Politik

Nato-Staat Litauen bereitet Bevölkerung auf russische Invasion vor

Lesezeit: 2 min
20.01.2015 00:04
Die litauische Regierung hat ein Handbuch veröffentlicht, das an die Bevölkerung verteilt werden soll. In dem Buch wird den Bürgern erklärt, wie sie sich im Fall einer russischen Invasion verhalten sollen. Das Buch rät zu Streiks und Cyber-Attacken. Auch Estland warnt vor einer militärischen Intervention Russlands im Baltikum. Dies würde den Bündnis-Fall für die Nato auslösen.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Litauen gibt seinen Bürgern in einem neuen Handbuch Tipps, wie sie sich im Falle einer russischen Invasion verhalten sollen. „Behalten Sie einen klaren Kopf und brechen Sie nicht in Panik aus“, schreibt das Verteidigungsministerium in dem Ratgeber.

Das Buch ist sehr konkret und durchaus ermutigend. So heißt es: „Schüsse direkt vor Ihrem Fenster bedeuten nicht das Ende der Welt.“ Im Falle einer Invasion sollten sich die Litauer über Twitter und Facebook organisieren und versuchen, Cyber-Attacken gegen den Feind zu starten. Außerdem sollten die Bürger den Besatzern mit Demonstrationen, Streiks oder zumindest Bummelstreiks bei der Arbeit Widerstand leisten, heißt es in dem Handbuch, das das Verteidigungsministerium ab kommender Woche in Bibliotheken auslegen und bei Militärveranstaltungen verteilen will.

Den größten Teil des vergangenen Jahrhunderts war Litauen zusammen mit den anderen baltischen Staaten Lettland und Estland Teil der Sowjetunion. Nach der Unabhängigkeit 1991 suchte das kleine Land rasch den Anschluss an die Nato und die EU. Seit der Eskalation der Ukraine-Krise sind die Litauer jedoch zunehmend besorgt, dass Russland nach der Annexion der Krim auch in ihr Land einmarschieren könnten. Erst im Dezember hielt Russland in seiner Exklave Kaliningrad, die an Litauen grenzt, ein Manöver mit 9000 Soldaten und 55 Kriegsschiffen ab, berichtet der Business Insider.

„Das Beispiel Georgiens und der Ukraine, die beide Teile ihres Territoriums verloren haben, zeigt uns, dass wir eine ähnliche Situation hier nicht ausschließen können und dass wir darauf vorbereitet sein sollten“, sagte Verteidigungsminister Juozas Olekas der Nachrichtenagentur Reuters.

Litauen hat die Rekrutierung für die Armee und die paramilitärische Reserve seit Beginn der Ukraine-Krise in die Höhe gefahren. Die litauische Regierung prüft derzeit, Neubauten nur noch mit einem Luftschutzkeller auf dem Gelände zu genehmigen.

Auch in anderen baltischen Staaten spricht man offen von einer möglichen Aggression Russlands. Der militärische Geheimdienst-Chef Estlands, Oberstleutnant Kaupo Rosin, sagte auf einer Informations-Veranstaltung der US-Armee in Deutschland, dass das Baltikum bedroht sei. Russlands Präsident Wladimir Putin hätte im Dezember eine Militär-Doktrin unterzeichnet, die „aggressiv“ sei. Vergangenes Jahr meldete Defense News, dass Moskau Kurzstreckenraketen des Typs Iskander-M in Kaliningrad stationieren möchte. Kaliningrad ist eine russische Exklave, die sich an der Ostsee zwischen Polen und Litauen befindet. Russlands baltische Flotte befindet sich ebenfalls in der Hafenstadt.

