In Bristol kommen die ersten Strohhäuser demnächst auf den Markt. Ein Jahrzehnt lang haben Architekten und Ingenieure von Modcell zusammen an dieser Idee getüftelt und sie soweit optimiert, dass sie jetzt baureif geworden ist. Das Ergebnis: Hohe Isolierung, geringe Kosten und ein zusätzlicher Effekt, der dem Klimawandel entgegenwirkt.
Ein Strohhaus wird ähnlich wie ein Fertighaus bereits im Vorfeld konstruiert und gefertigt. Die Heuballen werden dann nur noch vor Ort von Holzbrettern umschlossen. Professor Pete Walker legt in puncto Brandschutz seine Hand ins Feuer: „Wir haben es Jahre lang getestet und die Häuser sind robust und sicher.“
Hinzu kommt, dass Stroh ein Rohstoff ist, der in der Natur massenhaft vorkommt. Gerade die Herstellung von Cornflakes lässt eine Menge Stroh als Abfallprodukt zurück. 3,8 Millionen Tonnen Stroh bleiben alleine in Großbritannien jedes Jahr übrig. In der Regel wird das Stroh dann als Schlafplatz für Tiere verwendet.
Wenn es mehr als genug Stroh gibt und die Konstruktion als sicher abgesegnet wurde, ist es durchaus sinnvoll, das Material für den Bau von Häusern zu nutzen. Ein Haus mit 3 Schlafzimmern benötigt dabei 7 Tonnen Stroh. Somit könnten allein von dem Stroh, das jährlich in Großbritannien abfällt, über eine halbe Million Häuser gebaut werden. Aktuell fehlen in England über 200.000 Häuser.
Das Konzept ist nicht nur günstig und natürlich, es reduziert auch den Klimawandel. Denn Stroh speichert Kohlenstoffdioxid und kann damit neben der guten Isolation einen zusätzlichen Nutzen aufweisen. Die Idee wurde etwa drei Stunden nördlich von Bristol bereits umgesetzt.
In Leeds gibt es eine kleine Siedlung mit Häusern, die nach einem ähnlichen Konzept aus Strohballen gebaut wurden. Dort, wie auch in Bristol, gibt es in jedem Haus eine kuriose Konstruktion: Beim Bau wird absichtlich ein Stück Strohballen sichtbar gelassen und kein Holzbrett darüber befestigt. Letztlich wird ein Plexiglas über die kahle Stelle montiert. Die Begründung der Architekten hat einen verständlichen Hintergrund.
„Es gibt immer Leute, die gar nicht glauben können, dass sie sich in einem Haus aus Stroh befinden, wenn sie in unserem Haus sind.“, sagt Architekt Craig White in einem BBC-Interview. Aus diesem Grund entstand die Idee mit dem Plexiglas. So gibt es in jedem dieser Häuser eine Stelle, an der die Bewohner daran erinnert werden, was für ein Material sich zwischen ihren Wänden befindet. Denn weder von außen noch von innen, erkennt man, woraus die Häuser gebaut sind.
So haben die Bewohner und deren Gäste immer den Beweis vor Augen, dass dort tatsächlich Stroh verbaut wurde. Es sind übrigens ganz gewöhnliche Ballen, wie sie auf einem Bauernhof liegen würden. Mit einer Dicke von 36 cm ist die Wand dadurch offensichtlich auch dicker als eine gewöhnliche Häuserwand.
Doch das Stroh ist nicht nur in der Wand. Die Bretter selbst bestehen auch zu einem Teil aus Stroh. Ein etwa 7 cm dickes Holzbrett wird dazu innen und außen an den Strohballen befestigt. Im Brett selber befindet sich in der Mitte gepresstes Stroh, das letztlich ein wenig an eine Spanplatte erinnert. Nur mit dem Unterschied, dass dort keine Späne sondern Stroh dort zusammengepresst wurde. In Bristol ist dieses Modell noch Neuland und die Bauherren hoffen auf einen schnellen Verkauf.
Die Einwohner in Leeds wohnen dagegen bereits seit 2 Jahren in ihren Häusern aus Stroh. Sie haben diese damals selbst gebaut und sind weiterhin begeistert. Insbesondere wenn es um die laufenden Kosten geht, bekommen die Eigentümer dank der guten Isolierung leuchtende Augen. Im Vergleich zu einem üblichen Haus, sparen sie pro Jahr umgerechnet etwa 550 Euro bei den Rechnungen für Gas und Strom. Stroh könnte also eine gewisse Renaissance erleben, vom Abfallprodukt zum Baustoff.
Auch in Deutschland werden die Strohballen-Häuser seit einigen Jahren immer beliebter, wie dieses Video zeigt: