Politik

Nach Dänemark: Netanjahu fordert Juden zu Auswanderung aus Europa auf

Nach einem Mord vor einer Synagoge in Kopenhagen fordert Israels Premier Benjamin Netanjahu alle Juden Europas auf, nach Israel auszuwandern. Die dänischen Behörden halten es für denkbar, dass der Täter auch für den Mord in einem Kultur-Café verantwortlich ist. Über die Hintermänner der Anschläge ist nichts bekannt.
15.02.2015 15:34
Lesezeit: 2 min

Nach zwei Mordanschlägen in Kopenhagen binnen weniger Stunden hat die Polizei den mutmaßlichen Attentäter am Sonntagmorgen erschossen. Der Mann ist den Polizeiangaben zufolge wahrscheinlich für den Mord an einem Gast einer Diskussion über Meinungsfreiheit in einem Café und an einem jüdischen Wachmann vor einer Synagoge verantwortlich.

Die dramatischen Stunden von Kopenhagen begannen am Samstag um 15.33 Uhr. Der junge Mann beschoss mit einer automatischen Waffe von außen das Kulturcafé, in dem eine Veranstaltung zum Thema «Kunst, Gotteslästerung und Freie Rede» stattfand. Ein Gast starb, Augenzeugen zufolge handelt es sich um den 55-jährigen Filmregisseur Finn Nørgaard, berichtet die Zeitung «Ekstra Bladet». Drei Polizisten wurden verletzt.

Der Angriff in dem Kulturcafé könnte dem schwedischen Zeichner Lars Vilks gegolten haben, der einmal Mohammed als Hund gezeichnet hatte. Er war bereits mehrfach Ziel von Anschlägen. Radikale Gruppen, die sich auf den Islam berufen, hatten ein Kopfgeld von 150.000 Dollar auf ihn ausgesetzt. Vilks blieb bei dem Anschlag unverletzt. Er hatte sich mit einer Organisatorin der Diskussion in einem Kühlraum versteckt.

Nach dem Anschlag setzte eine Großfahndung ein. Der Attentäter flüchtete in einem dunklen VW Polo. Er stellte das Auto der Polizei zufolge ab. Per Taxi ließ er sich demnach in eine rund zwei Kilometer vom Kulturcafé entfernte Wohnung fahren. Etwa zehn Stunden nach dem ersten Anschlag eröffnete wahrscheinlich derselbe Täter nach Mitternacht das Feuer an einer rund drei Kilometer von der Wohnung entfernten Synagoge.

Ein Mann wurde von einer Kugel tödlich in den Kopf getroffen - nach Angaben aus der jüdischen Gemeinde ein 37 Jahre alter Freiwilliger, der die Besucher am Eingang kontrollierte. Zwei Polizisten wurden verletzt. Zu einer Feier - der Bar Mizwa - waren in dem Gebäude rund 80 Menschen versammelt. Nach Angaben des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, Dan Rosenberg Asmussen, gelang es dem Angreifer nicht, in das Gebäude vorzudringen.

«Wir nehmen an, dass es derselbe Täter ist», sagte Chefpolizeiinspektor Torben Mølgård Jensen am Sonntagmorgen. «Aber es gibt derzeit noch sehr viele lose Fäden, die wir noch zu einem Bild weben müssen.» Nicht völlig ausgeschlossen war, dass es Helfer gab.

In der Zwischenzeit hatte die Polizei ihren Angaben zufolge Stellung vor einer Wohnung nahe des Bahnhofs Nørrebro bezogen. Die Adresse habe sie von dem Taxifahrer bekommen, dessen Fahrgast der Mann war. Kurz vor 5.00 Uhr kehrte der Mann dorthin zurück. Die Sicherheitskräfte riefen ihm zu. Er eröffnete den Angaben zufolge sofort das Feuer. Die Beamten schossen zurück und trafen den Schützen tödlich - gut 13 Stunden nach dem ersten Anschlag.