„Während viele westeuropäische Staaten sich mit Eiskunstlauf beschäftigen, spielt Moskau Eis-Hockey“, zitiert Reuters den Esten. Es sei schwierig gewesen, einige europäische Staaten davon zu überzeugen, dass russische Soldaten auf der Krim im Einsatz waren. Estland könne schon bald vor demselben Problem stehen und würde sich dann auf den NATO-Bündnisfall berufen. Der Befehlshaber des US-Heeres in Europa, Ben Hodges, ist allerdings der Ansicht, dass Russland derzeit nicht in der Lage sei, ohne eine Generalmobilmachung, drei oder vier militärische Operations-Ziele anzupeilen. Doch in den kommenden vier bis fünf Jahren werde Russland die Fähigkeit besitzen, Militär-Operationen in der Ostukraine durchzuführen und gleichzeitig militärischen Druck auf Georgien und das Baltikum auszuüben.

Ein anonymer NATO-Offizier sagte, dass Russland seine Baltikum- und Schwarzmeer-Flotten vergrößern und sein Heer modernisieren wolle. Doch der Öl-Preisverfall habe das Potential „die Modernisierung zu verlangsamen“. Die Informations-Veranstaltung fand vom 13. bis 14. Januar in Deutschland statt. Sie wurde von US-General Ben Hodges geleitet. An der Veranstaltung nahmen zahlreiche militärische und zivile Analysten teil. Die Namen der militärischen Teilnehmer sind nur teilweise bekannt. Die Namen der zivilen Teilnehmer sind nicht bekannt.

Litauen hat sich als erstes Land der EU bereit erklärt, Waffen in die Ukraine zu liefern. Die Nato sondiert, ob sie Litauen als Export-Brückenkopf verwenden soll. Die US-Regierung hat erst kürzlich beschlossen, Waffen und demokratische Hilfsmittel für die Ukraine zu finanzieren. Russland hat eine Antwort angekündigt, falls die Nato tatsächlich Waffen in die Ukraine liefern sollte.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Politik
Politik Wahljahr 2025: Neue Regierung bis Ostern?
23.12.2024

Kurz, kalt und knackig: So wird der Wahlkampf 2025. Wie lange es danach dauert, bis Deutschland wieder gut regiert wird, ist schwer...

DWN
Politik
Politik Steuerverschwendung: Regierung verschleudert massiv Steuergelder auch ans Ausland - ohne jede Prüfung
23.12.2024

Angeblich muss die Politik künftig unbegrenzt Schulden machen, weil der Staat zu wenig Geld hat: Doch Deutschland hat kein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Stromnetz als Supergau - Dunkelflaute macht Wahnsinnspreise kurzfristig real
23.12.2024

Der Strompreis an der Pariser Strombörse erreichte letzte Woche einen außergewöhnlich hohen Stand. Wie Energieexperten dies erklären -...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ex-VW-Chef Winterkorn lehnt Richter als befangen ab
23.12.2024

Im Strafverfahren zur Dieselaffäre hat der frühere VW-Chef Martin Winterkorn den Vorsitzenden Richter für befangen erklärt. Er...

DWN
Panorama
Panorama Russland: Ölkatastrophe könnte 200.000 Tonnen Boden verseuchen
23.12.2024

Zwei Tanker sind vor mehr als einer Woche im Schwarzen Meer verunglückt, seither läuft Öl aus. Die Folgen für die Umwelt zeigen sich...

DWN
Finanzen
Finanzen EU: 13,5 Milliarden Euro für Deutschland
23.12.2024

Mehr saubere Energie und Digitalisierung: Deutschland erhält 13,5 Milliarden Euro aus Brüssel – und weitere Finanzhilfen könnten...

DWN
Panorama
Panorama Privater Gebrauchtwagenmarkt: Diese Vorteile bieten Privatkäufe für Käufer und Verkäufer
23.12.2024

In einer aktuellen Analyse haben die Experten des Internetportals AutoScout24 den Privatmarkt für Gebrauchtwagen untersucht. Laut einer...

DWN
Politik
Politik Trump will Panama-Kanal und Grönland
23.12.2024

Trump zeigt sich auf dem AmericaFest kampfbereit. In einer Rede voller provokanter Forderungen greift er zentrale Themen seiner kommenden...