Bundeskanzlerin Angela Merkel und der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sind in wesentlichen Fragen der Schuldenkrise nicht vorangekommen - trotz aller Bemühungen um versöhnliche Töne. Bei seinem Antrittsbesuch in Berlin versprach Tsipras am Montag, Vereinbarungen einzuhalten. Er forderte aber andere Prioritäten. «Wir brauchen einen neuen politischen Mix.»
Merkel hat den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras gemahnt, «Reformen» in Griechenland umzusetzen. «Wir möchten, dass Griechenland wirtschaftlich stark ist, dass Griechenland Wachstum hat». Vor allem müsse die hohe Arbeitslosigkeit überwunden werden. Forderungen nach weiteren Entschädigungen für Nazi-Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs wies Merkel zurück.
Nach wochenlangem Schlagabtausch zwischen Berlin und Athen warnte Tsipras vor weiteren gegenseitigen Schuldzuweisungen. «Weder sind die Griechen Faulenzer, noch sind die Deutschen Schuld an den Übeln und den Missständen in Griechenland. Wir müssen hart daran arbeiten, diese schrecklichen Stereotypen zu überwinden.» Der linke Regierungschef äußerte sich weder zu seiner angekündigten Reformliste noch zu möglichen Liquiditätsproblemen.
Die Probleme werden grundsätzlich erst im Juni wirklich schlagend, wenn ein EZB-Kredit umgeschuldet werden muss. Interessant: Die EZB ist mittlerweile offenbar wieder bereit, die griechischen Banken mit Not-Krediten zu stützen. Kathimerini berichtet, dass der Franzose Christian Noyer dafür plädiere, den Banken neue Kreditlinien zu eröffnen - unter der Voraussetzung, dass das Geld nicht für den Haushalt verwendet werde.
Merkel beschwor den Zusammenhalt der Europäischen Union: «Dieses Europa ist darauf aufgebaut, dass jedes Land gleich wichtig ist.» Gleich welcher Größe, Einwohnerzahl oder Wirtschaftskraft. In der Eurogruppe habe jeder genau eine Stimme. «Das ist, was unser Zusammenleben auszeichnet.» Sie sagte: «Die Europäische Union ist eine so kostbare Sache, dass man alle Anstrengungen dafür einsetzen muss.»
Dem hoch verschuldeten Land könnte ohne neue Kredite der Geldgeber Probleme erwachsen. Die Euro-Partner und der IWF haben ausstehende Kredite von 7,2 Milliarden Euro auf Eis gelegt, da Athen bisher nicht alle Auflagen erfüllt hat. Originell: Die Griechen haben vor allem Finanzierungsprobleme, weil sie einen IWF-Kredit bedienen müssen. Sie können das nicht, ohne einen neuen IWF-Kredit zu bekommen - womit eigentlich alles über das Dilemma gesagt ist.
Tsipras hatte bei einem Krisentreffen in Brüssel zugesagt, «in den nächsten Tagen» eine ausführliche Reformliste vorzulegen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur will er mit einer Mischung aus Steuererhöhungen, Privatisierungen sowie Nachzahlungen von Steuerbetrügern Geld in die leeren Staatskassen bringen.
Merkel betonte, dass die Zeit genutzt werden müsse, um das bis Ende Juni verlängerte Hilfsprogramm umzusetzen. Über weitere Finanzhilfen für Athen entscheide allein die Euro-Gruppe nach Bewertung der Reformvorhaben durch die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB) sowie den Internationalen Währungsfonds (IWF).
Nach den Worten Merkels ist beiden Seiten an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit gelegen. Schwierige Fragen müssten auch angesprochen werden. «Beide Länder wollen gut zusammenleben.» Tsipras bot Deutschland eine neue Form der Zusammenarbeit an. «Wir müssen uns besser verstehen.» «Es gibt keinen anderen Weg als den des Dialogs, um bestehende Schwierigkeiten zu überwinden.»
Tsipras versprach auch «umfangreiche Strukturreformen». Griechenland sei es in den vergangenen fünf Jahren nicht gelungen, seine eigenen Probleme zu lösen. «Es gibt auch interne Ursachen für die enorme Krise in Griechenland.
Zu den Plänen der griechischen Regierung gehört auch eine Reform des im europäischen Vergleich besonders teuren Rentensystems. Dabei soll es um eine Heraufsetzung des Rentenalters und eine Verlängerung der für das Erreichen der vollen Rente notwendigen Beitragszeiten gehen. Dieses Vorhaben gilt als heikel, weil es zu den Wahlversprechen des Linksbündnisses zählte, die Renten nicht anzutasten. Im Gespräch ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Zudem wollen die Behörden alle Griechen mit Schwarzgeld-Konten im Ausland aufrufen, sich zu melden.
Im Streit um Entschädigungen für die Nazi-Zeit betonte Tsipras, dabei gehe es in erster Linie nicht um materielle Dinge, sondern um ein «ethisches, moralisches Thema». Das habe nichts mit der Schuldenkrise zu tun. Merkel wiederholte ihre Position, dass die Frage der Reparationen aus Sicht der Bundesregierung politisch und rechtlich abgeschlossen sei. Deutschland stelle sich aber seiner Verantwortung für die Verbrechen der Nationalsozialisten: «Deutschland nimmt diese Aufgabe, dieses Bewusstsein wachzuhalten und auch nicht beiseite zu stellen, sehr, sehr ernst.»
Tsipras verfolgt in Berlin jedoch auch eine andere Agenda: Er traf sich mit den Spitzen der Links-Partei sowie der Grünen. Tsipras spekuliert damit, dass eine linke Allianz in ganz Europa ein Ende der Austeritätspolitik herbeiführen könnte.