Die Lage der russischen Wirtschaft bleibt weiterhin angespannt: Der Rubel hat seit September 2014 fast die Hälfte seines Wertes eingebüßt. Die Inflationsrate stieg Ende Januar 2015 von 11,4 Prozent auf 15 Prozent an. Und die Währungsreserven sind nach Angaben der russischen Zentralbank seit Februar 2014 um etwa ein Viertel geschmolzen.
Zwar verfügt Russland noch über 374 Milliarden Dollar an Reserven. Doch der schwedische Ökonom Anders Aslund vom Peterson Institute for International Economics schätzt, dass nur knapp die Hälfte davon liquide Mittel darstellen. Etwa 49 Milliarden Dollar der Reserven liegen in Form von Goldbeständen vor. Rund 170 Milliarden Dollar liegen in illiquider Form im Reserve-Fonds und dem Nationalen Wertefonds vor, die beiden dem russischen Finanzministerium unterstehen. Die Zentralbank hat auf diese Mittel keinen Zugriff.
Angesichts der Auslandsschulden von rund 700 Milliarden Dollar und der anhaltenden Kapitalflucht stellen die verbleibenden Währungsreserven kein ausreichendes Polster dar. Russland ist deshalb auf der Suche nach Finanzhilfe, berichtet der US-Think-Tank Council on Foreign Relations. Zwar versuchte das Land zuletzt mit einer Platzierung von Anleihen neue Geldmittel einzuwerben. Doch die dabei aufgenommenen Schulden in Höhe von rund 300 Millionen Dollar dürften nicht annähernd ausreichen, um die angespannte Lage zu entschärfen.
In den neunziger Jahren hatte Russland im Zuge einer schweren Wirtschaftskrise noch die Hilfe des IWF in Anspruch genommen. Der IWF gewährte dem Land damals Notkredite in Höhe von 35 Milliarden Dollar. Legt man die jüngsten IWF-Kredite an Griechenland, Portugal und Irland als Maßstab zugrunde, könnte Russland dieses Mal sogar bis zu 200 Milliarden Dollar vom IWF leihen. Doch angesichts der politischen Spannungen zwischen Russland, den USA und Europa will Moskau nicht auf IWF-Kredite zurückgreifen.
Russlands beste Hoffnung liegt deshalb in China - auch wenn das Verhältnis der beiden Staaten nicht friktionsfrei ist. Man traut sich nicht wirklich über den Weg und sucht natürlich in erster Linie den eigenen Vorteile. Romantische Freundschaften hat es im politischen Verhältnis zwischen Peking und Moskau nie gegeben, wie eine interessante Dokumentation von Arte belegt (Video am Anfang des Artikels).
Doch bewegen sich die ehemaligen Rivalen seit einiger Zeit wieder aufeinander zu. Sie sind geeint durch die gemeinsame Ablehnung der Dollar-Herrschaft. Das wissen auch die Amerikaner: Erst vor wenigen Monaten gab es eine vom Pentagon organisierte Simulation, bei der die Möglichkeit eines gemeinsamen Angriffs von Russland und China auf den Dollar durchgespielt wurde.
Und auch im realen Leben gibt es eine Annäherung: Beiden Staaten handelten erst kürzlich einen Vertrag über einen Währungstausch („currency swap agreement“) aus. Dieser würde es Russland gestatten, 150 Milliarden Renminbi (rund 24 Milliarden Dollar) von der chinesischen Zentralbank zu leihen und sie gegen Dollar zu tauschen. Das wiederum würde einen Abwertungsdruck auf die chinesische Währung erzeugen, ohne, dass der Westen China direkte Währungsmanipulationen vorwerfen könnte.
Zudem betonte Chinas Wirtschaftsminister Gao Hucheng, dass die Höhe der Währungskredite jederzeit ausgedehnt werden könne, wie Bloomberg berichtet. Somit stärkt China seine Rolle „finanzieller Retter in letzter Not“. Zuletzt hatte Peking durch einen ähnlichen Währungstauschhandel Argentinien mit 2,3 Milliarden und Venezuela mit 4 Milliarden Dollar vor der drohenden Staatspleite bewahrt.
Sollte sich China für einen Bail-out Russlands entscheiden, dürfte dies zu einer Vertiefung der Beziehungen beider Länder führen, wie die regierungsnahe Global Times China berichtet. „Russland spielt eine unverzichtbare Rolle als strategischer Partner Chinas in der internationalen Gemeinschaft. Deshalb muss China Russland aus dieser Krise helfen.“
Eine weitere Option für Russland wäre die im Juli 2014 von den BRICS-Staaten gegründete Alternative zum IWF – das sogenannte Contingency Reserve Arrangement (CRA). Der „Mini-IWF“ soll über ein Kapital von 100 Milliarden Dollar verfügen. Die fünf Gründungsstaaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika haben einen Teil ihrer Dollar-Reserven verwendet, um den Fonds mit Finanzmitteln auszustatten. China plant mit insgesamt 41 Milliarden Dollar den größten Anteil beizusteuern. Russland, Indien und Brasilien wollen sich mit jeweils 18 Milliarden Dollar am CRA beteiligt. Und Südafrika wird fünf Milliarden Dollar an den Fonds überweisen.
Jedes Land hat im Krisenfall maximal Anspruch auf Gelder in Höhe seiner Einzahlungen. Demnach stehen Russland höchstens 18 Milliarden Dollar aus diesen Reserven zur Verfügung. Allerdings kann ein Land die volle Höhe der Notkredite nur dann ausschöpfen, wenn es sich zusätzlich in einem IWF-Programm befindet, wie aus dem Gründungsvertrag des CRA hervorgeht. Demzufolge verbleiben für Russland nur 5,4 Milliarden Dollar Notkredite aus dem CRA – eine unzureichende Summe angesichts der wirtschaftlichen Schieflage.