Politik

Greenwald: USA haben Deutschland gedroht, um Asyl für Snowden zu verhindern

Der amerikanische Journalist Glenn Greenwald berichtet, Sigmar Gabriel habe ihm gesagt: Deutschland habe dem NSA-Enthüller Edward Snowden kein Asyl gewährt, weil die US-Regierung gedroht habe, Deutschland in diesem Fall von allen Geheimdienstinformationen abzuschneiden. Eine Sprecherin Gabriels antwortet ausweichend zu dem Vorfall.
20.03.2015 19:55
Lesezeit: 2 min

Der Journalist Glenn Greenwald zitiert auf seiner Website The Intercept Vizekanzler Sigmar Gabriel mit einer bemerkenswerten Aussage: Nach der Verleihung eines Medien-Preises hätte ihm Gabriel gesagt, der bei der Preisverleihung eine Rede hielt, die Amerikaner hätten Deutschland gedroht, wenn sie Edward Snowden Asyl gewähren sollten.

Greenwald wörtlich:

«Nach (der Preisverleihung, Anm. d. Red.) habe ich den Vizekanzler (der auch Chef der Sozialdemokratischen Partei und Wirtschafts- und Energieminister des Landes ist), bedrängt und gefragt, warum die deutsche Regierung Snowden kein Asyl gewähren könnte - womit der dem Asylsuchenden nach internationalem Recht zustehende Status eines Flüchtlings ignoriert wird. Er sagte, dass die US-Regierung den Deutschen aggressiv gedroht habe, sie würden von jeglichem Austausch von Geheimdienst-Informationen ,abgeschnitten' werden. Wenn die Drohung wirklich wahrgemacht worden wäre, würde dies bedeuten, dass die Amerikaner tatsächlich zulassen würden, dass die deutsche Bevölkerung im Fall einer drohenden Attacke verwundbar würden, weil die Amerikaner ihrer Regierung eine derartige Information vorenthalten würden.»

Eine Sprecherin Gabriels ging auf Nachfrage der FAZ nicht auf den Vorfall ein. Die FAZ berichtet, dass die Sprecherin die Frage «glatt abgebügelt» habe. Sie bezog sich lediglich auf den öffentlichen Teil der Preisverleihung und sagte, Gabriel habe lediglich auf die geltende Rechtslage hingewiesen, wonach es «keine juristische Grundlage» gäbe, Snowden in Deutschland Asyl zu gewähren. Alle «weiteren Spekulationen erübrigten sich damit». Es ist interessant, dass die Sprecherin nicht mit einem harten Dementi reagierte, wie man es angesichts der Tragweite einer solchen Aussage eigentlich erwarten würde. Immerhin hätte Gabriel damit zugegeben, dass die USA aktiv in die Menschenrechtspolitik in Deutschland intervenieren.

Ob die Aussage wirklich so gefallen ist, ist nicht zweifelsfrei festzustellen. Dass Greenwald einen solchen Spruch allerdings einfach erfindet, ist trotz seiner Enttäuschung über Deutschland schwer vorstellbar. Greenwald hatte der Bundesregierung vorgeworfen, Snowden und die freie Welt verraten zu haben. «Mit am Enttäuschendsten ist es, dass ausgerechnet die Nationen und Regierungen, die am meisten von dem Risiko profitiert haben, das Edward einging, beschämenderweise auch diejenigen waren, die ihm den Rücken kehrten», sagte er. Deutschland zählte er dazu.

Snowden sagte bei einem Videoauftritt auf der IT-Messe CeBIT in Hannover, er würde sich auch gern vor einem ordentlichen Gericht verantworten. «Aber nach aktuellen Gesetzen ist es nicht möglich, einen fairen Prozess zu bekommen. Das Gesetz verbietet es buchstäblich.» Sein Verfahren würde komplett im Verborgenen ablaufen, meinte Snowden.

Snowden hatte 2013 zahlreiche Dokumente des US-Geheimdiensts NSA dem Journalisten Glenn Greenwald und der Dokumentarfilmerin Laura Poitras übergeben. Damit löste er eine Flut von Enthüllungen über ausufernde Überwachung aus. Snowden bekam auf der Flucht Asyl in Russland.

