John Cryan kommt beim Umbau der Deutschen Bank voran. Das Institut habe sich von Hunderttausenden Kunden getrennt und seine IT-Systeme vereinfacht, sagte der seit elf Monaten amtierende Vorstandschef am Dienstag auf einer Investoren-Konferenz in New York. Er hofft zudem, einige Skandale bald durch Vergleiche aus der Welt zu schaffen. „Wir kommen Abschlüssen näher“, sagte der Brite. „Wir machen an drei bis vier Fronten Fortschritte“. Cryan ist zuversichtlich, bis Jahresende die größten Rechtsstreitigkeiten – etwa Geldwäsche-Vorwürfe in Russland und umstrittene Hypothekengeschäfte in den USA – beizulegen. Vor einem möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU braucht sich das Geldhaus laut Cryan nicht zu fürchten. „Wir sind eine deutsche Bank – und Deutschland will bis jetzt nicht austreten.“
Bei einem „Brexit“ müsste sich die Deutsche Bank allerdings wie alle Geldhäuser auf Marktturbulenzen einstellen. Die Frankfurter wollen versuchen, sich so gut wie möglich gegen Marktausschläge abzusichern. „Wir schalten in den Defensiv-Modus“, betonte Cryan. Er würde nach einem „Brexit“ auf lange Sicht Geschäfte von London nach Kontinentaleuropa verlegen. „Unsere Kunden wollen Staatsanleihen von Euro-Zonen-Staaten dann vermutlich nicht mehr in London handeln.“ Das Institut beschäftigt in Großbritannien über 8000 Mitarbeiter, darunter zahlreiche Investmentbanker.
Cryan bekräftigte, dass die Deutsche Bank wegen des Umbaus im laufenden Jahr erneut rote Zahlen schreiben könnte. Die Restrukturierung, die bis Jahresende größtenteils abgeschlossen sein soll, stehe 2016 im Vordergrund. Es sei wichtig, dass sich die Bank schlanker aufstelle und sich aus wenig gewinnträchtigen Bereichen zurückziehe. Im zurückliegenden Jahr habe das Geldhaus über 750.000 Konten geschlossen. Ein Großteil der Technologie laufe inzwischen auf Basis von Apple-Systemen.
Bei der geplanten Schließung von 200 Filialen in Deutschland und der damit verbundenen Streichung von 4000 Arbeitsplätzen will Cryan bald Klarheit haben. Die Verhandlungen mit dem Betriebsrat hätten sich „furchtbar lang“ hingezogen, räumte er ein. Die Unsicherheit, wer am Ende gehen muss, drückt bei vielen der weltweit rund 100.000 Mitarbeiter auf die Stimmung. „Das ist ein quälender Prozess“, klagt ein Arbeitnehmervertreter. Die Gespräche mit dem Betriebsrat befänden sich nun aber in den letzten Zügen, erklärte Cryan. „Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten ein bis zwei Monaten eine Einigung erzielen werden und dann mit den Filialschließungen und dem Abbau von Stellen voranschreiten können.“
Keine Eile hat Cryan dagegen beim Verkauf der Postbank. „Wir könnten zwar einen Börsengang durchziehen, aber wir wollen das jetzt nicht, weil ich glaube, dass der Preis, den wir erzielen würden, für unsere Aktionäre nicht attraktiv wäre.“ Deshalb müsse die Bank auf ein besseres Umfeld für Börsengänge warten – oder nach „etwas kreativeren Wegen“ suchen, sich von ihrer Beteiligung zu trennen, sagte Cryan den Investoren. „Wenn Sie also jemanden kennen, der eine deutsche Filialbank kaufen will – lassen Sie es mich wissen.“
Der Brite hat der Deutschen Bank nach seinem Amtsantritt eine Transparenz-Offensive verordnet. In der Folge habe sich der Umgang mit Rechtsstreitigkeiten grundlegend geändert. „Wir setzen auf volle Transparenz und helfen Ermittlungsbehörden und Regulierern, wo wir nur können.“ Zudem tue die Bank alles, um neue Verstöße zu verhindern, sagte der Vorstandschef. Das wirke sich auch auf das Wertpapiergeschäft aus. Hier konzentriert sich das Geldhaus laut Cryan auf neue Produkte, die eine Rendite von 12 bis 20 Prozent auf die risikogewichteten Aktiva abwerfen. „Bei über 20 Prozent schrillen bei uns die Alarmglocken. Denn wenn man zu viel Geld verdient, muss man prüfen, ob man noch die richtigen Dinge tut.“