Noch bevor ESM und Fiskalpakt vom Bundestag und Bundesrat beschlossen und die angekündigten Verfassungsbeschwerden gegen die Gesetze eingereicht sind, hat Bundespräsident Joachim Gauck bereits befunden, dass die Gesetze verfassungskonform sind . Bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel sagte er mit Blick auf die angekündigte Verfassungsbeschwerde: „Ich sehe nicht, dass die Bereitschaft der Regierung konterkariert werden wird vom Bundesverfassungsgericht.“ Damit beurteilte er die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht als aussichtslos und sorgte auch für Irritationen bei den potentiellen Klägern.
Die äußern sich auch dementsprechend: „Ich halte es für problematisch, wenn der Bundespräsident vor Kenntnis der eingereichten Verfassungsbeschwerden und der Gesetze, sich zu den Erfolgsaussichten ausspricht“, kritisiert Verfassungsrechtler Christoph Degenhart auf Nachfrage der Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Christoph Degenhart geht davon aus, dass Joachim Gauck „einfach seine pro-europäische Einstellung zum Ausdruck bringen wollte“.
Gemeinsam mit der ehemaligen Justizministerin Herta Däubler-Gmelin wird Christoph Degenhart den Verein „Mehr Demokratie“ vor dem Verfassungsgericht vertreten, sollten ESM und Fiskalpakt durchgewunken werden. Der Bundespräsident müsse die Gesetze zum ESM und Fiskalpakt erst prüfen, bevor er sie billige. „Ich gehe nicht davon aus, dass er sie im Einzelnen bereits geprüft hat.“ Schließlich setze seine Prüfungsaufgabe erst ein, wenn Bundestag und Bundesrat die Gesetze beschlossen haben.
Die Frage, ob er glaube, dass das Bundesverfassungsgericht sich von den Worten des Bundespräsidenten in irgendeiner Weise in seiner Entscheidungsfindung beeinflussen lassen würde, verneint Christoph Degenhart allerdings. „Ich bin davon überzeugt, dass das Gericht unabhängig ist.“ Deshalb erwarte er auch, dass Joachim Gauck die Entscheidung des Gerichts respektieren werde. „Ich gehe davon aus, dass er, wie seine Vorgänger, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten wird, ehe er die Gesetze ausfertigt.“
Im Mai sollen Bundestag und Bundesrat über die Gesetze zum ESM und Fiskalpakt abstimmen. Grundsätzlich können neue Gesetze erst wirksam werden, wenn der Bundespräsident sie unterschrieben hat. Und eine Verweigerung seiner Unterschrift kann er nur mit verfassungsrechtlichen Bedenken begründen.