wurden, hat nun auch die finnische Kriminalpolizei Ermittlungen zu einem Kabelschaden in...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Nach vier Jahren: Castor-Transport erreicht Deutschland
20.11.2024

Nach vier Jahren hat erstmals wieder ein Castor-Transport mit hochradioaktiven Abfällen aus dem Ausland Deutschland durchquert. Der Zug,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Deutsche Bank-Aktie klettert: Einstieg bei KI-Start-up Aleph Alpha
20.11.2024

Das Heidelberger Start-up Aleph Alpha gilt als wichtiger Akteur in der deutschen KI-Branche. Jetzt investiert die Deutsche Bank in das...