Politik

Schäuble: Einwanderung soll Europa vor Inzucht und Degeneration retten

Bundesfinanzminister Schäuble fordert mehr Einwanderung in Europa. Andernfalls werde Europa „in Inzucht degenerieren“. Das ist ein kruder Gedanke. Er rechtfertigt vor allem nicht, dass Staaten wie Libyen, der Irak und Syrien in Schutt und Asche gelegt werden, um den müden Europäern einen Innovationsschub zu verschaffen.
09.06.2016 00:40
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat Europa angesichts immer größerer Hürden für Migranten eindringlich vor einer Einigelung gewarnt. «Die Abschottung ist doch das, was uns kaputt machen würde, was uns in Inzucht degenerieren ließe», sagte er der Wochenzeitung Die Zeit. In Deutschland trügen Muslime zu Offenheit und Vielfalt bei: «Schauen Sie sich doch mal die dritte Generation der Türken an, gerade auch die Frauen. Das ist doch ein enormes innovatorisches Potenzial.»

Diese Gedanken kann man als durchaus krude bezeichnen. Zum einen ist es nicht die Aufgabe der Politik, mit Begriffen wie Inzucht um sich zu werfen. Zum anderen ist der Begriff im Hinblick auf Europa unzutreffend, weil Europa schon wegen seiner Kulturen, Sprachen und regionalen Identitäten per se nicht zur Inzucht neigt.

Vor allem aber ist die Ursache der globalen Flucht- und Migrationsbewegungen nicht das Bestreben, das innovatorische Potenzial Deutschlands zu heben. Die Ursachen der Wanderungsbewegungen sind Krieg, Hunger, Ausbeutung, Landraub und ethnische Säuberungen. Würden diese Gründe wegfallen, würde ein Großteil der Flüchtenden in ihrer Heimat bleiben - und unter Umständen müssten sich die Europäer auf der Suche nach ihren innovatorischen Potenzial in andere Länder begeben müssen.

Schäuble forderte einen grundlegenden Wandel im Umgang mit der arabischen Welt und Afrika: «Afrika wird unser Problem sein, wir müssen diese Aufgabe annehmen.» Angesichts der vielen Flüchtlinge aus den Krisenzonen des Mittleren Ostens und Afrikas folgert Schäuble: «Eines ist doch klar für die Zukunft: Wir werden mehr im Irak investieren müssen, in Syrien und in Libyen, und dann werden wir in der Subsahara mehr für deren Entwicklung bezahlen müssen.»

Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden - wenn sichergestellt wäre, dass die Investments der Europäer tatsächlich den Völkern Afrikas und deren Entwicklung zugute kämen. Entwicklungshilfe-Profis sehen allerdings, dass das genaue Gegenteil Realität ist: Milliarden an Entwicklungshilfegeldern versickern in den Taschen korrupter Herrscher und ihrer Netzwerke, Fluchtbewegungen werden von lokalen Clans bewusst ausgelöst, um bei der Verteilung des Reichtums nicht gestört zu werden.

Zudem sollte Europa endlich seine Märkte für Produkte aus diesen Regionen öffnen. «Die Nordafrikaner verlangen das jetzt von uns, wenn sie Flüchtlinge zurückhalten. Aber die haben doch auch recht», sagte Schäuble. In der globalisierten Welt sei es notwendig, «noch einmal eine maßvolle Revolution, einen grundlegenden Wandel ohne Übertreibung zu schaffen». Eigentlich brauchten die reichen Länder gar nicht mehr so viel Wachstum. «Lasst uns doch lieber die aufstrebenden Ökonomien des Südens stärker fördern», sagte Schäuble.

Auch dieser Gedanke ist richtig - und doch hat die Bundesregierung in Syrien genau das Gegenteil praktiziert: Das syrische Volk leidet massiv unter den Sanktionen, die die EU gegen das syrische Volk verhängt hat. Erst vor wenigen Tagen haben Christen aus Syrien dringend gefordert, die Sanktionen aufzuheben, um Gesundheitswesen und Lebensmittelversorgung in Syrien vor dem totalen Kollaps zu bewahren.

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Funkmast auf Futterwiese: Das verdienen Landwirte mit Mobilfunkmasten
26.04.2025

Wer als Landwirt ungenutzte Flächen oder Scheunendächer für Mobilfunkanbieter öffnet, kann mit Funkmasten stabile Zusatzeinnahmen...

DWN
Panorama
Panorama Generation Z lehnt Führungspositionen ab – Unternehmen müssen umdenken
25.04.2025

Die Generation Z zeigt sich zunehmend unbeeindruckt von traditionellen Karrierewegen und Führungspositionen im mittleren Management. Eine...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Reichster Ostdeutscher: Wie ein Unternehmer einen kleinen DDR-Betrieb zum globalen Player macht
25.04.2025

Rekord-Umsatz trotz Krisen: Der Umsatz von ORAFOL betrug im Jahr 2024 betrug 883 Millionen Euro – ein Rekordjahr trotz Wirtschaftskrise....

DWN
Politik
Politik Rentenbeiträge und Krankenkasse: Sozialabgaben werden weiter steigen
25.04.2025

Gerade bei der Rente hat die kommende Merz-Regierung ambitionierte Pläne. Doch gemeinsam mit den Krankenkassenbeiträgen droht...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gold im Höhenrausch: Wenn Trump das Gold sieht, wird es gefährlich
25.04.2025

Der Goldpreis steht kurz davor, einen historischen Rekord nicht nur zu brechen, sondern ihn regelrecht zu pulverisieren. Die Feinunze Gold...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Autoindustrie unter Druck: Zollkrieg sorgt für höhere Preise und verschärften Wettbewerb
25.04.2025

Der Zollkrieg zwischen den USA und Europa könnte die Auto-Preise in den USA steigen lassen und den Wettbewerb in Europa verschärfen....

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen der Deutschen auf Rekordhoch – aber die Ungleichheit wächst mit
25.04.2025

Private Haushalte in Deutschland verfügen so viel Geld wie nie zuvor – doch profitieren längst nicht alle gleichermaßen vom...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland am Wendepunkt: Wirtschaftsmodell zerbricht, Polen rückt vor
25.04.2025

Deutschlands Wirtschaftsmaschinerie galt jahrzehntelang als unaufhaltsam. Doch wie Dr. Krzysztof Mazur im Gespräch mit Polityka...