Snowden sagte, er bereue nichts. «Ja, ich habe mit dem, was ich tat, mein Leben bis auf den Boden heruntergebrannt. Aber ich würde es jedes Mal wieder genauso tun. Denn es liefert ja auch neuen, fruchtbaren Boden.» Greenwald bekräftigte, Snowden habe weitere Informanten inspiriert, mit Journalisten Kontakt aufzunehmen. Näheres dazu sagte er nicht.

Er habe mit seinem Handeln ein Ungleichgewicht im Verhältnis von Geheimdiensten und Bürgern beendet: «Sie haben uns beobachtet, wir wussten nicht einmal etwas davon.» Das Streben des Sicherheitsapparat nach Informationen führe ohne Schranken zur Überwachung aller: «Es gibt keinen goldenen Schlüssel, der den guten Jungs erlaubt, nur die Kommunikation von Terroristen zu überwachen».

Greenwald schloss aus, dass die Unterlagen - wie immer wieder gefordert - komplett veröffentlicht werden könnten. Die Geheimdienst-Papiere enthielten dafür zu viele Informationen über überwachte Personen. «Es wäre schrecklich, wenn wir alle diese Informationen veröffentlichen würden. Es wäre eine Verletzung ihrer Privatsphäre.» Er selbst falle als Auswerter der Snowden-Papiere nicht ins Gewicht, da im US-Geheimdienstapparat Zehntausende Leute Zugang dazu hätten, meinte Greenwald.

Snowden sprach vor einem dunklen Hintergrund, der keinen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort zuließ und wurde auf der Messe mit langem Applaus bedacht. Es war sein dritter Videoauftritt bei einer Konferenz in fünf Tagen. Auf die Einladung des Moderators, persönlich auf die CeBIT zu kommen, wenn er Russland verlassen dürfe, sagte Snowden: «Lassen Sie uns erst Angela Merkel fragen.»

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Technologie
Technologie BradyPrinter i7500: Revolution im Hochpräzisionsdruck

Sie haben genug vom altmodischen Druck großer Etikettenmengen? Keine Kalibrierung, keine Formatierung, kein umständliches Hantieren mit...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Handelskonflikt eskaliert: EU prüft bislang ungenutztes Instrument
01.04.2025

Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA stehen kurz vor einer Eskalation. US-Präsident Trump plant neue Zölle auf eine...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Trumps Zölle - Warum Hyundai jetzt auf Milliarden-Investitionen in den USA setzt
01.04.2025

Geht sein Plan auf? Trumps Zollerhöhungen erzwingen bereits drastische Reaktionen. Hyundai investiert 21 Milliarden US-Dollar in die USA,...

DWN
Politik
Politik AfD holt in Umfrage auf: Union büßt nach Bundestagswahl stark ein
01.04.2025

Nach der Bundestagswahl verliert die Union in den Umfragen, während die AfD kräftig zulegt. Auch SPD und Grüne verzeichnen Rückgänge,...

DWN
Politik
Politik Bamf-Chef Sommer will radikale Asyl-Wende - Rücktritt gefordert
01.04.2025

Bamf-Chef Hans-Eckhard Sommer fordert eine radikale Wende in der deutschen Asylpolitik. Statt individueller Anträge plädiert er für eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Europa-ETF-Vergleich: Wie Sie mit Europa-fokussierten ETFs Geld verdienen - und welche Europa-ETF sinnvoll sind
01.04.2025

Da die Trump-Administration die Unterstützung für die Ukraine zurückfährt, protektionistische Zölle erlässt und sich von der...

DWN
Politik
Politik Reform Arbeitszeitgesetz: 8-Stunden-Tag nicht mehr zeitgemäß?
01.04.2025

Union und SPD schlagen vor, aus der täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit zu machen. Von der Wirtschaft gibt es Zuspruch, die...

DWN
Politik
Politik Stephan Weil: Niedersachsens Ministerpräsident (SPD) zieht sich aus Politik zurück
01.04.2025

Stephan Weil beendet nach mehr als zwölf Jahren als Ministerpräsident von Niedersachsen seine politische Karriere. Mit einem klaren Kurs...

DWN
Politik
Politik Fußfessel: Le Pens Partei ruft zu frankreichweitem Protest auf
01.04.2025

Marine Le Pen wurde wegen Veruntreuung öffentlicher EU-Gelder verurteilt. Das Urteil verbietet ihr vorerst die Teilnahme an Wahlen und...