In der dänischen Hauptstadt herrschte zeitweise Panik und Chaos. Das Geschehen spielte sich in einem engen Umkreis in der Innenstadt ab. Doch die Lage war über Stunden völlig unklar. Auch die Bundespolizei war im Einsatz und überwachte an den drei Flensburger Grenzübergängen den Verkehr. Die Polizei vollzog die Spur des Mannes durch Videoaufzeichnungen von den einzelnen Schauplätzen nach.

Nähere Einzelheiten zu dem Attentäter waren zunächst nicht bekannt. Nach dem ersten Anschlag hatte die Polizei eine Fahndung nach einem etwa 25 bis 30 Jahre alten Mann arabischen Aussehens ausgelöst. Bilder aus einer Überwachungskamera zeigten einen dunkel gekleideten Mann mit roter Mütze.

Das Bundesinnenministerium sieht keine erhöhte Terrorgefahr in Deutschland. Es gebe nach wie vor eine abstrakt hohe Gefährdung. Der Karnevalsumzug in Braunschweig wurde am Sonntag kurz vor dem Start wegen Hinweisen auf mögliche Terroranschläge abgesagt.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderte die Juden in Europa zur Auswanderung in den jüdischen Staat auf: «Juden wurden auf europäischem Boden ermordet, nur weil sie Juden waren.» Der britische Premierminister David Cameron zeigte sich betroffen. Die USA boten Dänemark ihre Hilfe an.

Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve machte sich auf den Weg in die dänische Hauptstadt. Unter den Besuchern des Kulturcafés war auch der französischen Botschafter François Zimeray. Er blieb unverletzt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Bionik, KI und Robotik: Der Innovationsschub, der alles verändert
16.08.2025

Von der Bionik bis zur KI-Konvergenz: Neue Technologien versprechen einen Innovationssprung – und könnten Wirtschaft, Gesellschaft und...

DWN
Panorama
Panorama Datenschutz und Oktoberfest - was sich im September ändert
16.08.2025

Die Tage werden kürzer und der Herbst naht im September. Welche Neuerungen bringt der neue Monat für Verbraucherinnen und Verbraucher?...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Business Angels sind keine Almosen-Geber: So knackt man sie trotzdem
16.08.2025

Sie heißen Engel, aber verschenken nichts: Warum Business Angels für Start-ups goldwert sind – und wieso Gründer trotzdem mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft 150 Jahre ohne Steuerprüfung? Personalmangel bremst Steuerkontrollen in Deutschland aus
16.08.2025

In Deutschland können Kleinstbetriebe statistisch gesehen 150 Jahre lang einer Steuerprüfung entgehen – während dem Staat Milliarden...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Deutsche Bahn: Vor diesen Herausforderungen steht der künftige Bahn-Chef
16.08.2025

Richard Lutz muss seinen Posten als Bahnchef räumen - und übergibt dabei zahlreiche Probleme an seinen Nachfolger. Kann der erfolgreicher...

DWN
Technologie
Technologie Laser gegen Putins Drohnen: Europas Hightech-Antwort auf den Krieg
16.08.2025

Während russische Drohnen den Himmel über Europa testen, setzen die Ukraine und die EU auf eine futuristische Waffe: Laser, die für...

DWN
Finanzen
Finanzen Europas Bankenaufsicht warnt: Drei Risiken können das Finanzsystem erschüttern
16.08.2025

Er führt Europas Bankenaufsicht – und sieht drei Gefahren, die selbst starke Institute ins Wanken bringen könnten: geopolitische...

DWN
Politik
Politik Spitzbergen: Russland hat 100 Jahre nach dem Spitzbergen-Vertrag die Arktis genau im Blick
15.08.2025

Vor 100 Jahren wurde der Spitzbergen-Vertrag unterzeichnet – ein Abkommen mit besonderer geopolitischer Brisanz. Heute sorgen Norwegen...