Der Auftakt zu einer neuen Runde im Preiskampf der Förderländer hat Rohöl am Dienstag zugesetzt. Der Preis für die US-Sorte WTI fiel um bis zu 3,7 Prozent auf ein Drei-Jahres-Tief von 75,84 Dollar je Barrel (159 Liter). Die richtungsweisende Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee war mit 82,08 Dollar zeitweise sogar so billig wie zuletzt im Oktober 2010.
Zuvor hatte Saudi-Arabien angekündigt, US-Abnehmern Preisnachlässe für sein Erdöl einzuräumen. „Dieser kühne Schritt ist ein Signal, dass Saudi-Arabien um seine Marktanteile in den USA kämpfen will“, sagte Analyst Daniel Ang von Phillip Futures. „Er unterstreicht die Fragilität des Rohöl-Marktes, auf dem die großen Produzenten in Zeiten eines Überangebotes zu überleben versuchen.“
Experten zufolge will Saudi-Arabien mit dieser Taktik jenen Produzenten das Wasser abgraben, die Rohöl nur unter hohen Kosten fördern können. Nach Einschätzung von Experten macht das Königreich selbst bei einem Ölpreis von etwa 60 Dollar noch Gewinn. Die bislang boomende Schieferöl-Produktion in den USA werde dagegen unterhalb von 80 Dollar unrentabel. Dort muss Rohöl mit hohem technischen Aufwand aus Schiefergestein herausgelöst werden.
Das Überangebot bei gleichzeitig schwächelnder Konjunktur in China und Europa sorgt seit Monaten für einen fallenden Ölpreis. Seit dem Sommer hat sich dieser Rohstoff um rund ein Drittel verbilligt. So lange die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) nicht an einem Strang ziehe, sei kein Ende der Talfahrt in Sicht, sagte Commerzbank-Analyst Eugen Weinberg. „Jeder schiebt die Schuld auf den anderen, aber niemand ist bereit, die Fördermengen zu kürzen.“
Zu einer Einigung könne es beim bevorstehenden Opec-Treffen aber durchaus kommen, betonte Ian Taylor, Chef des Schweizer Ölhändlers Vitol. „Alle sagen, dass sie die Fördermengen nicht kürzen werden. Ich bin mir aber nicht zu 100 Prozent sicher“, fügte er auf dem Reuters Commodities Summit in London hinzu. Sein Kollege Marco Dunand vom Konkurrenten Mercuria beziffert die Chancen sogar auf 50:50. Torbjörn Törnqvist, Chef und Mehrheitseigner des Ölhändlers Gunvor, hält eine Kürzung der saudi-arabischen Fördermengen um bis zu 500.000 Barrel täglich für möglich. „Vielleicht sehen wir auch einige symbolische Senkungen von den anderen Golf-Staaten.“
Im Kampf gegen den Ölpreisverfall will Saudi-Arabien die erfolglose Taktik der 80er-Jahre in jedem Fall vermeiden. „Der große Fehler war, dass sie die Produktion immer stärker gedrosselt haben, um die Preise zu stützen“, sagt Analyst Yasser Elguindi vom Beratungshaus Medley Global Advisors. Doch damit habe die Regierung in Riad nicht viel erreicht und zudem eine große Chance vergeben. Denn nach Ansicht des Ölmarkt-Experten hätte das größte Förderland der Opec eher mit Rabatten um Marktanteile kämpfen sollen. So hätte Saudi-Arabien Produzenten mit höheren Fixkosten herausdrängen können. „Und genau das tun sie jetzt.“
„Aus ökonomischer Sicht ist es für Saudi-Arabien viel besser, den Preisrückgang zuzulassen“, sagt Gary Ross, Chef von Pira Energy. Der heraufziehende Preiskrieg sei „eine Sache der Notwendigkeit“, fügt der Rohstoff-Experte hinzu, der seit den 70er-Jahren am Ölmarkt aktiv ist. In den frühen 80er-Jahren überschwemmte Nordsee-Öl die Weltmärkte. Dies drückte den Preis seinerzeit auf unter zehn Dollar. Saudi-Arabien senkte daraufhin die Ölförderung binnen fünf Jahren von über zehn Millionen Barrel am Tag auf weniger als 2,5 Millionen. Doch die übrigen Ölproduzenten folgten dem Beispiel nicht - weder innerhalb noch außerhalb der Opec. So gingen die Preise dennoch weiter in den Keller.