Politik

Deutsche Export-Lobby unterstützt schärfere Sanktionen gegen Russland

Der Präsident der Großhandels-Lobby BGA rechnet mit noch schärferen Sanktionen gegen Russland. Dies werde Deutschlands Exporten auch 2015 schaden. Doch statt zu protestieren, stellt sich die Lobby-Gruppe an die Seite Merkels und unterstützt die Sanktionen. Es unklar, ob die Lobby-Gruppe mit falschen Versprechungen, etwa zum TTIP, zu dieser merkwürdigen Haltung bewegt wurde.
19.11.2014 12:44
Lesezeit: 2 min

Die deutschen Exporteure rechnen mit noch „schärferen Strafmaßnahmen des Westens gegen Russland“, wie Reuters das nennt: „Die Sanktionen werden sehr lange bleiben, wir werden sie nicht wegkriegen“, sagte der Präsident des Branchenverbandes Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Anton Börner, am Mittwoch in Berlin. „Sie werden eher noch strenger werden.“ Das hinterlasse Spuren im Handel mit dem einstigen Boomland. „Wir haben ein Drittel des Russlands-Geschäfts bereits verloren“, so Börner. „Wenn die Sanktionen jetzt Zug um Zug greifen, wird es nochmal deutlich zurückgehen.“ Die deutschen Ausfuhren nach Russland dürften deshalb auch 2015 signifikant zurückgehen.

Die Reaktion des BGA auf diese erkennbare Schwächung seiner Mitglieder ist erstaunlich. Der BGA über sich selbst:

„Der BGA ist die unüberhörbare Stimme des Großhandels, des Außenhandels sowie der unternehmensnahen Dienstleistungen: Wir stehen für 1,9 Millionen Beschäftigte in Deutschland, unsere Unternehmen erwirtschaften einen Jahresumsatz von 1,8 Billionen Euro.“

Doch dürfen die 1,9 Millionen Beschäftigten, für die die Lobbygruppe steht, keine Unterstützung vom BGA erwarten: Börner widersprach der Sanktionspolitik der Bundesregierung nämlich nicht, sondern verteidigte „zugleich die Strafen wegen des russischen Verhaltens im Ukraine-Konflikt“, wie Reuters das wörtlich weiters so formuliert:

Wir tragen sie mit“, sagte der BGA-Chef. „Freiheit hat seinen Preis.“

Warum die Lobby-Gruppe in diesem zentralen Punkt offenkundig gegen die Interessen ihrer Mitglieder agiert, ist unklar. Es ist nicht bekannt, ob es es politische Versprechungen im Gegenzug gibt. Möglicherweise ist dem Verband zugesichert worden, dass die Verluste durch das TTIP wieder wettgemacht werden können. Dies wäre möglich, wenn sich in Deutschland die Niedriglohn-Kultur weiter ausbreitet: Das TTIP wird in der EU einer Studie zufolge 583.000 Arbeitsplätze vernichten. Trotz der Dumping-Löhne wird das TTIP doch auch den BGA-Mitgliedern nicht helfen. Denn die Studie hat ermittelt, dass die Exporte aus der EU zurückgehen werden.

Im Juli 2013 hatte der BGA noch sehr idealistische Erwartungen für das TTIP formuliert:

„Ein solches Abkommen wäre ein gewaltiges Konjunkturprogramm für die von Krisen gebeutelte Europäische Union, die dann mit einem jährlichen Wachstumsschub in Höhe von rund 120 Milliarden Euro rechnen könnte...Insbesondere ist dieses Abkommen wichtig, da die derzeitige Entwicklung im Außenhandel, mit Blick auf die heute veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes, überaus volatil ist. Der europäische Binnenmarkt als wichtigster Absatzmarkt Deutschlands schwächelt auch weiterhin. Gleichzeitig vermögen Länder wie China derzeit nicht, diesen Trend zu kompensieren.“

Mit Ländern wie China dürfte damals auch Russland gemeint gewesen sein, welches nun wegfällt.

Wie unlogisch die Unterwerfung des BGA unter die Politik ist, zeigt eine Mitteilung des Verbandes aus dem April 2013, wo Russland noch explizit als Hoffnungsträger für die kriselnden Euro-Länder gefeiert wurde:

„Ich bin auch zunehmend pessimistisch, was die Reformfähigkeit der von der Schuldenkrise besonders betroffenen Länder betrifft. Insbesondere die Situation in Italien verheißt nichts Gutes, da die wesentlichen gesellschaftlichen Kräfte nicht an einer umfassenden Strukturreform interessiert zu sein scheinen“, so Börner.

Das rezessive Umfeld innerhalb der Eurozone beschleunigt die Gewichtsver-schiebung hin zu den außereuropäischen Märkten. So kommen auch 2013 wieder die maßgeblichen Wachstumsimpulse aus Asien, Lateinamerika, dem arabischen Raum, Westafrika, Russland, aber auch den USA. Setzt sich dieser Trend fort, werden spätestens in 12 Jahren die Drittlandsmärkte für unsere Exporteure wichtiger werden als der europäische Binnenmarkt. Unsere Exporte in die USA werden 2013 um bis zu 15 Prozent auf knapp 100 Milliarden Euro zunehmen können, jene nach China um bis zu 5 Prozent auf knapp 70 Milliarden Euro.

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