Update: Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat eine Mitteilung veröffentlicht, nach der „keine Belege“ dafür gefunden wurden, dass Fluad die Todesfälle verursacht habe.
Die italienischen Behörden hatten den Grippe-Impfstoff Fluad des Schweizer Herstellers Novartis vorsorglich vom Markt genommen. Mindestens 3 Todesfälle stehen im Verdacht, mit einer vorhergegangenen Impfung zusammenzuhängen, 13 Fälle wurden gemeldet. Der Wirkstoff Fluad ist speziell für ältere Risikopatienten auch in Deutschland zugelassen.
Nach Informationen des deutschen Bundesinstituts für Impfstoffe PEI gibt es in Deutschland zum Wirkstoff Fluad derzeit sieben Verdachtsfallmeldungen auf Nebenwirkungen, eine davon schwerwiegend, keine Verdachtsfallmeldung eines Todesfalls. Zu Begripal gebe es aktuell lediglich vier Meldungen über nicht schwerwiegende Reaktionen.
Susanne Stöcker, Biologin und Pressesprecherin des Paul Ehrlich Institut für Impfstoffe, hält die Aufregung um Fluad für nicht nachvollziehbar. Sie sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Der Impfstoff Fluad ist seit dem Jahr 2000 in der gesamten EU zugelassen und etabliert. Die Zulassung gilt speziell für die Risikogruppe ältere Menschen über 65. Fluad enthält einen Wirkverstärker, um das Immunsystem dieser Menschen zu unterstützen. Diese verstärken die erwünschten, aber möglicherweise auch die unerwünschte Reaktionen wie lokale Nebenwirkungen, Schmerzen an der Einstichstelle oder Fieber. Er ist aber insgesamt unauffällig, seit Jahren erprobt und funktioniert.“
Wie die italienische Zeitung Corriere della Sera berichtet, stehen in Italien inzwischen 13 Todesfälle in sieben Regionen im Verdacht, mit der Impfung in Zusammenhang zu stehen. Die italienische Arzneimittelbehörde Aifa hatte zwei Impfchargen aus Siena am Donnerstag vorläufig vom Markt genommen. Laut Stöcker werden alle Chargen von Fluad, also auch die für den deutschen Markt, in Siena produziert. Der Impfstoff sei identisch zu dem im letzten Jahr, die Stammzusammensetzung wurde nicht verändert.
Der Schweizer Pharmariese Novartis teilte mit, dass in diesem Jahr weltweit mehr als sieben Millionen Dosen Fluad verteilt worden seien. Dabei sei keine ungewöhnliche Häufigkeit von Nebenwirkungen beobachtet worden.
Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen wegen Fluad nach ersten negativen Test zwar vorläufig eingestellt, gleichzeitig jedoch Ermittlungen gegen einen weiteren Impfstoff von Novartis aufgenommen: Agrippal, in Deutschland unter dem Namen Begripal bekannt. Die Verdachtsfälle haben sich demnach auf weitere Chargen und Impfstoffe ausgeweitet.
Es handelt sich bei den Todesfällen um Senioren, die meist Herz-Kreislauferkrankungen hatten und mehrere Medikamente einnahmen. In acht Fällen seien die Patienten innerhalb von 24 Stunden nach der Impfung gestorben.
Das italienische Gesundheitsministerium und die Regionen liegen im Streit um die angemessenen Vorkehrungen. Die Gesundheitsministerin Lorenzin warnte, es sei unnötig jetzt Angst vor Impfungen zu haben. „Wir nehmen die Sache ernst, aber eine Panik könnte der Gesundheit der Bevölkerung schwer schaden“, so die Ministerin. Der Verbraucherverband Codacons hingegen kündigte an, bei der Staatsanwaltschaft Beschwerde gegen die Arzneimittelbehörde einzulegen, weil sie die Verbraucher zu spät informiert habe.
Die Frage, ob es ein Behandlungsfehler sei, wenn Ärzte schwer kranke Risikopatienten durch eine Impfung zusätzlich belasten, verneint die PEI-Sprecherin. „Insbesondere ältere Menschen mit schweren Grunderkrankungen sollten gegen die Virusgrippe geimpft werden, für sie gilt explizit die Empfehlung der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut. Die Impfung kann diese Menschen aber nur davor bewahren, an der Grippe zu sterben. Es wird immer auch Menschen geben, die nach der Impfung sterben. Aber nicht wegen der Impfung, sondern weil sie ohnehin gestorben wären.“
Auch Stöcker sieht in den Todesfällen nach Impfungen keinen Zusammenhang. „Es kann durchaus sein, dass es einen zufälligen zeitlichen Zusammenhang zwischen Impfung und dem Tod der geimpften Person gibt, wenn diese beispielsweise eine schwere Grunderkrankung hatte, an der sie verstirbt, kurz nachdem die Impfung erfolgt ist. Im aktuellen Fall haben die italienischen Behörden keine Belege für einen kausalen Zusammenhang gefunden .“
Für eine abschließende Bewertung wolle man aber auch bei der deutschen Impfbehörde die Untersuchung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA abwarten. Diese hatte nach den gemeldeten Todesfällen in Italien umfassende Tests angekündigt. Nach EMA-Angaben wurden für die aktuelle Impf-Kampagne in Italien 4 Millionen Dosen verteilt. Derselbe Wirkstoff aus der Fabrik in in Siena wurde demnach auch in Österreich und Spanien ausgegeben.